Starker Beckenboden: Warum jede Frau ihn trainieren sollte
Der Beckenboden sorgt für Spannung in unserer Mitte – er stützt unsere Organe, sorgt für eine gute Haltung, verhindert Inkontinenz und kann sogar das Lustempfinden steigern. Gründe genug, um den »versteckten« Muskel fit zu halten.
Er ist der »Hidden Hero« unserer Körpermitte: der Beckenboden. Die Platte aus drei Muskelschichten, Bändern und Bindegewebe befindet sich im Boden der Beckenhöhle, wo sie, einer Hängematte im Inneren gleich, eine wichtige Stützfunktion einnimmt. »Die Beckenbodenmuskulatur hält – wenn sie gestärkt ist – die inneren Organe an der anatomisch korrekten Stelle und hilft präventiv gegen Inkontinenz, Blasen- und Gebärmuttersenkung«, erklärt Dr. Regina Novak, Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe. Er stabilisiert nicht nur Gebärmutter, Blase und Darm, sondern unterstützt auch deren Schließmuskelfunktion. Außerdem profitiert auch das Lustempfinden von einer »fitten Mitte«, denn ein gesunder Beckenboden steigert die Durchblutung im Intimbereich, verbessert die Muskelkontrolle und kann so die sexuelle Stimulation verbessern. Allerdings ist die Beckenbodenmuskulatur kein statisches System – sie muss sowohl Spannung aufbauen als auch flexibel bleiben können. Ist der Bereich geschwächt, kann dies zu zahlreichen Problemen führen. Denn bei einer »durchhängenden Hängematte« senken sich die inneren Organe wie Blase oder Gebärmutter. Bemerkbar macht sich dies durch unfreiwillige Blasenschwäche, häufigen Harndrang und sogar Inkontinenz, aber auch durch ein Fremdkörpergefühl in der Vagina, Unwohlsein oder Schmerzen beim Sex. Für Betroffene wird Alltägliches wie Lachen, Niesen oder Husten zur Herausforderung.
Mögliche Ursachen
Übliche Auslöser für den Spannungsverlust sind zum einen Schwangerschaft und Geburt, selbst bei Kaiserschnitten. »Allein die veränderte hormonelle Situation stellt schon eine Belastung dar«, weiß die Medizinerin. Zum anderen können Übergewicht, schwaches Bindegewebe, die Menopause, aber auch schwere körperliche Arbeit oder ein überwiegend sitzender Lebensstil dazu beitragen, dass der Beckenboden seine tragende Rolle nicht mehr ordnungsgemäß ausführen kann. Obwohl in Österreich laut MeinMed drei von zehn Frauen von Harnverlust betroffen sind, bleibt das Thema für viele noch immer ein Tabu – nur fünf Prozent der Leidtragenden suchen ärztliche Hilfe. »Betroffene trauen sich oft nicht, darüber zu sprechen«, ergänzt die Gynäkologin.
Spannung aufbauen
Die gute Nachricht lautet: Der Beckenboden lässt sich bereits mit einfachen Übungen stärken – sowohl bei akuten Beschwerden als auch präventiv. Neben zahlreichen Hilfstools wie Vaginal- oder Liebeskugeln sowie Sitzbällen empfehlen sich stärkende Sportarten wie Gymnastik, Pilates oder Yoga und spezielle Kegelübungen. Ulrich Steiner, Sportwissenschaftler und Cheftrainer bei John Harris, betont: »Es gibt Personen, die ihren Beckenboden spüren und auch aktivieren können und Personen, die nicht wissen, wie sie diesen kontrollieren können und die vielleicht schon Probleme haben.« Letztere müssen anfangs externe Hilfe hinzuziehen. Spezielle medizinische Geräte, die teilweise von der Krankenkasse übernommen werden, oder Beckenbodengeräte in ausgewählten Fitnessstudios wie John Harris aktivieren die Muskulatur über Magnetpulse. Wer geübter ist, kann zu Liebeskugeln greifen, die es auch mit App-Steuerung und Spielen gibt – dabei beginnt man mit dem kleinsten Gewicht und steigert dieses mit der Zeit. Bewusste Atmung und Entspannungszeiten, um Überlastung und Verspannungen zu vermeiden, sind hierbei essenziell.
Hilfe von Expert:innen
Es ist ratsam – da sind sich die beiden einig –, anfangs unter professioneller Anleitung zu trainieren, um kontraproduktives Pressen zu vermeiden. »Es ist wichtig, dass eine fachkundige Person kontrolliert, ob der Beckenboden auch wirklich adäquat angespannt wird«, erklärt der Sportwissenschaftler. Daneben helfen mentale Bilder wie das »Aufzugfahren« sowie möglichst ruhige, statische Übungen, bei welchen gezielt auf die Beckenbodenmuskeln geachtet werden kann und die im Sitzen oder Stehen orts- und zeitunabhängig durchgeführt werden können. Eigene »Pelvic Floor«-Apps erinnern im Alltag an das Training und leiten durch das innere Workout, das von außen nicht zu sehen ist. »Diese Übungen eignen sich für zwischendurch, etwa während man auf die Straßenbahn wartet oder im Büro sitzt«, so der John-Harris-Cheftrainer. Ob sanfte Aktivierung zwischendurch oder kurzer Beckenbodenzirkel: Drei bis fünf Einheiten pro Woche genügen bereits, um die Muskulatur nachhaltig zu stärken und unsere »innere Hängematte« für mehr Wohlbefinden zu stabilisieren.