„Eine Legende ist doch etwas Totes!“ Also möchte Robert Meyer, der als solche gilt, lieber nicht so genannt werden. Nicht nach 33 Jahren am Burgtheater, das er mit Rollen quer durch die Weltliteratur und natürlich mit seinen formidablen Nestroy-Darstellungen prägte, und auch nicht nach 15 Jahren als Direktor der Volksoper – einer Ära, die heuer zu Ende geht.

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Mit Sentimentalitäten hält sich der auch privat Humorbegabte beim Gespräch in seinem Noch-Büro nicht lange auf. „Wäre die Pandemie nicht gewesen, wäre es mir wahrscheinlich gelungen, Abschied zu nehmen, als es am schönsten war“, zitiert er schmunzelnd den Volksmund. Stattdessen durfte er in seiner letzten Spielzeit als Intendant „auf einem Jahresplaner immer wieder ganze Monate wegstreichen“. Kein Spaß für den leidenschaftlichen Theatermenschen, doch am Ende lässt sich selbst darin noch ein Quäntchen Glück finden. „Aus diesem Grund scheide ich als Direktor eigentlich ganz gerne.“ Zumal er der Volksoper in darstellender Funktion erhalten bleiben und in der nächsten Spielzeit in drei Produktionen zu sehen sein wird.

Früh begabter Handwerker

Robert Meyer wuchs in Trostberg – „16 Kilometer nordöstlich des Chiemsees und 18 Kilometer von der oberösterreichischen Grenze entfernt“ – auf. Näher an Salzburg als an München, wie er betont.

Schon mit 16 Jahren wusste er, dass er Schauspieler werden wollte. „Sicher zum Leidwesen meiner Eltern, weil es in der ganzen Familie niemanden gab, der in irgendeiner Weise etwas mit Kunst am Hut hatte.“ Dass von Anfang an alles reibungslos verlief, mag die Verwandtschaft etwas beruhigt haben. „Mit 17 war ich am Mozarteum in Salzburg, mit 20 am Wiener Burgtheater.“ Das erste Engagement führte also gleich in den darstellerischen Olymp und sollte 33 Jahre lang dauern.

Ich bin ja nicht Schauspieler geworden, um unerkannt zu bleiben.

Robert Meyer Schauspieler, Regisseur, Intendant
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Hier wurde der Bayer zu dem, was ein Kritiker einmal als „Nestroy-Gesicht“ bezeichnete. „Warum, kann ich nicht erklären. Aber ich sage selbst, dass ich auf der Stirn einen Stempel habe, auf dem Nestroy draufsteht.“ Dabei habe er mit dieser Art des Wienerischen lange gar nichts anfangen können und den Autor erst durch das Spielen schätzen gelernt.

Übung in kollegialer Verständigung

Seinen Beruf bezeichnet er als Handwerk, für das es zwei Werkzeuge benötige, die man beherrschen müsse, „die Stimme und die Sprache“. Etwas delikater verhält es sich mit der Position des Theaterdirektors, für die es keine Ausbildung gibt. „Deshalb habe ich mir 2007 auch sehr gut überlegt, ob ich mir das zutraue. Das Wichtigste dabei ist der Umgang mit den Künstlerinnen und Künstlern. Das ist etwas Heikles, weil natürlich jeder ein Solist ist. Ich weiß das, denn ich gehöre schließlich auch dazu“, lacht er. Ihm habe geholfen, dass er als Ensemblesprecher am Burgtheater jahrelange Übung in kollegialer Verständigung hatte.

Im Nachhinein gibt ihm der Erfolg recht. Robert Meyer gelang es, das auf den Säulen Oper, Operette, Musical und Ballett ruhende Haus am Gürtel auch wirtschaftlich prosperierend zu führen. Er etablierte das klassische Musical noch stärker an der Volksoper, leistete mit dem Ausbau der Jungen Volksoper wertvolle Nachwuchsarbeit und setzte sozial – mit der langfristigen Unterstützung eines Hauses des Diakonie-Flüchtlingsdienstes für unbegleitete Minderjährige – neue Impulse. Er inszenierte. Und er spielte.

Stolzer Publikumsliebling

Wie viele Abende er in den letzten 15 Jahren auf der Bühne der Volksoper verbracht hat, kann Robert Meyer – Eigendefinition „singender Schauspieler“ – gar nicht genau sagen. „Es waren etwa 880“, so viel weiß er. Mit Rollen wie dem Frosch in „Die Fledermaus“, Alfred P. Doolittle in „My Fair Lady“, Horace Vandergelder in „Hello, Dolly!“ oder Professor Marvel in „Der Zauberer von Oz“ verfestigte er auch an der Volksoper seinen Ruf als Favorit des Publikums.

„Ich habe so viel gespielt, dass ich keine Lieblingsrolle benennen könnte. Ein Stück, das mir immer besonders wichtig war, ist ‚Der Mann von La Mancha‘. 70-mal war ich der Sancho Panza, später der Don Quixote. Dieses Musical ist eines der poetischsten und schönsten überhaupt.“ Über seinem Schreibtisch hängt eine berührende Textpassage, die diese Einschätzung unterstreicht.

Dass man in Wien als Schauspieler erkannt und geliebt wird, erfüllt ihn mit Freude. „Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich schon wie der Peymann anhöre: Vor ein paar Tagen bin ich in der Früh zu Fuß ins Büro marschiert, kommt mir ein Fiaker entgegen, der schon von Weitem den Arm zum Gruß in die Höhe reißt und ‚Guten Morgen, Herr Direktor!‘ ruft. Das passiert Ihnen in keiner anderen Stadt. Natürlich freue ich mich darüber, ich bin ja nicht Schauspieler geworden, um unerkannt zu bleiben.“

Nirgendwo wahlberechtigt

Fühlt er sich – dermaßen integriert – überhaupt noch als Deutscher? „Ich bin ein bayerischer Wiener“, erklärt Robert Meyer augenzwinkernd. „Ich lebe seit 48 Jahren wahnsinnig gerne hier, obwohl ich hier, außer im Bezirk, nicht wählen darf. In Deutschland darf ich übrigens auch nicht mehr wählen, weil ich seit mehr als 25 Jahren keinen Wohnsitz dort habe. Aber ich bin darüber nicht traurig, denn so trage ich auch für keine Regierung Schuld, da ich keine gewählt habe.“ Das Goldene Ehrenzeichen des Landes Wien wurde ihm dennoch verliehen. Ebenso der Titel „Kammerschauspieler“, den er aber nicht führt. „Eine Lehrerin auf der Schauspielschule meinte einmal ‚Name bürgt für Qualität‘. Das habe ich mir gemerkt. Außerdem ist die Abkürzung KSch ziemlich eigenartig …“

Die Qualität seines schauspielerischen Könnens darf das Publikum künftig neben der Volksoper auch im Theater in der Josefstadt und im Gärtnerplatztheater zu München genießen. „Der Volksoper und vor allem dem Ensemble“ wünscht der scheidende Direktor, „dass es mit der gleichen Lust und Freude in den nächsten Jahren weiterarbeiten kann“. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Robert Meyer: Ende gut. Alles gut.

Foto: Andreas Jakwerth

Zu den Premieren der Wiener Volksoper in der kommenden Spielzeit