Rückbildung & Bewegung nach der Geburt: Eine Hebamme im Interview
Nach der Geburt beginnt ein sensibler Heilungsprozess – körperlich und emotional. Hebamme Sarah Pack erzählt im Interview über Bewegung nach der Geburt, den Beckenboden und warum Rückbildung mehr Aufmerksamkeit verdient.
Nach der Geburt haben viele Frauen ein neues Körpergefühl – geprägt von Veränderungen, Heilung und dem Wunsch, wieder bei sich selbst anzukommen. Die sogenannte Rückbildung ist dabei ein zentraler Schritt: Sie unterstützt nicht nur die körperliche Regeneration, sondern stärkt auch das Vertrauen in den eigenen Körper. Sarah Pack, Hebamme in einem Wiener Krankenhaus und freiberuflich unter dem Namen hebamme1090 tätig, begleitet Frauen durch diese besondere Zeit. Im Interview erklärt sie, worauf es bei der Rückbildung wirklich ankommt.
Happy Life: Was genau versteht man unter Rückbildung – und warum ist sie so wichtig?
Sarah Pack:
Rückbildung ist der Prozess der körperlichen Regeneration nach der Geburt. In den ersten sechs bis acht Wochen im sogenannten »Wochenbett« regeneriert sich der Organismus – erste geburts- und schwangerschaftsbedingte Veränderungen bilden sich langsam zurück. Nach dem Wochenbett liegt der Fokus dann auf der Kräftigung – vor allem des Beckenbodens und der tiefen Bauchmuskulatur, die während der Schwangerschaft stark beansprucht wurden.
Wann ist der richtige Zeitpunkt, um mit Rückbildungsübungen zu beginnen – und woran erkennen Frauen, dass sie bereit dafür sind?
In der Regel können Frauen etwa sechs bis acht Wochen nach einer spontanen Geburt beginnen – nach einem Kaiserschnitt dauert es meist rund zwölf Wochen, bis Rückbildungsübungen sinnvoll sind. Entscheidend ist aber immer das individuelle Wohlbefinden der Frau. Am besten bespricht man das mit der betreuenden Hebamme oder Gynäkologin. Viele Frauen spüren selbst, dass sie wieder Energie haben und das Bedürfnis entsteht, den Körper sanft zu aktivieren.
Welche Rolle spielt der Beckenboden in der Rückbildung?
Der Beckenboden spielt eine zentrale Rolle. Während der Schwangerschaft und unter der Geburt wurde er stark belastet und gedehnt – viele Frauen spüren das im Alltag, zum Beispiel beim Niesen oder Hüpfen. Gezieltes Training hilft, die Muskulatur wieder zu aktivieren, zu kräftigen und das Körpergefühl zu stärken. Ein stabiler Beckenboden ist entscheidend, um Inkontinenz, Senkungen, Hüft- oder Rückenschmerzen vorzubeugen. Wichtig ist außerdem, dass Rückbildung kein »Abnehmkurs« ist, sondern ein wesentlicher Bestandteil der postpartalen Gesundheitsvorsorge.
Was sollten frischgebackene Mütter beim Wiedereinstieg in sportliche Aktivitäten beachten?
Ganz klar: Geduld mit sich selbst. Viele Frauen fühlen sich unter Druck, rasch wieder fit zu sein – doch der Körper braucht Zeit. Oft wird die Fitness nach der Geburt überschätzt, weil der Körper optisch schnell »zurückspringt«. Doch innen fehlt oft noch die nötige Stabilität. Wichtig ist daher ein sanfter Start, mit Fokus auf die Körpermitte – also Beckenboden und tiefe Bauchmuskulatur.
Welche Sportarten sind für die Rückbildungszeit geeignet – und welche eher nicht?
Geeignet sind vor allem: Rückbildungsgymnastik, gezieltes Beckenbodentraining, sanftes Yoga, Pilates, Spaziergänge und Schwimmen. Was man besser meiden sollte, sind anfangs Sportarten wie Joggen, Trampolin, HIIT oder Ballsportarten wie Fußball – ebenso wie schweres Krafttraining.
Wie können Mütter trotz Baby, Erschöpfung und Alltagsstress Bewegung in ihren Tag einbauen?
Das ist eine der realistischsten Fragen im Wochenbett – und sehr wichtig. Meine Tipps: Die Hebamme im Wochenbett gezielt nach Übungen fragen – sie kann auch individuell abgestimmte Rückbildungsübungen empfehlen. Außerdem: Kleine Einheiten einplanen! Schon 10–15 Minuten pro Tag können einen großen Unterschied machen. Das Baby lässt sich gut einbinden – zum Beispiel bei Übungen auf der Matte oder im Tragetuch. Auch kurze Momente im Alltag lassen sich nutzen: Beckenboden aktivieren beim Zähneputzen, an der Ampel oder beim Stillen. Für viele Frauen sind auch Online-Kurse eine gute Lösung – man ist flexibel und kann von zu Hause aus trainieren. Und natürlich Rückbildungskurse vor Ort – dort darf das Baby meist mit, man hat einen fixen Termin und kommt raus aus dem Alltag.
Welche körperlichen Veränderungen sind nach der Geburt normal – und wann sollte man ärztliche Hilfe holen?
Nach der Geburt gibt es viele Veränderungen, die ganz normal sind: Rückbildung der Gebärmutter (die Nachwehen), Wochenfluss, ein verändertes Gefühl für die Blase, Müdigkeit, emotionale Hochs und Tiefs – all das gehört dazu. Wenn Beschwerden wie zum Beispiel Inkontinenz, ein starkes Druckgefühl im Beckenboden oder Rückenschmerzen länger anhalten, sollte man unbedingt ärztliche oder physiotherapeutische Hilfe suchen. Und wichtig zu wissen: Jede Frau hat Anspruch auf Hebammenbetreuung – auch bei ambulanter Geburt oder Hausgeburt.
Wie wichtig ist die mentale Komponente in der Rückbildungszeit?
Die Rückbildungszeit ist emotional intensiv – viele Frauen erleben eine Achterbahn der Gefühle: Freude, Erschöpfung, Überforderung, Unsicherheit. Frauen dürfen sich selbst mit Geduld, Respekt und Mitgefühl begegnen. Selbstfürsorge stärkt die Verbindung zum eigenen Körper und unterstützt den Heilungsprozess. Wer sich erlaubt, langsam zu starten und auch mal nicht »funktionieren« zu müssen, tut sich langfristig etwas Gutes.
Was wünschen Sie sich, dass mehr Frauen über Rückbildung wissen – vielleicht sogar schon vor der Geburt?
Ich wünsche mir, dass mehr Frauen wissen, wie enorm wichtig Rückbildung ist – nicht nur für die erste Zeit, sondern für die langfristige Lebensqualität. Viele spüren anfangs keine Beschwerden und denken daher, sie brauchen keine Rückbildung. Doch der Beckenboden ist wie ein Fundament – wenn man ihn ignoriert, kann das Jahre später Probleme machen. Wer frühzeitig auf gezielte Rückbildung achtet, beugt langfristig vor.