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Weniger ist mehr: Wie Heilfasten dem Körper hilft

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Das neue Jahr animiert uns dazu, Altlasten hinter uns zu lassen – auch körperlich. Als beliebte, äußerst effektive Methode für einen Neustart hat sich das Fasten, allen voran das Buchinger-Heilfasten und das weniger »drastische« Intervallfasten, etabliert. Sie zeigen: Weniger bewirkt ganz schön viel.

Ob in christlichen Klöstern, während des ­Ramadan oder in hinduistischen Tempeln: Der bewusste Verzicht auf Nahrungsaufnahme fand lange Zeit vorrangig im Kontext religiöser Tradition statt. Aus diesem hat sich das Fasten – also der bewusste, zeitlich begrenzte Verzicht auf feste Nahrung und Genussmittel – in den letzten Jahren erfolgreich gelöst. Heute sind neben dem Gewichtsverlust vor allem gesundheitliche Vorteile gute Gründe, um für einen bestimmten Zeitraum, seien es nun 16 Stunden täglich oder zwei Wochen am Stück, auf den Biss im Alltag zu verzichten. Die mittlerweile riesige Vielfalt kann dabei im ersten Moment überfordern: Vom Heilfasten über 16:8 bis hin zu 5:2 gibt es zig Möglichkeiten der Nahrungsenthaltsamkeit. Die Vorgänge im Körper, die durch das Fasten ausgelöst werden, sind im Grunde immer dieselben, variieren allerdings in ihrer Wirkstärke je nach Dauer und Intensität.

Die Wirkung des Wenigen

Der Fastenvorgang beginnt damit, dass sich innerhalb der ersten 12 bis 24 Stunden die Glykogenspeicher in der Leber und den Muskeln leeren. Zugleich beginnt die Ketogenese. »Aus dem Fettverbrennungsstoffwechsel entstehen sogenannte Ketone, entzündungshemmende Fettsäuren, die das Gehirn anstelle der Glucose versorgen«, ­erklärt Dipl. oec. troph. Andrea C. Chiappa, ärztlich geprüfter Fastenleiter und Ökotrophologe. Das führe zu einem Sättigungs­gefühl.

Der Hunger, den man sonst im ­Alltag kennt, verschwindet. Der ganze ­Umschaltprozess kann zwei bis drei Tage dauern.

Zugleich aktiviert der Fastenvorgang die Autophagie, einen Reparaturmechanismus, über den beschädigte Zellen ­abgebaut werden – ein Frühjahrsputz für den Körper sozusagen. Der sinkende ­Insulinspiegel setzt außerdem den Fettabbau in Gang, ergänzt Andrea C. Chiappa: »Das führt dazu, dass die Fettverbrennung ungefähr 100 bis 150 Gramm reines Fett am Tag verbrennt.« Gemeinsam mit Wasser und Muskelmasse sind das zwischen 300 und 400 Gramm Körpergewicht pro Fastentag.

Alle diese Vorgänge sorgen dafür, dass Fasten mehr bewirkt als den bloßen ­Gewichtsverlust. Der bewusste Verzicht hemmt Entzündungen, stabilisiert den Zucker- und Fettstoffwechsel, steigert die Stressresistenz der Zellen und regt die ­Neubildung der Mitochondrien an, wovon auch das Immunsystem profitiert. Die Langzeitfolgen sind vor allem beim Heilfasten enorm, weiß Dr. med. Rainer Matejka, Vorsitzender der Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung e.V. (ÄGHE): »Fachübergreifende Effekte bestehen vor allem bei ­diversen internistischen, orthopädischen, teilweise aber auch urologischen, gynäko-
logischen und neurologischen Krankheitsbildern wie MS oder M. Parkinson«, fasst der Mediziner zusammen.

Daneben helfe es bei sogenannten »komplexen Befindlichkeitssyndromen«, etwa Erschöpfung, und wirke tendenziell angstlösend und schmerzlindernd. Auch der Ökotrophologe kann dies bestätigen: »Die Hausärztin oder der Hausarzt freut sich, weil die Cholesterinwerte, der kritische Fett- und Blutzuckerspiegel und das Insulin niedriger sind. Und die Internistin oder der Internist bemerkt, dass die Leber entfettet und der Blutdruck reduziert ist.«

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Heilfasten

Am stärksten lässt sich dieser Prozess, wie bereits erwähnt, beim Heilfasten nach Dr. Otto Buchinger beobachten. »Dabei handelt es sich um eine niederkalorische Trinkkur, immer in Kombination mit unterstützenden Gesundheitsmaßnahmen und Schulungen«, erläutert Fastenleiter Andrea C. Chiappa. Der Ablauf beim Heilfasten folgt festen Vorgaben: Der Prozess beginnt mit zwei bis drei Entlastungstagen, an denen Alkohol, Zucker, Kaffee und schwer Verdauliches sukzessive reduziert werden. Die anschließende Kur dauert etwa eine bis zwei Wochen.

21 Tage waren früher Standard, heute wird Heilfasten oft kürzer betrieben, dafür aber zwei- bis dreimal im Jahr

merkt Dr. med. Rainer Matejka an. Je nach individuellen Gewichtsressourcen nimmt man pro Tag zwischen 200 und 500 Kalorien in Form von Tees, Säften, Obst und Fastenbrühen zu sich. Auch Darmreinigungen durch Einläufe, Kartoffelwickel oder Leberkompressen sowie die Gabe von Mineralstoffen sind Teil der Buchinger-­Methode. Essenziell sei dabei das »Rahmenprogramm«, so der Fastenleiter: »Dieses Gesundheitstraining besteht aus Bewegung und Entspannung, aber auch Schulungen zu Essverhalten, Achtsamkeit und Gesundheit.« Den typischen Begleiterscheinungen – Müdigkeit, Migräne oder niedriger Blutdruck – wirkt man mit Salz, grünem Tee, Kreislauftropfen, Wechselduschen oder Morgengymnastik entgegen. Nach der Kur führen Abfastentage durch allmählichen Kostaufbau wieder in den Alltag. »Wenn Sie alles richtig gemacht haben, ­profitieren Sie bis zu drei Monate später noch von einem spürbar positiven Effekt auf Schlafqualität, Lebenszufriedenheit und Essverhalten; Sie haben weniger Heißhunger und mehr Vitalität«, sagt Andrea C. Chiappa.

Vorher abklären lassen

Geeignet ist das Buchinger-Heilfasten übrigens nicht für jede:n – eine gewisse Grundgesundheit muss gegeben sein. Zu den Kontraindikationen zählen Untergewicht, Schwangerschaft, Stillzeit oder sehr hohes Alter ebenso wie Leber- oder Niereninsuffizienzen, psychiatrische oder Krebserkrankungen. »Ansonsten gilt, was der bekannte Fastenarzt Hellmut Lützner sagte: Das ambulante Fasten eignet sich besonders für Noch-Gesunde zur Vorbeugung oder bei leichteren Beschwerden – am besten ­unter professioneller Anleitung«, erklärt Dr. med. Rainer Matejka. »Für den bereits schwerer Erkrankten ist das Heilfasten unter stationären Bedingungen und ärztlicher Überwachung vorzuziehen.«

Intervallfasten

Für wen eine oder zwei Wochen Verzicht zu viel (oder eigentlich: zu wenig) des Guten oder aus gesundheitlichen Gründen nicht machbar ist, hat durchaus Alternativen. ­Einen sanften Einstieg ermöglicht Intervallfasten, bei dem täglich innerhalb eines festgelegten Zeitfensters normal gegessen wird. »Maßgeblich für das Einsetzen des Fasteneffekts ist die Umschaltung des Stoffwechsels auf die oxidative Fettsäureverbrennung. Das nennen wir ›metabolic switch‹. Dieser Effekt tritt vielfach schon nach 13 bis
16 Stunden ein. Nicht zuletzt durch diese Erkenntnis ist das Intervallfasten – vor allem die 16:8-Methode mit 16-stündiger Essenspause – in den letzten Jahren so populär ­geworden.«

Daneben versprechen Fastenpläne, bei denen man die Nahrungszufuhr an einem oder mehreren Tagen in der Woche reduziert, positive Effekte. Egal, für welche Methode man sich schlussendlich entscheidet: Fasten ist immer eine gute Entscheidung, sowohl für das aktuelle Wohlbefinden als auch die langfristige ­Gesundheit.

Erschienen in
Ausgabe 04/2024

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Christina M. Horn
Koch
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