Die Arbeitsbeziehung von Christian Frank und dem Theater in der Josefstadt begann „im weißen Rössl“. Nicht buchstäblich, also nicht wirklich in ebenjenem berühmten Hotel am Wolfgangsee, sondern mit Ralph Benatzkys gleichnamiger Operette. Inszeniert wurde der Publikumshit, der im Februar 2008 Premiere feierte, von Werner Sobotka – für Christian Frank, der damals die musikalische Leitung innehatte, ebenfalls ein wichtiger Weggefährte. Seither hat sich in Franks Beziehung zum Theater in der Josefstadt und den Kammerspielen viel getan – vom „weißen Rössl“ ging es für ihn unter anderem in den „Käfig voller Narren“, über „39 Stufen“ zur Aufklärung des Falles rund um „8 Frauen“ und schließlich zum ersten Aufeinandertreffen mit dem „Engel der Dämmerung“.

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Aktuell ist Christian Frank als Musiker in Bertolt Brechts „Die Dreigroschenoper“ und Hans Falladas „Jeder stirbt für sich allein“ auf der Bühne der Kammerspiele zu sehen und zu hören. Bei beiden Produktionen ist er auch für die musikalische Leitung verantwortlich. Welche Aufgabenbereiche sich hinter diesem Jobtitel verbergen, möchten wir von dem in Waidhofen an der Thaya geborenen Musiker wissen. „Ich arrangiere für große und kleine Bandbesetzungen, dirigiere, spiele und halte den Theaterabend musikalisch zusammen“, erklärt er.

Christian Frank
Mit Sona MacDonald in „Engel der Dämmerung“.

Foto: Moritz Schell

Mut zur Improvisation

„Ein wenig pädagogisches Feingefühl zu haben, ist ebenfalls von Vorteil. Hin und wieder geht es in meinem Job auch darum, den Spieler*innen ihre Unsicherheiten beim Singen zu nehmen und sie darin zu bestärken“, fügt er hinzu. Als Musiker sei es für ihn ein großes Glück, an einem Haus arbeiten zu können, an dem Musik einen hohen Stellenwert hat. „Was aber auch bedeutet, dass die Ansprüche an die Musik sehr hoch sind, wie zum Beispiel bei der ‚Dreigroschenoper‘“, setzt er lachend nach.

Die Aufgaben und Möglichkeiten der Theatermusik seien unglaublich vielfältig, erläutert der groß gewachsene Musiker bei unserem Gespräch in den Kammerspielen. „Es geht nicht nur darum zu spielen, sondern oft auch darum, spontan zu reagieren und eine bestimmte Atmosphäre zu vermitteln. Viele Dinge sind dabei alles andere als vorhersehbar, weshalb es hin und wieder auch zu Situationen kommt, in denen man nicht genau bei den Noten bleiben kann.“ Mut zur Improvisation und ein wenig Fingerspitzengefühl seien in solchen Momenten gefragt, fügt er mit einem Schmunzeln auf den Lippen hinzu.

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Aller Anfang ist ...die Blockflöte

Christian Frank wuchs zwar nicht in einer klassischen Musikerfamilie auf, aber dennoch in einem Umfeld, in dem Musik stets eine Rolle spielte. „Mein Vater war Hauptschuldirektor, unterrichtete nebenbei aber auch an einer Musikschule. Mein Urgroßvater, Sohn eines Fiakerunternehmers, war im Herzen ein Musiker und reiste heimlich nach New York, um es dort als Musiker zu probieren. Als er nach Wien zurückkam, wurde er von seinem Vater enterbt.“ Zu Franks musikalischen Vorfahren gehörte außerdem der 1886 geborene Schauspieler Paul Morgan. Er feierte sein Theaterdebüt im Theater in der Josefstadt und war Conférencier im Kabarett Simpl. In Hollywood drehte er über 50 Filme, u.a. mit Buster Keaton, außerdem schrieb er das Libretto zu „Axel an der Himmelstür“.

Sein musikalischer Werdegang begann mit der Blockflöte, erinnert sich der Musiker. Anschließend stieg er aufs Klavier um und wirkte in der Oberstufe bereits in diversen Ensembles mit. Nach und nach kristallisierte sich immer stärker heraus, dass beruflich alle Zeichen auf Musikkarriere standen.

Christian Frank
Ein auf gegenseitigem Vertrauen basierendes Verhältnis, wie mit Sona MacDonald, macht es möglich, hin und wieder auch zu improvisieren.

Foto: Moritz Schell

Theater passiert im Moment

An der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien studierte Frank im Hauptfach Klavier, bekam darüber hinaus aber ein breites Spektrum musikalischer Einsatzgebiete vermittelt. „Das hilft mir jetzt sehr, weil am Theater auch alles gefragt ist. Die Theaterbühne ist eine Spielwiese, auf der es niemals langweilig wird, weil jedes Stück und im Grunde sogar jeder einzelne Theaterabend einzigartig ist.“ Improvisationen entstünden aber nicht immer nur aus einer Not heraus, fügt Christian Frank hinzu. „Sondern manchmal auch aus jenem Vertrauen, das eine langjährige Zusammenarbeit mit sich bringt, wie es zum Beispiel bei mir und Sona MacDonald der Fall ist.“

Mit der Ausnahmeschauspielerin verbinden ihn sowohl Theaterprojekte wie „Engel der Dämmerung“, als auch viele andere Musikprojekte. „Der Abend fängt vielleicht gleich an oder endet gleich, dazwischen kann jedoch unglaublich viel passieren. Manchmal möchte sie Dinge anders machen oder ich spüre es anders und sie geht mit. Das ist herrlich, denn in diesen Situationen wird einem so richtig klar, dass Theater immer im Moment passiert.“

Susa Meyer und Michael Dangl

Ein ganz banaler Widerstand

Sie verteilen Postkarten, um Hitler zu stürzen. Susa Meyer und Michael Dangl spielen in Franz Wittenbrinks „Jeder stirbt für sich allein“ ein Ehepaar in der Totalopposition. Die Musik schürt dabei Emotionen – und durchdringt die Kraft des Stoffs. Weiterlesen...

Freiheit in der Arbeit

„Jeder stirbt für sich allein“ von Franz Wittenbrink orientiert sich an dem gleichnamigen Roman von Hans Fallada und ist bereits Christian Franks vierter Theaterabend mit Kompositionen des deutschen Musikers. Wie viel Freiheit er beim Arrangieren der Musikstücke und beim Spielen auf der Bühne hat, ist von Stück zu Stück unterschiedlich, erzählt Frank. „Bei diesem Abend war es Franz Wittenbrinks Wunsch, dass wir uns ziemlich genau an die Partitur halten. Dennoch gibt es einige Stellen, bei denen es mehr um Wirkung und Atmosphäre geht – da darf das Ganze dann auch ein bisschen mehr eskalieren“, bringt er es lachend auf den Punkt. Wittenbrink vertraue ihm in dieser Hinsicht total. „Insgesamt habe ich hier am Haus oft die Möglichkeit bekommen, sehr frei zu arbeiten. Daran, dass mir das so wichtig ist, ist in gewisser Weise auch mein musikalischer Mentor Werner Sobotka schuld“, fügt er hinzu. Im Jahr 2000 hat ihn der ehemalige „Hektiker“ zum ersten Mal für eine Produktion engagiert und dem damals noch deutlich unerfahreneren Musiker nach und nach immer mehr Verantwortung übertragen.

Christian Frank
„Jeder stirbt für sich allein“ im Theater in der Josefstadt,

Foto: Roland Ferrigato

Ein Blockföten-Solo als Publikumsrenner

Sich zu entscheiden, ob ihm Komponieren, Arrangieren oder Spielen am meisten Spaß macht, sei keine einfache Aufgabe, sagt Christian Frank. Wäre er gezwungen, eine Art Ranking abzuliefern, stünde vermutlich Spielen an erster Stelle. Neben Tasteninstrumenten wie Keyboard und Klavier spielt Christian Frank außerdem Akkordeon – „im Rahmen meiner Möglichkeiten“ –, ein bisschen Bass, Schlagzeug und Blockflöte. Letztere auch auf der Bühne. Zum Beispiel im Bronski und Grünberg, wo sein Blockflöten-Solo zum Publikumsrenner avancierte. „Das Publikum findet es lustig, wenn ich als groß gewachsener Mann mit der kleinen Sopranblockflöte loslege“, erzählt er lachend. Sein musikalisches Spielfeld so groß und abwechslungsreich wie möglich zu halten, scheint Christian Frank ein großes Anliegen zu sein. Das spiegeln auch seine Projekte wider. Demnächst steht unter anderem ein Tom Waits-Abend mit Jakob Semotan an, im Sommer gehört er zum Team der „Jersey Boys“-Produktion beim Musicalsommer Amstetten.

„Musik ist mein Hobby und mein Beruf. Das klingt vielleicht kitschig, ist aber so“, sagt er, bevor sich unsere Wege wieder trennen. Und: „Unglücklich habe ich das Theater noch nie verlassen. Außer bei Proben vielleicht. Aber das gehört dazu.“ Christian Frank lacht noch einmal sein herzliches Lachen und muss sich dann auch schon für die Abendvorstellung in den Kammerspielen fertigmachen. „Der Engel der Dämmerung“ steht auf dem Programm.

Zu den Spielterminen von „Jeder stirbt für sich allein“ und „Die Dreigroschenoper“