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© Dane Wetton/ Unsplash

Was steckt hinter Somatic Yoga?

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Im Bereich der Traumatherapien findet Somatic Experiencing® vermehrt Beachtung. Tatsächlich überzeugt SE als sanfter Lösungsansatz für körperliche und psychische Beschwerden.

Egal, wie oft man sich in die Hände der Masseurin oder des Masseurs begibt, die Verspannung lassen nicht locker. Vielleicht plagen uns auch wiederkehrende Kopfschmerzen. Oder sind es Schlafstörungen, die durchwachte Nächte mit sich bringen? Nach dem Verständnis des Somatic Experiencing®, kurz SE genannt, liegt die gemeinsame ­Ursache dieser Probleme in Traumata – die Lösung soll in speziellen SE-Sitzungen zu finden sein.

Trauma im Körper

Beim Somatic Experiencing® handelt es sich um die körperorientierte Aufarbeitung von Traumata, die sich auf somatischer – also körperlicher – Ebene äußern, etwa durch chronische Schmerzen oder stressbedingte Erkrankungen. Entwickelt wurde die ­Methode in den 1970ern von Biophysiker und Psychologe Dr. Peter A. Levine, der sich im Zuge seiner klinischen Tätigkeit mit den Themen Schock und Trauma beschäftigte. Er verstand Traumata als eine Dysregulation im Nervensystem, die entsteht, wenn natürliche Reaktionen auf traumatische Ereignisse wie Unfälle oder auch Missbrauch, sogenannte Schocktraumata, nicht verarbeitet werden können. Dies resultiert, so die ­Theorie Levines, in »eingefrorener« Energie im Körper, die es aufzulösen gilt.

Mittlerweile wird die Methode aufgrund der positiven Erfahrung Behandelter als auch erster positiver Studien, die die Wirksamkeit des SE belegen, auf der ganzen Welt praktiziert. Auch der sanfte Ansatz bewirkt, dass sich Somatic Experiencing® bewährt hat, weiß SE-Praktikerin Tamara Bailey von SINNEN-RAUM. »Weil wir nicht kognitiv arbeiten, ist das Ziel nicht, Traumata ­inhaltlich oder sprachlich aufzuarbeiten. Der Körper kann sich sowieso an alles erinnern«, erklärt sie. »Das ist oft sehr entlastend für Klient:innen.« SE stellt daher eine sanfte, ressourcenorientierte Ergänzung zu anderen Traumatherapien dar. Es wird häufig in der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen, aber auch von Angststörungen und Depressionen sowie chronischen Störungen eingesetzt. »Da gibt es ganz viele Einsatzgebiete, von körperlichen Beschwerden wie häufigen Kopfschmerzen, Verspannungen, Reizdarm oder Tinnitus bis hin zu Schlafstörungen oder Erschöpfungszuständen.«

Es geht darum, Kopf und Körper zusammenzubringen, damit diese wieder eine Einheit werden. Somatic Experiencing® arbeitet stark mit dem Nervensystem, ich beziehe immer das Spüren ein: Was erlebst du gerade im Körper?
Tamara Bailey SE-Praktikerin, Sexologin und Psychologische Beraterin | SINNEN-RAUM

Eine einzigartige Erfahrung

Der Weg zur SE-Behandlung beginnt für viele häufig nicht mit konkreten Beschwerden, sondern dem Gefühl, dass da etwas ist, das gelöst werden muss. Nach einem ­Gespräch, bei dem geklärt wird, wo das Problem liegen könnte, beginnt auch schon das im Sitzen angeleitete »Erlebnis«. Dabei kommen eigens entwickelte SE-Praktiken zum Tragen: darunter das »Somatic Tracking«, eine Art Spürarbeit ins eigene Nervensystem, bei dem man lernt, die körpereigenen Signale zu identifizieren. »Es geht darum, sich zu spüren, den Körper im Hier und Jetzt wahrzunehmen, zu schauen, welche Emotionen oder Bilder tauchen auf«, beschreibt Tamara Bailey die Sitzungen.

Die Sprache, die hierbei eingesetzt wird, ist eine »stammhirngerechte«, erklärt die Traumaexpertin: »Das sind Fragen wie ›Wie erlebst du das, wie fühlt sich das an?‹ Es ist eine eigene Sprache, langsam und eher leise, mit kurzen Sätzen.« Um die Klient:innen sanft heranzuführen, setzt man auf die sogenannte Titration, bei der traumatische Empfindungen in kleinen Dosen verarbeitet werden. Auch die Pendulation, ein Wechsel zwischen mit dem Trauma verknüpften Emotionen und positiven Empfindungen, kann Teil der Sitzung sein. Ziel des Somatic Experiencing® ist es, traumatisch gebundene Energie nach und nach zu entladen und die positiven Empfindungen langsam in den Alltag zu übertragen. Dabei werden die natürlichen Regulationsmechanismen des Körpers wieder aktiviert. Wie lange dieser Aufarbeitungsprozess dauert, variiert von Person zu Person. Grundsätzlich können isolierte Traumata wie Unfälle meist schneller gelöst werden als komplexe Entwicklungstraumata, etwa Missbrauch – aus diesem Grund haben sich aus dem SE bereits mehrere spezialisierte Methoden entwickelt.

© Manja Vitolic/ unsplash

Somatischer Selbstversuch?

Wer auf den sozialen Medien oder im Web unterwegs ist, weiß: Somatische Meditationen oder Yogaeinheiten werden online zuhauf geboten. Für Tamara Bailey stellen diese Selbstversuche zwar eine gute, ungefährliche Ergänzung für zu Hause dar – mit einer professionellen An- und Begleitung beim Somatic Experiencing® sei das allerdings nicht gleichzusetzen. »Ich sehe, was bei meinen Klient:innen passiert,
ich beobachte den gesamten Körper und jede kleine Bewegung – von den Pupillen, die sich ­verändern, bis hin zum kleinen Zeh, der sich bewegt – und gehe darauf ein.« Zudem setzen sich Traumata in jedem Körper anders fest. »Das ist sehr individuell. Ich schaue bei jeder Person: Womit und mit wem arbeite ich?« Somatic Experiencing® kann eine sanfte Ergänzung für die Lösung einer Vielzahl an individuellen Traumata darstellen.

Erschienen in
Ausgabe 03/2024

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