Julianne Moore: Die Kunst des natürlichen Alterns
Von ihr kriegt man einfach nicht genug: Julianne Moore beehrt die Leinwand seit über zwei Jahrzehnten mit ihrer Präsenz. Das Ausnahmetalent ist nicht nur charmant-ehrlich in seiner Darstellung, sondern auch unprätentiös in seiner Lebensweise. Damit sorgte Moore kürzlich für Schlagzeilen, als sie ihr Konzept des natürlichen Alterns vorstellte.
Fragt man Schauspielerinnen nach Traumrollen, kommen meist banale Antworten. Hollywoodstar Julianne Moore ist da eine angenehme Ausnahme. Sie möchte keine Superheldin und auch keine Anwältin für eine gerechte Sache verkörpern. »Mir ist aufgefallen, dass ich noch nie ein Monster gespielt habe – und ich bin neugierig darauf«, meinte sie kürzlich in einem Interview im »The Guardian«. »Wie ist das? Wie entwickelt man eine solche Identität? Macht man sie zu Menschen? Oder macht man sie ›anders‹?«
Cheerleader? Von wegen!
Julianne Moore ist auf dem roten Teppich die Eleganz in Person. Aber auf der Leinwand ist sie radikal uneitel. Sie sucht die Herausforderung, nicht die Routine, sticht in Indie-Filmen (als lesbische Mutter in »The Kids Are All Right«, 2010) ebenso heraus wie in Blockbustern (»The Hunger Games: Mockingjay Part 1«, 2014).
Wenn ich gerade keinen Film drehe, dann ist mein Leben sehr ruhig.
Früher Außenseiterin, heute Weltstar
Moore weiß aus eigener Erfahrung, wie man sich als Außenseiterin fühlt. Sie hat sich selbst lange als Alien wahrgenommen, als jemand, der nicht dazugehört, was auch daran lag, dass ihr Vater bei der US-Armee war und die Familie ständig umziehen musste. »Ich war immer sehr klein, dünn, rothaarig und sommersprossig, also habe ich nicht so viel draußen gespielt wie andere Kinder«, vertraute sie »Harper’s Bazaar« an. »Ich war überhaupt nicht sportlich, ich war nie in der Cheerleader-Mannschaft.« Dadurch hatte die »Brillenschlange mit Sommersprossen« aber genügend Zeit, die anderen zu beobachten und viel zu lesen. Noch heute nennt sie als Inspiration all die Frauen, die sie auf den Straßen in New York sieht. »Mich inspirieren Menschen, die einen Sinn für sich selbst und Natürlichkeit haben«, sagt sie. Klar nimmt der Hollywoodstar regelmäßig die U-Bahn anstatt das Taxi.
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Was heißt schon schön?
Julianne Moore lässt sich nicht von Glamour blenden. Eine Gabe, die nur wenigen Schauspielerinnen beschert ist. Im Filmgeschäft gilt sie ohnehin als Spätzünderin, erst mit 36 Jahren gelang ihr der Durchbruch. 1998 landete sie ihre erste Oscar-Nominierung für ihre Rolle in »Boogie Nights« – als drogensüchtige Pornodarstellerin. Als sie eine Freundin nach Beauty-Tipps am Filmset fragte, antwortete sie abgeklärt: »Ganz ehrlich? Es ist das Licht. Es muss dich direkt anleuchten, dann siehst du am besten aus.«
Sommersprossen als Markenzeichen
Für Moore ist Schönheit eine Illusion. Etwas, das sich in der Mode und im Filmbusiness leicht konstruieren lässt. Innere Schönheit und Ausgeglichenheit hingegen sind Werte, die man selbst gestalten kann. Deshalb findet die 64-Jährige auch den Begriff »Anti-Aging« furchtbar. »Wir können nicht gegen das Altern sein. Wir haben keine Kontrolle darüber. Altern ist ein natürlicher, kontinuierlicher Prozess, der hoffentlich lange andauert. Ich möchte altern, ich möchte genau da sein, wo ich jetzt bin – mit all meinen Erfahrungen«, sagte sie kürzlich in der »Zeit«.
Mittlerweile sind ihre Sommersprossen ein Markenzeichen geworden, die sie nie überschminken würde. Es geht nicht darum, wahllos Schönheitstrends hinterherzulaufen, sondern die eigenen Besonderheiten zu feiern.
Nie ohne Sonnenschutzfaktor
Ihr wichtigstes Beauty-Geheimnis hat sie von ihrer Mutter, einer Schottin. Diese schärfte ihr schon als Kind ein, sich nie direkt der Sonne auszusetzen und immer eine Creme mit Lichtschutzfaktor zu verwenden. »Inzwischen weiß ich: Das war der beste Tipp, den je ein Mensch mir gegeben hat«, so Moore, die in Restaurants nicht auf der Terrasse sitzt und stets einen Sonnenhut trägt. Weitere Basics: täglich Vitamin-C-Serum, Retinol und Creme für den Hals.
Ihr bescheidenes Leben privat
Geld und Erfolg sind kein Antrieb für sie, um zufrieden zu sein. »Auch mit allem Geld der Welt brauchen wir Menschen in unserem Leben, die uneingeschränkt für uns da sind. Diese Menschen habe ich zum Glück gefunden und das ist alles, was zählt«, sagt die Schauspielerin.
Seit 2003 ist sie glücklich mit Ehemann Bart Freundlich, 54, verheiratet. Gemeinsam haben sie die Kinder Liv, 22, und Caleb, 26. Beweisen muss sie sich nichts mehr: »In meinem Alter geht es nur noch darum, im Moment präsent zu sein und seine Zeit zu genießen.«
Yoga? Ja! Detox? Nein!
Moore weiß auch beim Sport genau, was zu ihr passt. Sie macht seit 25 Jahren Ashtanga-Yoga, vier bis fünf Tage die Woche. »Ich bin wahrscheinlich ein fortgeschrittener Yogi. Die Leute sagen: ›Oh, das ist nicht möglich‹ und ich sage: ›Es ist möglich‹. Ich verbessere mich nicht sonderlich, ich mache es einfach, aber es bringt mir viel Seelenfrieden, wenn ich es mache.« Am liebsten trainiert sie in Studios ohne Spiegel. Detox und Diäten sind nicht ihre Sache.
Ich habe einmal eine Saftkur gemacht vor den Golden Globes. Das einzige Gewicht, das ich verloren habe, war in meinem Gehirn.
Auch beim Peelen ist sie pragmatisch: Sie benutzt schon lange raue Waschlappen, um am Abend ihr Gesicht zu reinigen.
Töpfern statt Partys
Es geht darum, Freude in den kleinen Dingen des Lebens zu finden. »Ein wirklich toller Tag ist, wenn ich aufstehe, etwas Yoga mache, dann vielleicht einem Hörbuch lausche, während ich mit dem Hund spaziere – und dann gehe ich töpfern«, betont sie. Was ihr am Töpfern gefällt: »Die Tatsache, dass ich es nicht sehr ernst nehme. Es ist etwas Körperliches, das ich tun kann, aber ich mache mir keine allzu großen Sorgen über das Ergebnis!« Auch da blitzt es wieder auf, dieses Fehlen von Eitelkeit. Die Gabe, ganz im Moment aufzugehen. Sich in Aufgaben zu vertiefen, anstatt dem eigenen Ego zu frönen.
Ihr Lebensmotto: Warum andere beeindrucken wollen? Die wahre Kunst liegt darin herauszufinden, was einen selbst glücklich macht. Egal, ob es cool ist oder nicht. »Je älter ich werde, desto mehr möchte ich authentisch ich selbst sein«, betont Moore, die versucht, ein bescheidenes Leben zu führen.
Regelmäßig kauft sie ein Jahr lang nichts Neues, um ihre Badezimmervorräte aufzubrauchen. Wenn sie nachkauft, dann gern von Marken, die Refills anbieten und von Frauen gegründet wurden. Außerdem setzt sie sich bewusst mit der Zusammensetzung von Produkten auseinander. So hat sie gelernt, dass das rote Pigment in Lippenstiften oft aus zerquetschten Insektenpanzern hergestellt wird. Deshalb setzt sie auf vegane Alternativen. Moore liebt es, Dingen auf den Grund zu gehen. Ein Leben ohne Lesen kann sie sich nicht vorstellen. Kein Wunder, dass Julianne Moore für viele eine Ikone ist. Sie ist das beste Beispiel dafür, wie jung es macht, wenn man im Kopf nicht altert.