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© MARCUS KRUEGER HAMBURG

Uhren-Kolumne: Ludwig Oechslin, der Rebell

Uhr

Er tickt anders als alle anderen: Ludwig Oechslin, Tüftler mit Kultstatus, macht Uhrenbau zum Denksport. Seine Devise: mehr Hirnschmalz, weniger Zahnrädchen.

Der Test ist für viele Marken beschämend brutal. Und er geht so: Man nehme eine Uhr, verdecke das Logo mit dem Finger und schaue, ob man die Herstellermarke dennoch erkennen würde. Sehr häufig ist das nicht der Fall.

Bei Uhren der Marke Ochs und Junior muss man das Logo auf dem Zifferblatt gar nicht erst abdecken – es gibt keines. Und trotzdem erkennt man die Uhren problemlos von Weitem. Denn sie atmen unverkennbar den Geist ihres Schöpfers: Ludwig Oechslin. Ludwig Oechslin ist ein Mann, der konsequent anders an die Uhr herangeht als alle anderen. Sein Markenzeichen ist die radikale Vereinfachung der mechanischen Komplikation. Luxusmarken prahlen gerne mit den vielen Teilen, die im Werk ihrer Uhren verbaut sind. Denn die übliche Formel in der Haute Horlogerie geht so: Mehr Teile gleich mehr Komplexität gleich mehr Luxus gleich ein höherer Preis. Als einsamer Rebell hält Oechslin dagegen. Er sucht die maximale Funktionalität bei minimalem Materialaufwand und will deshalb mit möglichst wenig Komponenten auskommen. Das brauche zu Beginn mehr Hirnschmalz, sagt er, dafür weniger Arbeit bei der Produktion. Paradebeispiel ist die Uhr, die Oechslin für das Musée International d’Horlogerie (MIH) konzipiert hat, dessen Leiter er damals war. Es ist ein Jahreskalender, also ein Zeitmesser, der stets das richtige Datum anzeigt. Nur einmal im Jahr, am 1. März, ist eine Korrektur nötig. Normalerweise werden für eine solche Funktion 30 bis 40 Teile eingesetzt – Ludwig Oechslin schaffte es dank seiner smarten Konstruktion mit neun.

Foto beigestellt

So ging es weiter: Für seine Marke Ochs und Junior, vollständig in Familienbesitz, baute er eine ganze Reihe von »unkomplizierten Komplikationen«, einen Ewigen Kalender zum Beispiel. Ewige Kalender wissen stets, ob ein Monat 28, 29, 30 oder 31 Tage hat – auch im Schaltjahr. Die Oechslin-Lösung basiert auf dem Ulysse- Nardin-Basiskaliber UN-118, nötig sind lediglich 9 zusätzliche Teile, 3 weitere werden modifiziert. Technisch nicht weniger ausgeklügelt ist das Modell Luna Sole. Es zeigt neben der Zeit auch die Sonne, die Mondphase und die Position des Mondes im Verhältnis zu Erde und Sonne an. Das wird mit nur gerade sechs Modulteilchen bewerkstelligt, einschließlich des Zifferblattes. Noch ein Beispiel? Das Modell Tag/Nacht zeigt Sonnenauf- und -untergang an, den eigentlichen Sonnenmittag, die Mondphase sowie die Position von Mond und Sonne am Himmel. Dazu reichten gerade 13 Teile, wiederum inklusive Zifferblatt.

Oechslin, der Altertumswissenschaften studierte und sich parallel dazu zum Uhrmacher ausbilden ließ, setzt bei seinen Uhren auf ein sehr puristisches Design – mitunter roh bis fast brutalistisch. Das passt bestens zu ihm: Ein Rebell braucht keine Schnörkel.

Pierre-André Schmitt
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