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Eine Reise von Genf bis ins Vallée de Joux: Wer Uhren liebt, sollte diese Orte zumindest einmal persönlich gesehen haben

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Reisetipps

Was Alaska für Abenteuerlustige ist und Venedig für Kultur-Interessierte, ist die Westschweiz für Uhrenliebhaber. Sie bietet unvergessliche Eindrücke für alle Sinne und spannende Einblicke in die bezaubernde Welt der Zeitmessung. LIVING zeigt die interessantesten Spots – Kulinarik-Tipps inklusive.

Wer Uhren liebt, sollte einmal persönlich dort gewesen sein, wo seit Jahrhunderten das Ticken der Zeitmesser das Leben einer gesamten Region bestimmt. Sinnigerweise scheint gerade hier, wo man sich darauf spezialisiert hat, den Lauf der Zeit zu messen und darzustellen, die Zeit stehen geblieben zu sein. Natürlich ragen da und dort gigantische Produktionsgebäude aus Stahl, Beton und Glas zwischen naturbelas­senen Wiesen in die Höhe. Sie bilden einen seltsamen Kontrast zur wilden Natur des Jura.

Bevor man den Schweizer Jura mit all seinen großartigen Uhrenmanufakturen bereist, sollte man seine Zeit-Reise jedoch in Genf, der Wiege der Schweizer Uhrmacherkunst, beginnen. Die Stadt am Genfersee bietet viele Sehenswürdigkeiten wie den gigantischen »Jet d’Eau«, der entstanden ist, als die Handwerker und Uhrmacher der Stadt im Wasserwerk ein Sicherheitsventil einbauten.

Beeindruckende Uhrensammlung

Der beste Ort für Kapitel eins der Rundreise befindet sich in der Rue des Vieux-Grenadiers 7: Das Patek Philippe Museum, das seit seiner Eröffnung 2001 die wohl bedeutsamste, umfassendste und kostbarste Uhrensammlung der Welt beherbergt. Nirgendwo sonst kann man in so kurzer Zeit so viel über Uhren erfahren. Neben einem eindrucksvollen Panorama der Patek-Philippe-Produktion seit 1839 lädt das Museum mit etwa 2.500 Uhren, Automaten, kunstvollen Wertobjekten und Porträts in Miniaturmalerei auf Emaille zu einer fantastischen Reise durch fünf Jahrhunderte Uhrmacherkunst. Dazu kommen Beispiele aller dekorativen Handwerkskünste, die traditionell eng mit der Uhrmacherei verbunden sind – Gravur, Emaillekünste, Edelsteinbesatz, Guillochieren – sowie eine Bibliothek mit mehr als 8.000 Werken.

Das modernste Uhrenmuseum

Knapp 60 Kilometer und 700 Höhenmeter von Genf entfernt erreicht man den Jura und das dortige Vallée de Joux über die einzige, kurvenreiche Straße, die in diese »Wunderwelt der Zeitmessung« führt. Das Tal steckt voller Überraschungen! Egal, welches Gebäude man betritt, überall warten ganz erstaunliche Dinge. Eines der neuesten Highlights ist das »Musée Atelier« von Audemars Piguet. Es lädt seine Besucher zu einer immersiven Erfahrung ein – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verschmelzen in einer bahnbrechenden Museografie. Als zeitgenössischer Rundbau stellt dieser Raum visionäres und zugleich von Tradition geprägtes Know-how zur Schau. Das Musée Atelier verkörpert den freien Geist, der die Entwicklung der Haute Horlogerie im Vallée de Joux von Anbeginn geprägt hat. Für den Bau wurde 2013 ein Architektur-und Museumsgestaltungswettbewerb ausgeschriebenen. Bis zu seiner Fertigstellung dauerte es sieben Jahre. Es gibt keine tragenden Säulen. Die gesamte Konstruktion ruht auf den entsprechend massiven Glasscheiben, die den Blick in die atemberau­bende Natur freigeben. Ebendort, wo der Ausblick am schönsten ist, haben die Meisteruhrmacher von Audemars ihren neuen Arbeitsplatz erhalten, eingebettet zwischen dem Museum und der Ursprünglichkeit des Vallée de Joux.

Ein besonderes Hotel

Am besten verarbeitet man die gewonnenen Eindrücke gleich vor Ort im ebenfalls neu erbauten »Hôtel des Horlogers«. Auch hier ist die Verbindung moderner Architektur und der Umgebung vollends geglückt. Der Ausblick von jedem einzelnen Zimmer richtet sich gen Westen, auf einen ganz besonderen Wald: Mit seinen 2.200 Hektar gilt der »Risoud« als größte zusammenhängende Waldkette Europas. Er zieht sich rund 15 Kilometer entlang der gesamten Westseite des Vallée de Joux und bildet die natürliche Grenze zu Frankreich. Die Fensterfronten der Hotelzimmer sind verspiegelt, sodass man mit der Natur zu verschmelzen meint, während die Privatsphäre gewahrt bleibt. Das Hotel wurde vom Architekturbüro Bjarke Ingles Group entworfen und entspricht den höchsten Standards für umweltbewussten Tourismus.

Wer zwischendurch noch Zeit findet, besucht in Le Sentier den »Espace Horloger«, eine neuartige Präsentation der Uhrmacherei, ihrer Geschichte und ihrer Berufe mithilfe von interaktiven und avantgardistischen Medien. Nach einem Aperitiv in der Bar des »Horlogers« wartet ein weiteres, diesmal kulinarisches Highlight, denn das Abendessen in der Brasserie »Le Gogant« bleibt garantiert in Erinnerung. Verantwortlich dafür zeichnet Emmanuel Renaut, ein französischer Küchenchef mit Sitz in Megève, der mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde und alle Gerichte, die hier serviert werden, aus regionalen Produkten kreiert und signiert hat. Neben der stimmigen Einrichtung kann man auch hier dank raumhoher Fenster in die Natur blicken oder alternativ das Geschehen­ in der durch eine große Glasscheibe einsehbaren Küche beobachten.

Spannende Markenwelten

Am Rückweg sollte man unbedingt dem sehenswerten Watchland einen Besuch abstatten. Es liegt wenige Kilometer vor Genf in Genthod, wo Franck Muller 1983 seine Tätigkeit begann. Das Herz des Anwesens, auf dem sich die Manufaktur- und Verwaltungsgebäude befinden, ist ein 1905 erbautes Herrenhaus, das liebevoll restauriert wurde, um Hauptsitz dieser unkonventionellen Luxusmarke zu werden. Franck Muller fand in dieser poetischen Umgebung die Inspiration für seine Kreationen. Die klassischen, terrassenförmig angelegten Gärten des Anwesens, der atemberaubende Blick auf den Genfer See und den Mont Blanc machen diesen Ort zu etwas Einzigartigem. Hier werden die Uhren von Franck Muller entworfen und hergestellt. Watchland ermöglicht es dem Besucher, alle Phasen der Herstellung einer Uhr zu erleben: Konzeption, Uhrmacherei, Montage, Deko­ration, Qualitätskontrolle etc.

Zurück in Genf hat man die Qual der Wahl. Viele der hier ansässigen Manufakturen bieten nach Voranmeldung Führungen durch das hauseigene Museum an, manchmal auch durch Teile der Produktion. Hat man die meisten davon bereits erlebt, findet man nicht alle gleichermaßen spannend. Das Bessere ist bekanntlich der Feind des Guten und die beiden besten Führungen verdankt man zum einen dem Team von Patek Philippe, zum anderen Erika Maffei bei Frederique Constant. Obwohl es sich bei Frederique Constant um eine vergleichsweise junge Uhrenmarke handelt, begeistert die junge Dame mit fundiertem Wissen und unaufdringlichem Charme ihre Gäste und gibt ihnen das Gefühl, die ganze Manufaktur hätte nur auf sie gewartet, um ihre Geschichte zu offenbaren. Diese ist zwar kurz (seit 1988), dafür umso einprägsamer und bislang außerordentlich erfolgreich verlaufen.

 

Kulinarik-Tipps

 Genf

Café de Négociants unter Philippe Chevrier

MO Bar des »Mandarin Oriental«

Kiosque des Bastions

Restaurant F.P. Journe unter Dominique Gauthier (ehemals »Chat Botté« im »Beau Rivage Genf«)

Le Brassus

Brasserie Le Gogant von ­Drei-Sterne-Koch Emmanuel Renaut im »Hôtel des Horlogers«

Pregny-Chambésy

Jardin de Penthes – vor allem wegen der unvergleichlichen Atmosphäre

Zum Falstaff Restaurant- und Beizenguide geht es hier

Erschienen in
THE JEWELRY EDITION 01/24

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Ines B. Kasparek
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