Zum Inhalt springen
(c) Kito Photography

Mental Health: Journaling als gesunde Routine

Beauty-Routine

Das Schöne am Freewriting steckt schon im Namen:  Es gibt quasi keine Regeln. Das und vieles mehr machen das Journaling so wertvoll für unseren Geist.

Wer Komplimente für ein attraktives Strahlen bekommt, merkt schnell: Das geschieht vor allem dann, wenn wir happy sind und uns zufrieden fühlen. Ob wahre Schönheit immer von innen kommt, sei zwar dahingestellt, aber eines steht fest: Wie gut es uns geht, sieht man uns an. Daher lohnt es sich, auch Routinen für seine innere Harmonie – wie etwa Journaling – zu etablieren.

Mentale Gesundheit

Dass es aktuell im Trend liegt und kürzlich sogar ein großer amerikanischer Soft- und Hardwareentwickler eine Journaling-App gelauncht hat, überrascht wenig: Denn durch regelmäßiges Schreiben klären wir unser Gemüt, reflektieren, was wir erleben, verarbeiten Herausforderndes, erkennen leichter, wie es uns geht und was wir brauchen, oder lenken unsere Aufmerksamkeit auf Dinge, die uns guttun. Und das wirkt sich ­erwiesenermaßen positiv auf unsere Stimmung, unsere mentale Gesundheit und unsere Schlaf­qualität aus oder kann dabei helfen, Stress zu ­reduzieren – und deshalb sogar das Immunsystem stärken. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Schreiben im eigenen Alltag zu integrieren. Viele ­Menschen beginnen mit Ausfülltagebüchern, bei denen man beispielsweise notiert, wofür man dankbar ist. Andere führen Listen zu bestimmten Themen, schreiben also etwa heute auf, was sie gut können, morgen, was sie an sich mögen, oder übermorgen, was sie schön an sich finden. Was dabei passiert? Sie lenken den Fokus auf Hilfreiches und Stärkendes, so als würden sie einen Scheinwerfer ein bisschen drehen und plötzlich sehen, was vorhin noch im Dunkeln lag. Wirkungsvoll, weil sie dabei helfen, Emotionen zu regulieren, sind auch Techniken wie das »Freewriting«, mit denen man sowohl richtig ins Schreiben als auch gut zu sich kommt. Im Deutschen unterscheiden wir übrigens nicht wirklich zwischen dem Schreiben, um etwas festzuhalten, und dem, wo es um dieses Reflektieren geht – im Englischen schon: Da kommen streng betrachtet Tagesaktivitäten und Erlebnisse ins »Diary« und Gefühle und Reflexionen ins »Journal«. Stärkere Effekte darf man sich freilich von Zweiterem versprechen, deshalb hier Tipps, um mit einer Freewriting-Routine zu beginnen:

Vor dem Anfang sind Stift- und Papierwahl

Es gibt klare Hinweise, dass das Schreiben mit Stift auf Papier intensiver wirkt als das Tippen, weil es sich beim Handschreiben um einen komplexen motorischen Vorgang handelt, der unterschiedliche Gehirnareale aktiviert. Das führt in einen kreativen ­Zustand und hilft dabei, Emotionen zu verarbeiten. Dass man also ein bisschen herumprobiert, mit welchem Stift man auf welchem Papier gut schreiben kann, lohnt sich in jedem Fall. Beim Journaling ist es fein, ungestört zu sein. Ist man vertraut damit, kann man meistens jederzeit und überall schreiben. Autorin Julia Cameron (»Der Weg des Künstlers«, Knaur.Leben) rät etwa dazu, in der Früh »Morgenseiten« zu schreiben, um den Kopf zu entleeren. Dabei schreibt man im Freewriting-Modus drei A4-Seiten voll. Lässt man sich die Länge des Texts offen, kann es beim freien Schreiben hilfreich sein, einen Alarm oder Wecker zu stellen für die Zeit, in der man schreiben will. Das Gefühl dafür, wie viel Zeit vergangen ist, geht einem nämlich recht rasch verloren, wenn man tief in den Schreibfluss ­eintaucht.

Freewriting: ein befreiender Schreibmodus

Das Schöne am Freewriting steckt schon im Namen: Es gibt keine Regeln, außer dass man durchschreiben soll. Sprich: Alles, was einem in den Sinn kommt, kommt aufs Papier. Ungefiltert. Unkommentiert. Unzensiert. Und alles, was man je in der Schule über das Schreiben gelernt hat, kann man getrost vergessen. Weder Rechtschreibung noch schöne Formulierungen sind dabei wichtig. Man kann Satzfetzen niederschreiben oder auch mal mit »blau, blau, blau« oder »Ich weiß grad nicht, was ich schreiben soll« überbrücken, bis der nächste Gedanke auftaucht, der aufs Papier will . . . Auch ob man beim Freewriting einfach drauflosschreibt, sich ein bestimmtes Ereignis des ­Tages als Startthema aussucht oder zu einer ­bestimmten Frage anfängt zu schreiben, bleibt einem selbst überlassen. Egal, welchen Einstiegsimpuls man wählt, meistens entscheidet nach ein paar Zeilen ohnehin die Hand oder sein inneres Wissen, wo es einen hinführt . . . und das ist völlig in Ordnung so. Auch wenn es um die Frage geht, was man mit dem Geschriebenen macht, gibt es keine festen Vorgaben und es lohnt sich, auf eigene innere Impulse zu hören. Schreibt man Belastendes nieder, ist es oft angenehm, sich nicht weiter mit dem Text zu beschäftigen – oder ihn erst einige Zeit später noch einmal zu lesen, um zu sehen, wie man sich entwickelt hat. Schreibt man Stärkendes auf, kann es schön sein, den Text abermals zur Hand zu nehmen, um sich dadurch immer wieder selbst zum Lächeln zu bringen und sich innerlich auf die Schulter zu klopfen.

Jeden Tag, immer oder wie oft?

Eingefleischte Journaling-Fans schwören auf das tägliche Schreiben. Es wirkt aber auch positiv, wenn wir unsere individuelle Regelmäßigkeit finden und es mehrmals pro Woche praktizieren. Eine der ersten und wichtigsten Untersuchungen in der Schreibtherapie dazu stammt von James Pennebaker. Der US-Psychologe und Autor von »Heilung durch Schreiben« (hogrefe) wollte wissen, ob es eine positive Wirkung hat, wenn man mehrmals hintereinander über ein schwieriges Erlebnis schreibt. Und er konnte zeigen, dass dem so ist. Die Art des Schreibens aus seiner Untersuchung nennt er »Expressives Schreiben« und sie ähnelt dem Freewriting stark. Auch dabei wird in einem Fluss durchgeschrieben, aber zielgerichtet über ein schwieriges Erlebnis und mit der ausdrücklichen Anweisung, alle Gefühle aufzuschreiben, die damit zusammenhängen. Dem Schreiben – viermal pro Woche auf diese Art für circa 20 Minuten – konnte man deutliche positive Effekte nachweisen. Sie konnten in einigen weiteren - Untersuchungen in den Jahren danach übrigens bestätigt werden. Schreiben hilft also. Beim Verarbeiten von Schwierigem oder beim Reflektieren des Tages, es führt mehr zu uns selbst und entlastet – schon durch einige Minuten, ein paar Mal in der ­Woche. Der inneren Harmonie was Gutes zu tun, muss also weder kompliziert noch zeitlich ausufernd sein. Das Einzige, was man beim Journaling noch falsch machen könnte, wäre, es nicht wenigstens mal zu probieren.

ZUR PERSON

Mag. Ursula Neubauer, M.Sc. ist Germanistin, Schreibtherapeutin und Hypno-Coachin – sie arbeitet in der Wiener Couch in Wien und online, hält Seminare bei Weiterbildungsinstituten oder Kongressen zu »Hypnowriting®«, ihrer speziellen Methode, bei der sie Trancereisen mit Schreibprozessen verbindet. Sie ist Autorin eines Ratgebers und einer »Anti-Stress-Tagebuchbox« und eingetragene Supervisorin bei der WKO. hypnowriting.at

Stress boxt man jetzt mit Stift und Papier weg: »Gestärkt statt gestresst – Meine Hypnowriting®-Tagebuchbox« führt in 50 konkreten Anleitungen in meditative Vorstellungsreisen und stärkende Schreibprozesse. Die Box mit Ausfüllbuch, Bilderkarten, Ressourcenwürfel und Stickern nimmt uns an die Hand, wenn wir den Stift in die Hand nehmen. Um € 43,90.  hypnowriting.at/shop

(c) beigestellt

Erschienen in
Happy Life 02/2024

Zum Magazin

Ursula Neubauer
Koch
Mehr zum Thema
1 / 12