Präzisions-Bootcamp für Luxusuhren: Die härtesten Tests für die besten Uhren der Welt
Im Alltag mögen ein paar Sekunden auf oder ab kaum eine Rolle spielen, da aber Luxus stets über das Notwendige hinaus geht, müssen noble Zeitmesser in strengen Härtetests ihre Leistungsfähigkeit in Sachen Präzision unter Beweis stellen.
Das bekannteste Dokument der Uhrenindustrie ist das Chronometerzertifikat des 1973 gegründeten Instituts Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres (COSC), mit dem aktuell knapp acht Prozent aller in der Schweiz gefertigten mechanischen Uhren ausgezeichnet sind. Geprüft wird die Ganggenauigkeit nach DIN 8319 und ISO-Norm 3159, in Relation zu zwei Atomuhren und einer synchronisierten DCF77-0CX0-Uhr. Der Test dauert 15 Tage – in fünf verschiedenen Lagen und bei drei unterschiedlichen Temperaturen. Der mittlere tägliche Gang darf dabei um maximal –4 bis +6 Sekunden pro Tag von der Referenz abweichen. Allerdings simuliert das Verfahren, bei dem nur die Uhrwerke getestet werden, nicht das Verhalten beim täglichen Tragen. Dieser Umstand sowie der Wunsch nach geringeren Toleranzen und weiteren Kriterien veranlasste einige Hersteller, zusätzlich eigene Testprotokolle zu entwickeln.
»Folterkammer für Uhren«
2001 gründeten Chopard, Parmigiani Fleurier, Bovet Fleurier und Vaucher Manufacture Fleurier gemeinsam mit dem Kanton Neuchâtel und der Gemeinde Fleurier die Stiftung Qualité Fleurier. Zusätzlich zu den COSC-Tests müssen die fertig montierten Zeitmesser den Chronofiable-Test bestehen, der zu Recht als »Folterkammer für Uhren« bezeichnet wird. In einer speziellen Testkammer werden sie drei Wochen lang harten Stößen und Schlägen, Beschleunigungen, Feuchtigkeit und starken Temperaturschwankungen ausgesetzt. Danach muss jede Uhr im »Fleuriertest« nochmals ihre Ganggenauigkeit unter Beweis stellen. Für den Erhalt des Qualité-Fleurier- Zertifikats darf die Gangabweichung nicht mehr als 5 Sekunden am Tag betragen. Die letzte Hürde zum Erhalt des Siegels betrifft rein ästhetische Kriterien, wie etwa die Dekoration von Platine und Brücken, polierte Schrauben oder anglierte Kanten. Rolex hat 2015 mit dem »Chronometer der Superlative« einen eigenen Exzellenzstandard inklusive neuer Testverfahren und Geräte geschaffen. Neben der Ganggenauigkeit, die in einem Toleranzbereich von –2 bis +2 Sekunden pro Tag liegen darf, müssen die Uhren für das markante grüne Siegel auch hinsichtlich Wasserdichtheit, Automatikaufzug und Gangreserve den strengen Anforderungen entsprechen.
Im Zentrum der 2015 von Omega initiierten METAS-Zertifizierung steht vor allem die Resistenz gegenüber magnetischen Einflüssen, wie sie von modernen Alltagsgegenständen wie Mobiltelefonen, Laptops, Induktionskochfeldern oder automatischen Türen ausgehen. Der gesamte Testprozess zum »Master Chronometer«, zu dem Omega nur Uhren mit COSC-Zertifizierung und Co-Axial-Hemmung schickt, besteht aus acht Phasen mit insgesamt 283 automatisierten Schritten, bei denen sowohl Werke als auch fertige Uhren zehn Tage lang, neben Temperaturschwankungen und Feuchtigkeit, auch starken Magnetfeldern von bis zu 15.000 Gauss – Werte, die etwa in direkter Umgebung eines MRT-Scanners vorkommen – ausgesetzt werden. Neben Omega durchlaufen mittlerweile auch Modelle von Tudor diesen Härtetest.
Feines Ursprungszeugnis
»Made in Geneva« galt im 19. Jahrhundert als Qualitätsprädikat für Uhren, wurde fälschlicherweise aber auch von Herstellern aus anderen Regionen verwendet. Als Maßnahme gegen diese Plagiate erließ der Kanton Genf 1886 ein Gesetz, das strenge Anforderungen an alle in Genf hergestellten Uhren sowie das Zertifizierungssiegel Poinçon de Genève (Genfer Punze) vorschrieb. Über die Jahr zehnte wurden die Vorschriften, die neben der reinen Präzision auch zahlreiche Kriterien hinsichtlich der Ästhetik der Werke umfassen, an die Weiterentwicklung in der Uhrmacherei angepasst. Patek Philippe war bis 2009 der bekannteste Träger des Genfer Siegels, seit 2009 setzt die Nobelmarke aber auf eigene, noch strengere Prüfungen.
Deutsche Gründlichkeit
Seit Juli 2006 finden auf Initiative von Wempe Glashütte und in Zusammenarbeit mit dem Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz (TLV) und dem Staatsbetrieb für Mess- und Eichwesen (SME) wieder Chronometer-Prüfungen in Deutschland statt, und zwar in der Sternwarte Glashütte. Die Kriterien entsprechen im Wesentlichen jenen der COSC. Getestet werden hier jedoch komplett montierte Uhren: 15 Tage bzw. 360 Stunden bei unterschiedlichen Temperaturen und in fünf verschiedenen Lagen. Für das Zertifikat sind Abweichungen von maximal –4 bis +6 Sekunden pro Tag erlaubt. Die deutsche Chronometer-Prüfung steht theoretisch allen Uhrenmarken zur Verfügung, genutzt wird sie aber überwiegend von Glashütter Herstellern.