Wiener Immobilienmarkt im Herbst 2024: Vom Sein und Schein des Wachstums
Obwohl in Wien Wohnhochhäuser wie die Schwammerln aus dem Erdboden schießen, ist die Lage am Immobilienmarkt nach wie vor angespannt: Schon seit Jahren wurde nicht mehr so wenig entwickelt, bewilligt und gebaut wie derzeit.
Der famose »DC Tower 2« auf der Donauplatte ist das vielleicht sichtbarste Beispiel dafür, wie sich Wien in den letzten Jahren verändert hat – weg von einer Bürohochhaus-Stadt hin zu einer Stadt des Turmwohnens. War er zunächst noch als Bürogebäude mit nur wenigen Penthouse-Wohnungen in den obersten Etagen vorgesehen, mutierte er nach einer jahrelangen Finanzierungs- und Umwidmungsphase nun zu einem Mixed-Use-Projekt mit Büros in den untersten 30 Etagen und insgesamt 314 Mietwohnungen ab einer Gebäudehöhe von 102 Metern. Dank diesem neuen Living-Schwerpunkt hat sich auch die Fassade des Hauses verändert – und ist nun mit Loggien und einer umlaufenden, weithin glitzernden Photovoltaikanlage verkleidet. »Mit 56 Stockwerken und 186 Meter Höhe wird dies das höchste PV-verkleidete Gebäude Europas sein«, sagt Wolfdieter Jarisch, Vorstand der S+B Gruppe. »Wir werden damit rund 300.000 Kilowattstunden pro Jahr produzieren können.« Oder, wie der Pariser Architekt Dominique Perrault dies ausdrückt: »Der Turm hat seinen kühlen, repräsentativen Bürocharakter verloren und ist durch die Farbe, durch die Leichtigkeit und natürlich durch die ganz neue Loggienstruktur wohnlicher geworden. Am Ende wird das Haus aussehen wie ein eingefrorener Wasserfall.«
Maximal effizient
Ob Wasserfall oder gipfelstürmende Zinsen, Baukosten und Grundstückspreise: Die Wohntypologie Hochhaus – einst Städten wir New York, Vancouver oder Hongkong vorbehalten – hat längst die österreichische Bundeshauptstadt Wien erreicht. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Durch die Stapelung zu einer hohen Geschoßzahl kann der mittlerweile kostspielige Grund und Boden maximal effizient genutzt werden. Auch andere, in ihrer Grundstücksverfügbarkeit oder geografischen Ausdehnung limitierte Städte wie etwa Linz und Innsbruck haben das Hochhauswohnen bereits für sich entdeckt.
Belebung und Verdichtung der Stadt
»Aus Stadtentwicklungssicht ist ein Hochhaus überaus sinnvoll«, sagt Lukas Schwarz, Head of Capital Markets beim weltweit tätigen Investmentunternehmen CBRE. »Es beansprucht weniger Grundfläche, reduziert den Versiegelungsgrad und sorgt für eine gewisse Belebung und Verdichtung der Stadt. In wirtschaftlicher Hinsicht jedoch sind Wohnhochhäuser ein eher durchwachsenes Investment.« Aufgrund der hohen bau- und sicherheitstechnischen Anforderungen und der entsprechend hohen Errichtungskosten sind die meisten Wohnhochhäuser im Luxussegment angesiedelt. Eine Ausnahme sind die Wohntürme auf umgewidmeten Grundstücken, die durch die Umwidmung per Gesetz einen gewissen Anteil an leistbaren, geförderten Wohnungen aufweisen müssen. »Für gewerbliche Bauträger ist das nicht immer attraktiv«, so Schwarz, »daher kommen hier meist gemeinnützige Bauträger zum Zug, die lediglich kostendeckend agieren müssen und keinem Renditedruck unterliegen.« Meist werden die Projekte mit einem Mix aus geförderten Wohnungen in den unteren Geschoßen und frei finanziertem Wohnen auf den oberen Etagen realisiert – das eine Modell stützt und querfinanziert das andere.
Stimmungslage versus Rekordtief
Doch der Schein der vielen Hochhäuser, die im Rohbau oder bereits im finalen Endausbau die Wiener Stadtsilhouette prägen, täuscht über die tatsächliche Stimmungslage am Wohnungsmarkt hinweg. Mit rund 14.000 Wohnungsfertigstellungen in Wien geht das Jahr 2024 mit einem Rekordtief in die jüngere Geschichte ein. Die Inflation, die gestiegenen Zinsen und die im Sommer 2022 in Kraft getretene KIM-Verordnung, die die private Kauflaune seitdem massiv trübt, haben den Wohnungsmarkt stark gedrosselt. Viele Projekte verzögern sich, die Verwertungen lassen auf sich warten, manche Bauträger haben die Spatenstiche für 2024 sogar komplett ausgesetzt. »Die aktuelle Situation führt einen Rattenschwanz an Problemen mit sich«, sagt Karin Schmidt-Mitscher, Leiterin Wohnbau in der Erste Bank Oesterreich. »Denn nachdem wir heute zu wenig bewilligen und bauen, wird es ab 2026 zu einem massiven Einbruch am Wohnungsmarkt kommen. Der Wettbewerb für Wohnraum wird zunehmen, die Mietpreise werden weiterhin steigen, und damit wird auch das Gerangel um die Wohnungen größer werden.« Mehr denn je müssen Wohnpolitik, kostspielige Baustandards und juristische Grundlagen wie etwa das Mietrechtsgesetz (MRG) dringend überdacht werden.