Health-Trend: Algen als Beilage
In Japan kommen sie täglich auf den Tisch und auch bei uns werden sie immer beliebter. Dabei sind Algen schon seit der Steinzeit in Europa bekannt. Nun werden sie wiederentdeckt ob ihrer gesundheitsfördernden Eigenschaften – und ihres bemerkenswerten Geschmacks!
Eine kürzlich erschienene Studie der University of York und der University of Glasgow brachte Erstaunliches zu Tage: Bereits Europäer:innen der Jungsteinzeit ernährten sich regelmäßig von Seegras und Süßwasserpflanzen – bis ins frühe Mittelalter! Ergebnisse, die anhand von Messungen an mumifiziertem Zahnstein belegt wurden, aber auch von mittelalterlichen isländischen, irischen und bretonischen Gesetzen zum Sammeln von Algen untermauert wurden. Warum ist also etwas, das heute als »Superfood« gilt, so völlig in Vergessenheit geraten? Historiker:innen sind dabei, die Umstände, die dazu führten, zu klären. Wie vieles unterlagen Algen höchstwahrscheinlich auch Moden und galten irgendwann – als Alternativen wie Kartoffeln auf dem Speiseplan auftauchten – als undankbares Armenessen aus dem Meer. Während sie von (nordwest-)europäischen Speiseplänen vollständig verschwanden, erfreuen sie sich in Asien seit jeher ungebrochener Beliebtheit.
Alleskönner Algen
Dort herrscht teilweise ein echter Kult um die Kultur. Denn geerntet wird das grüne Gras heute hauptsächlich aus Aquakulturen, reduziert auf circa 150 Arten. Obwohl es unzählige Arten gibt und ihre Auswirkungen auf die Umwelt unglaublich sind (Stichwort Photosynthese), eignen sich nicht alle zum Verzehr. Während Biolog:innen hinsichtlich ihrer schier unendlichen Anzahl noch ob der Taxonomie streiten, kann man en gros zwischen Salz- und Süßwasseralgen unterscheiden. Vor allem erstere sind reich an Eiweiß, Ballaststoffen sowie Jod und erfreuen sich immer größerer Beliebtheit als echte Nährstoffbomben. In der Küche sind sie eine vielfältige Zutat, die durch ihren hohen Wasseranteil und niedrigen Fettgehalt punktet. Folglich sind sie auch besonders kalorienarm, was ein weiteres Plus auf einer langen Liste ist. Wie viele Nähstoffe in einer Alge stecken, hängt aber selbstredend von der jeweiligen Sorte ab. Aber nicht nur das ist entscheidend, sondern auch ihre Handhabung. Erst der richtige Gebrauch in der Küche macht den Seetang zum echten Superfood.
Meeresgemüse – die wichtigsten »Sorten« im Überblick
In heimischen Gefilden einer breiten Masse geläufig ist »Nori«: In getrockneter, gepresster und schließlich gerösteter Form umwickelt es Sushi wie Makis und verleiht diesen ihr einmaliges Aussehen. Dabei kommt der formidable Geschmack nur wenig zur Geltung. Schade eigentlich, denn Nori, was stellvertretend für mehrere Rotalgenarten steht, wartet mit einer milden und dennoch leicht würzig-pikanten Umami-Note auf. Dies ist dem Umstand seiner Herkunft geschuldet: Nori gedeiht am besten in Flussmündungen – und ist damit ein Kalzium-Booster, der gerade vegane Küche wunderbar ergänzen kann: Sein würziger Geschmack macht Salate um eine spannende Nuance reicher; die bereits gerösteten Blätter – die man an ihrer grünen statt roten Farbe erkennt – bringen ein Extra-Highlight und viel Abwechslung in die Küche. Ihr »Crunchy«-Effekt macht sie zu einem einmaligen Beiwerk und kann selbst hartgesottene Gemüseverweigerer:innen begeistern! Besonders reich an Jod ist wiederum Zuckertang: faserige Blätter, die riesengroß und am Rand pittoresk gekräuselt in dichten Wäldern auf dem Meeresgrund wachsen. Man findet ihn vermehrt im Nordostatlantik, unter anderem an den Küsten von Island, Norwegen, Großbritannien, aber auch Deutschland und Frankreich. Seinen Namen verdankt er seinem süßlichen Geschmack, dennoch eignet er sich ganz wunderbar als Suppeneinlage oder kann getrocknet über Salate gerieben werden. Versierte Gourmets kredenzen ihn gern zu Fisch oder als frittierten Snack für zwischendurch. Wegen seines unglaublich hohen Jodgehalts sollte man mit ihm aber vorsichtig umgehen und auf die unterschiedlichen Bezeichnungen achten: In Japan, wo Zuckertang besonders beliebt ist, kennt man ihn als »Kombu«, oft gelangt er auch als »Kelp« in den Handel. Besonders intensiv nach Meer schmeckt die Braunalge Wakame, die man als maritimes Äquivalent zur Auster bezeichnen darf. Die langen, feinen Federn finden sich vor allem in Salaten wieder, die viele von uns auch aus japanischen Restaurants kennen. Frisch zubereitet, roh oder gegart serviert, stellt Wakame einen idealen Salatbegleiter – als Sologänger wie auch als Beilage – dar. Während die bisher genannten drei Sorten vor allem aus der asiatischen aka japanischen Küche bekannt sind, glänzt die Ulva-Alge vor allem in der französischen Küche als Delikatesse und wird auch gerne vor Ort, in Küstennähe, geerntet. Dort wird sie als Meeressalat gereicht und ist auch unter dieser Bezeichnung bekannt. Der Leckerbissen erfreut sich großer Beliebtheit, was auch an der zarten und doch bissfesten Konsistenz liegt. Durch die Meeresströmung geformt, erinnert Ulva optisch an Kopfsalat, inhaltlich jedoch mehr an Spinat und Sauerampfer.
Form folgt Funktion
Während die genannten Algenarten im Meer beheimatet sind, machen in den letzten Jahren vermehrt zwei Süßwasseralgen von sich reden: Chlorella und Spirulina. Beide zählen zu den Mikroalgen, die vor allem in Nahrungsergänzungsmitteln verarbeitet werden, da sie viel Eisen, Folsäure und Vitamin B12 enthalten. Das heißt aber noch lange nicht, dass man ihnen den Einzug in die tägliche Essensroutine verwehren muss: Als Pulver lässt sich gerade Spirulina wunderbar in den Morgen-Smoothie mixen! Diese besondere Spielart der Verwendung spiegelt die Vielfältigkeit des Seetangs wider. Das kulinarische Einmaleins des Meeresgemüses beinhaltet vor allem frische, getrocknete oder gepresste, zu Blättern geformte Algen. Unabhängig davon, für welche Form man sich entscheidet, sollte man auf höchste Güte achten: Algen sind empfindliche Wesen, die – vergleichbar mit Pilzen – Schwermetalle wie ein Schwamm aufnehmen. Die Wasserpflanzen betreiben Photosynthese, verwandeln so Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff und fungieren quasi als Kläranlage. Sie können unserem Körper Gutes tun, aber nur bei höchster Qualität und in Maßen. Wie stets, macht die Dosis das Gift – oder wie in diesem Fall: die kulinarische Medikation.