Durch Rugby kam er zur klassischen Musik, YouTube war teils sein Gesangs- und Sprachlehrer. Vieles im Leben von Pene Pati ist unkonventionell. Der Opernsänger aus Samoa, dem Inselstaat in Polynesien, kannte Verdi und Donizetti in seiner Kindheit und frühen Jugend gar nicht, erst spät kam er mit dem klassischen Gesang in Berührung. Dennoch ist er heute einer der gefragten jungen Tenöre. Am Samstag stellt er sich in der Wiener Staatsoper als Lord Percy in „Anna Bolena“ in der Inszenierung von Eric Génovèse vor, die 2011 ihre Premiere mit Anna Netrebko und Elina Garanca in den Rollen der beiden um Heinrich VIII. von England konkurrierenden Frauen erlebte. Nun singen Diana Damrau, Ekaterina Semenchuk und Erwin Schrott die Hauptrollen – und eben Pene Pati.

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Mythen und alte Geschichten weitergeben

Dass der 34-Jährige einen Weg einschlug, der für Menschen aus seinen Breiten – mal abgesehen von Kiri Te Kanawa – nicht so naheliegend ist wie für, sagen wir, Italiener oder Deutsche, hat seine Wurzeln in einer interessanten Regel seiner Rugby-Mannschaft: Wer im Team sein wollte, musste zusätzlich auch im Chor singen. „Man wollte mit einem Stereotyp brechen“, erzählt Pati im Interview. Gut für ihn, hatte er doch „klassische Musik vorher gar nicht gekannt – aber hier lernte ich sie lieben.“

War es ursprünglich R´n´B und Hip Hop gewesen, wofür er seine Gesangsstimme einsetzte, so wurde es immer mehr die Oper. Und bald merkte er, dass ihm opernhaftes Singen gar nicht so fremd war wie gedacht. Denn die Menschen in seiner Heimat singen generell sehr gerne. „Durch ihren Gesang geben die Samoaner Mythen und alte Geschichten weiter und erzählen viel von ihren Gefühlen.“ Und das sei ja letztlich nicht viel anders als das, was er als Opernsänger mache, so Pene Pati schmunzelnd.

Ich finde, die Kunst ist es, die Arien so zu singen, wie ich sie fühle."

Pene Pati

„So kann man das doch nicht singen."

Seine Anfänge beschreibt er als durchaus schwierig, einerseits, weil er sich teils die Gesangsstunden nicht leisten konnte – „Von YouTube-Aufnahme kann man sich viel abschauen“, sagt er. – Andererseits eckte er auch immer wieder an, denn für ihn war die Starrheit des klassischen Musikbusiness gewöhnungsbedürftig. „Den Regeln der Oper zu folgen war nicht immer leicht für mich. Puristen sagten immer wieder zu mir: So kann man das doch nicht singen.“

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Seine Art, manch berühmte Arie zu interpretieren, beschreibt er als unkonventionell – und auch Opera-Online nannte ihn nicht von ungefähr „das außergewöhnlichste Tenortalent des letztens Jahrhunderts“. „Aber ich finde, die Kunst ist es, die Arien so zu singen, wie ich sie fühle. Wenn ich die Musik und den Text ausgiebig studiert habe, breche ich das Ganze und präsentiere es mit einem freien Flow, auf meine eigene Art“, so Pati – und fügt hinzu: „Vielleicht kann man mit einer anderen Art zu singen auch Leute anlocken, die normalerweise nicht in die Oper gehen.“

Schon seine ganze Karriere über begleitet ihn der Gedanke, „allen zeigen zu wollen, dass ich es schaffen kann“. Und in San Francisco, wo er in das Young Artists Programm aufgenommen wurde, löste er schließlich auch für sich selbst diesen Vorsatz ein. Als Kollege Bryan Hymel Roméo in Gounods Werk nicht wie vorgesehen singen konnte, sprang Pati ein und begeisterte. „Damals dachte ich: Jetzt habe ich es geschafft.“ Dennoch fühlt er sich oft auch heute noch „ein wenig wie ein verlorenes Kind, das versucht, es allen zu beweisen.“

Nichts zu verlieren

Nun also Lord Percy in „Anna Bolena“, eine Rolle, die Pene Pati auch schon in Bordeaux interpretierte: Der ehemalige Geliebte der Königin Anna, die ihn verließ, als König Heinrich/Enrico VIII. ihr den Hof machte, ist für Pene Pati eine dankbare Figur. Sie sei nicht leicht zu singen, aber es sei schön, besonders viele Emotionen in die Interpretation zu legen, so Pati. „Wenn man diese Rolle singt, kann man spüren lassen, wie er bereit ist, alles aufs Spiel zu setzen, weil er nichts zu verlieren hat.“

Und neben der Serie an der Wiener Staatsoper wird Pati ein weiteres Mal in Österreich auftreten, bevor es ihn nach San Diego, wo er wieder Roméo singen wird, verschlägt: Im Festspielhaus St. Pölten wird er in „Das Lied von der Erde“ mitwirken. Egal, was er singt, für Pati gilt jedenfalls stets: „Ich bin eigentlich nie nervös, wenn ich auf die Bühne gehe, da ich weiß, dass ich sehr hart gearbeitet habe, um mich auf den Auftritt vorzubereiten.“

Pene Pati: Vom Rugby zur Oper
Durchs Rugby kam er zur klassischen Musik, YouTube war teils sein Gesangs- und Sprachlehrer. Vieles im Leben von Pene Pati ist unkonventionell.

Foto: Mark Leedom

„SOL 3 MIO"

Seit Kurzem ist Pene Pati auch Exklusiv-Künstler bei Warner Classic, wo im Frühling seine erste CD herauskommen wird. Diesmal ist sie (noch) Arien großer Opern-Komponisten wie Meyerbeer, Donizetti und Massenet gewidmet. Doch schon in naher Zukunft hofft Pati, die Produzenten auch für eine Aufnahme von Melodien seiner Heimat gewinnen zu können. „Mein Ziel ist es, die Schönheit dieser Musik an die Menschen in aller Welt zu bringen“, so der Tenor. Er könnte sich für die Klänge aus Samoa auch Orchesterarrangements im klassischen Stil vorstellen, wodurch die beiden musikalischen Welten, in denen sich Pati bewegt, verschmelzen würden.

Schon einmal hat er – hier aber in umgekehrter Version – Publikum für Musik begeistern können, die diesem weniger geläufig war. Gemeinsam mit seinem Bruder Amitai, der nun ebenfalls die internationalen Opernbühnen erobert, und seinem Cousin Moses Mackay, einem Bariton, formte er das Trio SOL 3 MIO, das in Neuseeland Stadien mit Arien und Liedern von Strauss und Co füllte. Aktuell vermisse er das Singen im Trio, aber „im Moment geht die Solo-Karriere vor“. Wenn sich eine Lücke im Kalender finden ließe, würde er aber gerne darauf zurückkommen.

Doch zuvor warten neben Lord Percy in Wien eben auch Roméo in San Diego, Nicias in „Thais“ in Paris, Alfredo in „La Traviata“ in Berlin und im Herbst die Titelrolle in „Faust“ in Monte Carlo auf Pene Pati. Wie viel anders wäre dieses Leben verlaufen, hätte das Rugby-Team andere Regeln gehabt ...

Zur Person: Pene Pati

Pene Pati wurde in Samoa geboren und wuchs in Neuseeland auf. Er begann sein Gesangstudium an der University of Auckland und absolvierte 2012 einen Master in Musik an der Wales International Academy of Voice in Cardiff unter Dennis O’Neill. 2014 gewann er den Monserrat Caballé International Aria Competition, 2015 den 2. Preis sowie den Publikumspreis des Plácido Domingo Operalia Wettbewerbs und den 2. Preis beim Internationalen Gesangswettbewerb Neue Stimmen.