KI: in der Medizin und im Beauty-Bereich
Künstliche Intelligenz gehört längst zu unserem Alltag: Wenn wir das Handy öffnen, erkennt sie unser Gesicht, auf Netflix schickt sie Empfehlungen. Aber was bedeutet Digitalität für die Medizin und Beauty von morgen? Wir verraten, warum KI der Jungbrunnen unserer Zukunft ist.
Künstliche Intelligenz hat ein schlechtes Image. Schuld daran sind die vielen generierten Fotos, die uns Fakes nicht mehr von echten Bildern unterscheiden lassen. Dabei gehört KI schon längt zu unserem Alltag: Wenn wir das Handy öffnen, erkennt sie unser Gesicht, auf Netflix schickt sie Empfehlungen. Für die Medizin und Beauty-Industrie bedeutet Digitalität eine Möglichkeit zur Früherkennung und schonenden Behandlung. So manches, was nach Utopie klingt, ist bereits heute möglich.
Big Data – und ihre Fehler
Wie funktioniert KI überhaupt? Man kann Algorithmen wie Muskeln trainieren. Sie brauchen riesige Mengen an Testdaten, um an zahlreichen Details zu erkennen, was gesunde von kranken Menschen unterscheidet. Je größer die Datenmengen – man spricht von Big Data –, desto besser werden die Vorhersagen. Maschinelles Lernen hat bereits große Fortschritte in der Sprach- und Gesichtserkennung gemacht. Aber gerade da hat man auch gesehen, dass KI reale Diskriminierungen wiederholt, wenn man nicht gezielt gegen Stereotype steuert. Weil mehr Daten von männlichen Stimmen eingespeist wurden, erkannte Spracherkennungssoftware Stimmen von Frauen deutlich schwerer. Deshalb sind diverse Teams beim Programmieren wichtig, die auf inklusive Daten achten.
KI für Prävention
Der Fokus liegt auf der Prävention: Je mehr Daten Patient:innen über Wearables – das sind bisher vor allem Armband- oder Fitnessuhren und Smartwatches – über sich selbst sammeln, desto leichter wird es, Krankheiten zu diagnostizieren. In Zukunft könnten auch Pflaster – sogenannte BioSticker, die für Risikopatient:innen entwickelt wurden – zum Einsatz kommen, die Körperdaten sammeln und diese direkt an betreuende Ärzt:innen senden: Noch bevor man selbst Symptome spürt, werden Krankheiten entdeckt und Notfälle vermieden.
Ein praktisches Beispiel: Eine Handy-App untersucht Vorhofflimmern. Betroffene haben ein fünffach erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall. Die Diagnose gestaltet sich allerdings schwierig, weil die Herzrhythmusstörungen nur gelegentlich auftreten und von Patient:innen oft gar nicht bemerkt werden. Eine Rhythmus-App mit Photoplethysmographie-Funktion (PPG) nutzt Leuchtdioden, um pulsatile Veränderungen auf der Haut sichtbar zu machen. Der Innsbrucker Kardiologe Axel Bauer bewies in einer Studie, dass sich die Diagnoserate ohne viel Aufwand mittels Handy-App-Screening mehr als verdoppeln lässt. Die App stellt allerdings bloß eine Verdachtsdiagnose, die den Ärzt:innen helfen soll.
»Es geht nicht darum, dass ein Roboter einen Menschen ersetzt, sondern dass Ärzt:innen in der Diagnosefindung unterstützt werden«, betont KI-Experte Sebastian Schönherr, der an der Medizinischen Universität Innsbruck in der Abteilung für genetische Epidemiologie arbeitet und Software für Genetiker:innen und Biolog:innen entwirft: »Dadurch haben sie mehr Zeit, sich um ihre Patient:innen zu kümmern.«
Schlaue Spiegel für daheim
Im Grenzbereich von Medizin und Beauty ist KI mittlerweile sogar daheim einsatzbereit. Ein gutes Beispiel dafür ist der HiMirror, ein smarter Spiegel, der Informationen über die Haut und maßgeschneiderte Beauty-Ratschläge liefert. Eine integrierte Kamera scannt die Haut, KI analysiert die Feuchtigkeit, Fältchen und Poren und findet heraus, welche Pflegeprodukte am besten geeignet sind. Ob diese tatsächlich zu Verbesserungen geführt haben, lässt sich ebenfalls überprüfen: Die KI analysiert und vergleicht sie mit den Daten vergangener Monate. Apps wie SkinScreener oder SkinVision dienen der Hautkrebsvorsorge. Mittels Handykamera wird ein Scan durchgeführt, dann erfährt man, ob das Risiko niedrig, mittel oder hoch ist. Auch hier zeigt sich: KI wird nicht die ärztliche Diagnose ersetzen. Aber Apps oder Spiegel, die Material über die eigene Haut sammeln, erkennen sehr früh Veränderungen.
KI zeigt großes Potenzial, wenn es um medizinische Bildmuster geht. Sie wird bereits jetzt in Krankenhäusern eingesetzt, um Tumore zu erkennen, die für das menschliche Auge nicht erkennbar sind. Deshalb ist KI auch in der Brustkrebsfrüherkennung wichtig, allerdings stets in Abklärung mit medizinischen Teams, um Fehler zu vermeiden. Ethisch und rechtlich stellt sich nach wie vor die Frage: Wer haftet, wenn KI eine falsche Diagnose stellt?
Smarte Toilette
Aber auch unser Harn enthält viele Werte, die für die Prävention wichtig sind. Warum sie nicht gemütlich daheim testen? Auf Knopfdruck in einen Plastikbecher pinkeln zu müssen, ist bei einer Gesundheitsuntersuchung eine echte Herausforderung. Dabei ließe sich der Harn locker regelmäßig zu Hause überprüfen, was man in Japan, dem Hightech-Eldorado für Toiletten, schon seit mehr als einem Jahrzehnt praktiziert. Der medizinische Toilettenbauer Toto hat ein Modell entwickelt, das bei jeder WC-Benutzung den Zucker im Urin testet. Außerdem kann die intelligente Toilette Blutdruck, Körpergewicht und Temperatur messen. Bei Nährstoffmängeln werden über eine App bestimmte Lebensmittel vorgeschlagen. Die Werte können auf den Computer übertragen und dann an die Ärzt:innen gemailt werden.
Eine praktische und günstige Alternative hat das deutsche Start-up Medipee entwickelt: Ein an der Außenseite des WCs angebrachtes Messgerät ist mit Einwegteststreifen ausgestattet, die Daten werden aufs Smartphone geschickt. Mit speziellen Markern können auch Tumorerkrankungen erkannt werden. Und für Frauen praktisch: Medipee sagt ihnen, ob sie schwanger sind.
Im Schönheitsbereich hilft KI, unsere Anwendungen zu personalisieren. Die schwedische Beauty-Marke Foreo hat ein KI-basiertes Reinigungsgerät für die Haut entwickelt, das sich in der Dauer und Intensität der Behandlung automatisch an die individuellen Nutzer:innen anpasst. Der Algorithmus lernt ständig weiter, um sich optimal den Bedürfnissen der Haut zu widmen. Eine App speichert diese Daten. Curology ist eine weitere Tech-Beauty-Marke, die personalisierte Hautpflegelösungen anbietet – und sich auf Aknepatient:innen spezialisiert hat. Man lädt Selfies hoch und füllt in der App einen Fragebogen aus. Anschließend werden diese Daten mit Ärzt:innen abgeglichen, um maßgeschneiderte Rezepturen für die individuellen Hautpflegebedürfnisse zu entwickeln. KI kann aber auch für das Haar verwendet werden, um personalisiertes Shampoo und Conditioner vorgeschlagen zu bekommen.
Robotic-Personalisierung
Ein Vorreiter dieser Individualisierung mittels KI, Big Data und wissenschaftlicher Forschung ist das kanadische Technologie-Unternehmen Proven Skincare, das seit 2017 mit seinem Skin Genome Project an einer umfassenden Datenbank für klinisch wirksame Hautpflegeprodukte arbeitet. Das mit dem »Artificial Intelligence Technology Award« des MIT ausgezeichnete Projekt verfügt über 20 Millionen Erfahrungsberichte von Anwender:innen sowie über Informationen zu über 100.000 einzelnen Produkten, die auf dem Markt sind. Proven Skincare sammelt aber auch weltweit Daten über den UV-Index, Wasserhärte und Luftfeuchtigkeit, die ja auch einen wesentlichen Anteil am Erfolg einer Rezeptur haben. Wahrscheinlich braucht man dann für jede Reise ein angepasstes Pflegeset. Aber mittels individualisierter KI ist das sicher kein Problem.