Ein Händchen für das Unterhaltsame, das haben sie beide. Ob Jakob Semotan als exzentrischer Russell in „Lady in the Dark“ oder als Affenkönig Louie im „Dschungelbuch“ das Publikum amüsiert oder Christian Graf als überspannter Engel Rupert in „Der Teufel auf Erden“, als Hexe Kalebasse in „König Karotte“ oder als Böse Hexe des Westens in „Der Zauberer von Oz“ für Schmunzeln sorgt – hier haben sich zwei Komiker par ex­cellence gefunden. Dass sie nun als Ganoven in „Kiss me, Kate“ zurückkehren, ist nur die logische Folge.

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Noch mehr eint sie: Beide sind seit 2017 fix im Ensemble der Volksoper, nachdem sie sich zuvor in Gastpartien bewiesen hatten. Und in der Karriere beider Künstler spielte Regisseur Henry Mason eine wichtige Rolle. Christian Graf, ursprünglich vom Sprechtheater kommend, arbeitete anno 2013 mit diesem gerade bei den Salzburger Festspielen, als Mason die Anfrage der Volksoper bekam, ob er „Der Zauberer von Oz“ inszenieren wolle. „Das war einer der wichtigsten Filme meiner Kindheit, gerade die Hexe fand ich fantastisch. Als Henry mir sagte, dass er mich für die Böse Hexe des Westens vorgeschlagen hat, habe ich vor Freude am Telefon geschrien“, erzählt Graf. Prompt wurde er dafür mit dem Österreichischen Musiktheaterpreis 2016 ausgezeichnet – und empfahl sich der Volksoper für Weiteres. 

Traumfiguren als Sahnehäubchen

Es folgten Jigger in „Carousel“, der Gastwirt in „Der Mann von La Mancha“ und immer wieder, wie er sie nennt, „Strumpfhosenrollen“ wie Tessie Tura in „Gypsy“ und Hexe Kalebasse in „König Karotte“. Seine Vielfalt konnte Graf zuletzt auch in Kurt Weills „Lady in the Dark“ beweisen, wo er als anfänglicher Unsympathler Charley in den Träumen der Hauptfigur Liza auch zum Diplomaten, Priester und Staatsanwalt mutiert. 

„Diese Traumfiguren, die die Protagonistin anstoßen, sind das Sahnehäubchen. Man kann sich richtig austoben“, sagt Graf. „Charley ist gerade deshalb interessant, weil er zuerst als chauvinistischer Arsch gezeigt wird, aber auch anders kann. Wäre er nur böse – ohne Ebenen darunter –, wäre es uninteressant; durch die Entwicklung ist Charley aber gut zu spielen.“

Rollen wie ein Lotto-Sechser

Foto: Rita Newman

Zur Person: Jakob Semotan

Jakob Semotan stand schon als Kind auf der Bühne, u. a. in „The Sound of Music“ an der Volksoper. Auf seine Musicalausbildung folgten Rollen in „Elisabeth“ und „Mozart“. An die Volksoper kam er durch „Axel an der Himmelstür“, er ­spielte hier u. a. Boni in „Die Csárdásfürstin“, Papageno in „Die Zauberflöte“, King Louie in „Das Dschungelbuch“ und Max in „Cabaret“.

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Wiener Strizzi

Apropos „Lady in the Dark“. Hier ist auch Semotan mit von der Partie – und brilliert nicht zuletzt in dem Parforceritt-Vortrag eines Liedes, das unzählige russische Komponistennamen aneinanderreiht. „Das Stück ist eine herrliche Spielwiese, in der man von einer Sparte in die andere springen kann“, sagt Semotan. Er kam vor Jahren an die Volksoper, als man für „Axel an der Himmelstür“ Darsteller suchte. Bald folgten hier weitere Musicals, dann auch Operetten. Und schließlich sogar eine Oper – wobei wieder Henry Mason ins Spiel kommt. „Er wollte mich als Papageno in der ‚Zauberflöte‘, obwohl ich weder Bassbariton noch ausgebildeter Opernsänger bin“, sagt Semotan. Und nennt Papageno eine „Role of a lifetime“.

Nun kehren Graf und Semotan als Ganoven in der Wiederaufnahme von „Kiss me, Kate“ zurück. Entgegen der Premierenfassung von Bernd Mottls Inszenierung durften sie die Partien wienerischer gestalten. „Es hat sich auf­gedrängt, sie als Wiener Strizzis anzulegen, gerade weil die Fassung in den 80er-Jahren angesiedelt ist, zur Hochblüte des hiesigen Strizzitums“, erzählt Graf – und man spürt seine Begeisterung. „Natürlich spielt das Stück nicht in Österreich, aber dadurch, dass die beiden sowieso Fremdkörper in der Theaterwelt rund um Fred und Lilli sind, passt es trotzdem“, sekundiert Semotan.

„Wenn man Musicaldarsteller ist und einen Hang zur Komik hat, sind diese Rollen natürlich wie ein Lotto-Sechser. Sie gehören zu den Partien, die du dir lange wünschst, nach denen du dich aber nicht zu fragen traust“, sagt Semotan – obwohl er überhaupt nicht so wirkt, als ob er sich irgendetwas nicht trauen würde. Graf war da direkter: „Dadurch, dass ich vom Schauspiel komme, habe ich mich dafür ins Rennen gebracht, und es ging auf. Viele große Komiker haben ‚Schlag nach bei Shakespeare‘ gesungen.“ 

Rollen wie ein Lotto-Sechser

Foto: Rita Newman

Zur Person: Christian Graf

Graf ist klassisch ausgebildeter Schauspieler und war u. a. bei den Salzburger Festspielen, am Theater der Jugend und am Stadttheater Klagenfurt engagiert, bevor er für die Böse Hexe in „Der Zauberer von Oz“ an die Volksoper kam. Seither spielte er hier u. a. Kalebasse in „König
Karotte“, Engel Rupert in „Der Teufel auf Erden“ und Charley in „Lady in the Dark“.

„Nie zu lustig sein"

Gerade diesen Moment mag Graf besonders gerne: Wenn er und Semotan in einer wahren Kostümschlacht – sie treten als Richard III., Cäsar, Hamlet, Amme, Julia und Pater Lorenzo auf – eine neue Seite der skrupellosen Ganoven aufdecken: „Bisher hatten sie als Gangster stets die Überhand, aber als sie plötzlich in jenem Stück, das in ‚Kiss me, Kate‘ gespielt wird, auf der Bühne stehen, werden sie aus ihrer Komfortzone geworfen. ‚Schlag nach …‘ ist dann fast wie ein Vorsingen – weil sie sich denken: Das, was diese Theaterleute können, können wir auch“, so Graf. 

Auch Semotan macht es besonders viel Spaß, „mit aller Kraft einen Menschen zu spielen, der noch nie mit Theater zu tun hatte. Das ist durchaus auch tricky, man darf nicht outrieren, sondern muss sich der Not der Figuren stets bewusst sein.“ Und auch Graf unterstreicht: „Man darf nie zu lustig sein, sonst geht es in die Hose.“

Wie gut, dass die beiden schon öfter gemeinsam gespielt haben, gerade diese Art von Doppelconférence „ist Vertrauenssache. Wir funktionieren Gott sei Dank sehr gut zusammen“, sagt Semotan. Und wer die beiden je gemeinsam erlebt hat, kann dem nur zustimmen.

Zu den Spielterminen von „Kiss me, Kate" in der Wiener Volksoper