Ein Wochenende in Polen: Kunsttrip nach Warschau
Museen, Galerien, Kunsthochschulen und viele Partys: In der polnischen Hauptstadt mit ihrem jungen Publikum spürt man, wie wichtig die Kunst für eine lebendige Kulturnation ist. Ein Besuch in einer Metropole, die immer wieder wie Phönix aus der Asche auferstanden ist.
Rund 50.000 vorwiegend junge Menschen stürmten am Eröffnungswochenende im Oktober 2024 einen weißen Kubus im Herzen von Warschau. Lange Jahre hatte die Kulturszene der polnischen Hauptstadt gewartet, bis das Museum für moderne Kunst (MSN) sein neues Domizil beziehen konnte, und die Eröffnung geriet zur Megaparty und war das Gesprächsthema der Stadt. Nicht ohne Zufall sitzt es,
als Geste der Weltoffenheit, direkt vor dem 237 Meter hohen düsteren Gebirge des stalinistischen Kulturpalasts aus den 1950er-Jahren. Es ist das jüngste Museum in einer Reihe prestigeträchtiger neuer Kulturbauten in Polen.
Zyklen aus Zerstörung und Wiederaufbau und harte Kontraste prägen die Geschichte und das Gesicht dieser Stadt und, anders als das pittoreske Krakau, auch eine gewisse Ruppigkeit, die bisweilen an das Party-Berlin der Nachwendezeit erinnert. Partyfreudig ist die junge Stadt auch heute, dabei stets auch politisch, denn Kunst und Kultur gerieten in den letzten Jahren oft zwischen die Fronten des liberalen und des konservativen Polen. Diese spannungsgeladene Atmosphäre hat der Kunst eine besondere Relevanz verliehen.
Zeit für eine Reise in eine Metropole, die auf den ersten Blick nicht schön ist, aber voller lebendiger Gegenwart.
Rund 20 Jahre war das Museum moderner Kunst in Zwischenquartieren beheimatet, bis es 2024 endlich sein neues Domizil mitten in der Stadt beziehen durfte. »Dieses Museum soll die Kultur offen und zugänglich für alle machen«, sagt Vizebürgermeisterin Aldona Machnowska-Góra. Für den Anfang wurden die relativ riesigen Räume mit großen Skulpturen, Performances, Konzerten und Events bespielt, langfristig will das ausgesprochen junge Kurator:innen-Team das Haus zu einer ersten europäischen Adresse zeitgenössischer Kunst machen. Mit rund 800.000 Besucher:innen rechnet man pro Jahr.
Freitag
Kulturkonzentrat
Von hier sind es nur ein paar Meter bis zum düster-wuchtigen Kulturpalast, in dem sich alles vom Theater über Jugendclubs bis zum Schwimmbad findet – und auch die Studio Galeria, die als Teil des gleichnamigen renommierten Theaters in ihren Räumen Retrospektiven zu polnischen Künstler:innen des 20. Jahrhunderts mit heutigen Positionen kombiniert. Ein kulturelles Konzentrat, das man sich nicht entgehen lassen sollte.
Eine oft übersehene Sparte visueller Gestaltung, auf die man in Polen besonders stolz ist, sind Schriftzüge aus Neon. Diese wurden in
der Nachkriegszeit oft von den berühmten Designer:innen der Polish Poster School entworfen und prägten das Bild des nächtlichen Warschau für Generationen. Viele von ihnen sind inzwischen verschwunden, doch das Neon Muzeum hat einige gerettet, bewahrt und repariert. Ein Einblick in die erstaunlich mondäne und farbenfrohe Vergangenheit der damals sozialistischen Republik.
MSN – Museum of Modern Art
»The Impermanent«, bis 5. 10. 2025
artmuseum.pl
Studio Galeria
Dłubak x Zaradny, bis 30. 3. 2025
teatrstudio.pl
Neon Muzeum
Dauerausstellung
neonmuzeum.org
Samstag
Ein Zentralgestirn der zeitgenössischen Kunst in Polen findet sich mitten im historischen Zentrum von Warschau. Die Nationalgalerie Zachęta hat sich sowohl mit Personalen heimischer und internationaler Künstler:innen wie Yayoi Kusama und Wolfgang Tillmans als auch mit thematisch fokussierten Ausstellungen wie »From the Ashes« (über die globalen Polykrisen) oder zuletzt »Potential Histories« (über Kriege und Konflikte) einen Namen gemacht. Seit über 70 Jahren kuratiert Zachęta zudem den polnischen Pavillon auf der Biennale in Venedig.
Freier Wind
Auch in fürstlichem Ambiente, wo man sie nicht erwarten würde, eröffnet die zeitgenössische Kunst in Warschau neue Perspektiven. Zum Beispiel im Schloss Ujazdowski, gelegen in einem großen Park, das in den letzten 700 Jahren immer wieder zerstört und aufgebaut wurde. Hier ist das Kulturzentrum U-jazdowski beheimatet und bietet ein umfassendes Programm aus Ausstellungen, Performances, Konzerten, Kino und Buchladen. Nach einem ultrakonservativen Intermezzo unter Direktor Piotr Bernatowicz weht hier seit 2024 unter Kamila Bondar wieder ein freierer Wind.
Zum Samstagabend hin begeben wir uns in die südliche Innenstadt, die sich in den letzten Jahren zum studentischen Ausgehviertel mit Restaurants, Bars und Clubs entwickelt hat – mit einigen Galerien, von denen die Raster Gallery eine der ältesten und namhaftesten ist. Gegründet von den Kunstkritikern Łukasz Gorczyca and Michał Kaczyński, fördert sie engagiert junge polnische Künstler:innen und stellt jene der älteren Generation in einen zeitgenössischen Kontext.
Zachęta
»Szymon Zakrzewski: Archive of Imaginary -Objects«, bis 30. 3. 2025
zacheta.art.pl
Ujazdowski Castle centre for Contemporary Art
»Closed Gardens of Solitude«, bis 23. 2. 2025
u-jazdowski.pl
Raster Gallery
Neue Ausstellung ab März 2025
en.rastergallery.com
Sonntag
Den größten Brocken haben wir uns für den dritten Tag aufgehoben: das Nationalmuseum. Es ist das größte Museum in Warschau, was man sofort glaubt, wenn man vor dem wuchtigen Bau steht. Eine beeindruckende Schatzkammer der polnischen Kultur, in der sich die jahrhundertelange Geschichte der hiesigen Malerei und die Avantgarde des 20. Jahrhunderts nachverfolgen lassen. Dank eines kuratorischen Neuanfangs werden die Werke hier nicht chronologisch, sondern thematisch gruppiert, was für unerwartete Erkenntnisse und spannende Querbeziehungen sorgt.
Akademische Ideen
Doch eine wirkliche Kunstmetropole ist nicht nur museal. Sie wäre nichts ohne eine lebendige gegenwärtige Szene, sprich: eine Kunsthochschule. Die Warschauer Akademie der schönen Künste sorgt für Diskurs und für neue Ideen und hat ihre eigene Galerie im Czapski-Palast mitten im Stadtzentrum. Deren Sammlung umfasst Malerei, Skulptur, Grafik, Keramik, Industriedesign und Architektur und bietet uns so eine ideale Fortsetzung der etablierten Kunst des Nationalmuseums in die Gegenwart und Zukunft.
Ein auf den ersten Blick modernes Statement offeriert die Galerie Foksal in ihrem elegant-rechtwinkligen Neubau aus der Feder der Schweizer Architekten Diener & Diener. Die Galerie wurde vom Kunstkritiker Andrzej Przywara zusammen mit der gleichnamigen Stiftung gegründet und vertritt 20 zeitgenössische polnische Künstler:innen, von der plakativen Malerei von Piotr Uklański bis zur mächtigen abstrakten Raumkunst von Monika Sosnowska. Ein weiterer Stein im Mosaik einer europäischen Kulturnation mit unstillbarer Liebe zur Avantgarde.
Muzeum Narodowe
»Self-Portraits«, bis 30. 7. 2025
mnw.art.pl
Galeria Salon Akademii, Pałac Czapskich
Permanent wechselnde Ausstellungen
pc.asp.waw.pl/salon-akademii
Foksal Gallery Foundation
Neue Ausstellung ab März 2025
foksalgalleryfoundation.com