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© Xenia Trampusch

Schullin: Neuer Glanz im Looshaus

Schmuck
Uhr
Wien

Das Looshaus avancierte dank der Übernahme von Juwelier Schullin zu einer der schönsten europäischen Uhren-und-Schmuck-Boutiquen in historischem Ambiente. LIVING traf die Macher zum Talk über ihr neues Lebensprojekt, die aufwendige Renovierung des ikonischen Architekturjuwels, Generationenwechsel und darüber, warum vom Looshaus aus neuerdings Airline-Routen gesteuert werden.

Der Zeitpunkt könnte besser nicht gewählt sein. Genau zum 50. Firmenjubiläum erfüllt sich das österreichische Juwelierunternehmen Schullin einen besonderen Traum: Nach einer zweijährigen Gestaltungsphase ist man in das ikonische Adolf-Loos-Haus am Michaelerplatz eingezogen. Im komplett und behutsam renovierten Baujuwel aus der Wiener Moderne strahlt nun ein luxuriöser Uhren-und-Schmuck-Tempel, der sich dank der eigenen eleganten Corporate Identity charmant in das architektonische Meisterwerk bei der Hofburg integriert, als wäre es nie anders gewesen. Das auffallende Eingangsportal, umringt von vier Marmorsäulen, das der in Brünn geborene Architekt Adolf Loos 1912 errichtete, wirkt beim LIVING-Termin noch einladender und imposanter als zuvor. Wo einst der Herrenausstatter Goldman & Salatsch seine betuchte Klientel mit feinen Anzügen und Jagdausrüstung verwöhnte, prangt nun in goldenen Lettern »Schullin«. Ein großes Haus und ein großes Wiener Erbe wurden hier übernommen – und dieser Verantwortung ist sich die Familie auch fraglos bewusst. Beim Betreten des Geschäfts werden wir vom eindrucksvollen Interior sofort gefangen genommen und vergessen für einen kurzen Moment hochwertigst inszenierte Zeitmesser von Marken wie Rolex, Breitling oder Hublot. Vielmehr richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf den aus Mahagoniholz verarbeiteten Treppenaufgang mit Messing-Details, der den Mittelpunkt der Boutique bildet. Umgeben von maßgefertigten Schmuckvitrinen der Tischlerei Barth, edlen Präsentationsflächen und originalen Adolf-Loos-Lampen, die dank der Innsbrucker Lichtfabrik Halotech mit weichem Licht nach oben strahlen. Wir befinden uns zwar in einem historisch bedeutsamen Ambiente, das aber keineswegs historisch, sondern höchst modern wirkt. Der Stolz auf ihr neues »Zukunftsprojekt« ist Herbert Schullin und seinen Söhnen Lukas und Johannes bei der Begrüßung ins Gesicht geschrieben. Mit Recht. Vom Parterre geht es weiter ins 700 Quadratmeter große Mezzanin, das im Vorderbereich durch das geschwungene denkmalgeschützte Fensterglas einen leicht psychedelischen Zustand beim Blick auf den Michaelerplatz vermittelt. Wir sehen uns um, erkennen neues Maxalto-Mobiliar und alte Loos’sche Licht-Appliken. Was für ein besonderes Momentum, dass die Fertigstellung des Looshauses und das Jubiläum zusammenfallen, stellen wir fest. Doch Herbert Schullin winkt ab: »Wir haben das gar nicht so geplant. Als sich abgezeichnet hat, dass der Eigentümer Raiffeisen das Haus nicht mehr für sich selbst nützen wollte, war für uns eine Entscheidung gefallen. Mit unserem Uhrengeschäft am Kohlmarkt waren wir schon sehr begrenzt und wir hatten schon länger nach einer neuen Location gesucht. Das Looshaus bot sich also perfekt an und wir dachten: ›Jetzt oder nie.‹« So trat man 2020 in Verhandlungen und nach zwei Jahren war der Startschuss für das anspruchsvolle Mietobjekt gefallen.

Begehrte Andockstation. Ab sofort werden edle Zeitmesser und extravagante Schmuckkreationen in den behutsam sanierten ikonischen Hallen des Looshauses präsentiert.
www.schullin.com

© Xenia Trampusch

Challenge Accepted

Erst wurde die Boutique am Kohlmarkt mit dem Looshaus verbunden, dann peu à peu das gesamte Gebäude restauriert. Bei den Umbauten wurde auf die Loos’schen Vorgaben geachtet, um die einzigartige Architektur, die seit jeher als begehrte Touristmusattraktion gilt, zu unterstreichen und nicht zu verdrängen. »Denn eine Veränderung gegenüber dem Althergekommenen ist nur dann erlaubt«, lehrte Architekt Loos stets seine Schüler, »wenn die Veränderung eine Verbesserung bedeutet.« In diesem Fall kaum möglich, waren die Häuser des Enfant terrible der damaligen Wiener Kulturszene bereits teure, maßgeschneiderte Haute Couture, die obendrein einen irrationalen Fetisch für edle Materialien wie Messing, Mahagoni oder Onyx offenbarten. Sie inszenierten und erotisierten den Innenraum bis hin zur gebauten Fantasie. Die Vorgaben waren also groß, das Haus weiter in Richtung seines Originalzustands zu bringen.

»Wir hatten anfangs nicht gedacht, welche großen Herausforderungen auf uns zukommen«, reminisziert Lukas Schullin, der den kreativen Part im Unternehmen lenkt. »Wir mussten das Haus kernsanieren, begannen praktisch bei null.« Der Bruder, Absolvent des Londoner Central Saint Martins College, ergänzt: »In jeder Ecke hat etwas gewartet, womit wir nicht gerechnet hatten. Das ging von der Klimaanlage – wir kühlen jetzt mit umweltfreundlicher CO2-Kälte – aus bis hin zur Heizung, einer rund 70 Kilometer langen Glasfaserverkabelung im gesamten Haus bis hin zu den Holzvertäfelungen – natürlich alles in Koordination mit dem Bundesdenkmalamt, das glücklicherweise sehr kooperativ war«, so Johannes Schullin. »Wir benötigten ebenso ein neues Lichtkonzept«, erklärt Herbert Schullin weiter. »Es war uns nicht bewusst, was wir wo befestigen dürfen. Deshalb mussten wir die Hülle des Baus benutzen und unter diesen Gegebenheiten unsere Showcases präsentieren.«

Dass dafür besondere Expert:innen engagiert werden mussten, stand außer Frage. So kontaktierte man für heikle Fragen den Looshaus-Restaurateur Burkhardt Rukschcio und arbeitete eng mit dem Bozener Architekten Peter Plattner zusammen. »Warum ein Südtiroler und kein:e Architekt:in aus den heimischen Gefilden?«, will LIVING wissen. Herbert Schullin: »Wir haben das ursprüngliche Geschäft am Kohlmarkt bereits mit Peter Plattner gebaut. Er versteht es sehr gut, Uhren in Szene zu setzen, und hat ein großes Gespür, wie man mit denkmalgeschützten Gebäuden und deren Interior umgehen muss.«

Treffen im Looshaus. LIVING-Herausgeberin Angelika Rosam bat die Herren der Schullin-Familie (v. l. n. r.) Johannes, Lukas und Herbert Schullin zum Gespräch über ihre neue Kreativstätte.

© Xenia Trampusch

Historische Pracht. Für Wienreisende führt ab sofort kein Weg mehr an Juwelier Schullin vorbei. Man kauft hier nicht nur Uhren, sondern erlebt Historie: Das Looshaus wurde gekonnt in Richtung Originalzustand restauriert.

© Xenia Trampusch

Neue Möglichkeiten

Dabei wurde das Haus selbst bei seiner Fertigstellung 1912 für die Schneiderfirma Goldman & Salatsch zum Gegenstand heftiger Diskussionen. Es fügte sich nicht in die ornamentalen Nachbarbauten ein, vielmehr verärgerte es ob seiner nackten Fassade ohne Gesimse, ohne Schmuck und wurde von den damaligen Zeitgenoss:innen als »Haus ohne Augenbrauen« abgetan. »Auch das ursprüngliche Interieur wurde im Laufe der Jahrzehnte zerstört«, weiß Lukas Schullin. Beginnend mit den Nationalsozialisten, die dort 1938 ein Opel-Autohaus installierten. Nach der Übernahme durch die Raiffeisenbank in den 1970er-Jahren gab es schließlich eine aufwendige Restaurierung. Jetzt perfektioniert dank der neuen Hauptmieter. Begeistert führt uns Johannes Schullin durch die vielen Ecken über die verwinkelten Stufen in den Keller, wo wir über eine beängstigend enge Wendeltreppe hinab in die alte »Loosbar« kommen. Dort erwartet uns ein intimer Partyraum mit Bartheke inklusive Loos-Mobiliar und eines originalen Knieschwimmers, den der visionäre Archtitekt in adaptierter Form für eigene Wohnungsausstattungen verwendet hat. Die Bar lädt zum Verweilen ein, wird aber mehr für private Zwecke genutzt. Verschiedene Bereiche im Mezzanin hingegen können für Events gemietet werden und sollen auch zu Verkaufsräumen avancieren. Es wird »Brand-Experience-Corners« geben, erzählt Johannes Schullin. Uhrenmanufakturen werden hier zukünftig ausstellen, weiters wird es einen Bereich für die Begutachtung von Edelsteinen geben. Und in der ehemaligen Näherei auf der Seite der Herrengasse wird eine zertifizierte Rolex-Werkstatt untergebracht. Kurz: Für Wienreisende führt ab sofort – und nicht nur aufgrund des historisch berühmten Bauwerks – kein Weg mehr an Juwelier Schullin vorbei.

»Wie trägt sich diese hohe Investition in das Gebäude?«, fragt LIVING nach. Herbert Schullin: »Wir haben bereits das gesamte Haus vermietet. In den oberen Stockwerken arbeitet das Hightech-Unternehmen Flightkeys, das vom Looshaus aus großen Airlines ihre Flugrouten berechnet. Es ist ein Team leidenschaftlicher Luftfahrtexpert:innen mit einem sehr spezifischen Wissen, eine wirklich coole Truppe. Und der Schönheitschirurg Artur Worseg hat bereits die Ebene darunter bezogen.« Fraglos ein frischer Wind, der mit der Übernahme der Schullins ins Looshaus gezogen ist.

Selbst will sich das Unternehmen, dessen Familientradition bis ins Jahr 1802 zurückreicht, weiterhin als Uhren-und-Schmuck-Haus vom internationalen Wettbewerb abheben. Extravagant begonnen wurde bereits 1974, als Herbert Schullin in dritter Generation seine erste Boutique am Graben eröffnete. Schon damals legte die Familie Wert auf einzigartige Pretiosen, die mit kühnen, geometrischen Formen aufwendig versehen wurden und eine anspruchsvolle Klientel bedienten. Und schon damals waren edle Materialien wie Mahagoniholz und Messing die Merkmale des ersten Geschäfts, das von Architekt Hans Hollein entworfen wurde. Sieht also ganz danach aus, als sei das Looshaus für die Family-Brand bestimmt gewesen, denn die nächste Generation treibt das Unternehmen bereits engagiert voran. »Mein Ziel ist es«, so Lukas Schullin, »die Marke so gut wie möglich konkurrenzfähig zu machen. Denn während sich andere namhafte Brands auf gewisse Modelle spezialisieren und auch so vermarkten, gehen wir in die Tiefe. Wir produzieren von einer Kreation nur wenige Stücke, bleiben daher exklusiv und sind das Geschäft für Idealist:innen.« Johannes Schullin schließt sich an: »Wir sind Kunsthandwerker geblieben, versuchen immer State of the Art zu sein.« Bei so viel Unternehmergeist, dürfte es dem Herrn Papa künftig auch nicht schwerfallen, sich sukzessive zurückzuziehen. Der Name Schullin ist und bleibt in guten Händen.

Der Schullin-Clan. Die Schwiegertöchter Oriane (l.) und Clara Schullin (r.) sind aktiv ins Team integriert. Beate Schullin (M.) ist die Macherin im Verkauf. Die Herren Lukas, Herbert und Johannes Schullin dürfen stolz sein.

© PHILIPP JELENSKA
Angelika Rosam
Angelika Rosam
Falstaff LIVING Herausgeberin
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