Sich selbst „zum Allmächtigen erheben“, wenn man in einer Irrenanstalt im besetzten Polen 1941 über Leben und Tod entscheidet. Zu hinterfragen, ob das Tötungsverbot auch für Menschen wie Nicolae Ceausescu gilt. Aus dem vierten Gebot, in dem steht, dass man Vater und Mutter ehren soll, ein Stück darüber machen, dass 80-Jährige per Gesetz umgebracht werden, um das Sozialsystem nicht zu belasten. Aber auch das Diebstahlgebot humorvoll auf Eifersüchteleien in einer Gemäldegalerie umlegen: Die Sommerspiele Melk haben heuer zehn namhafte Autoren damit beauftragt haben, je ein Dramolett zu einem der 10 Gebote vorzulegen.

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Fragen über Leben und Tod

Entstanden ist ein vielseitiger Abend, der in seiner Drastik teils die Kehle zuschnürt, teils lachen lässt, jedenfalls aber intensiv ist und unter die Haut geht. Da lässt Bernhard Aichner in „Geregelte Verabschiedung“ zwei alte Menschen ihre Wächter bitten, sie nicht zu ermorden. Doch einst waren sie es selbst, die für ein Gesetz gestimmt haben, das besagt, dass Betagte umgebracht werden sollen. Dass der eine Wächter ihr Sohn ist, erhöht die Drastik natürlich noch mehr.

Auch Feridun Zaimoglus und Günter Senkels Stück sorgt für Beklemmungsgefühle im Publikum, lassen sie doch SSler über die Vorteile von Tötungen im Gas-Laster gegenüber jenen durch Erschießung diskutieren. Währenddessen spricht die „Mizzi Mausi" von der Truppenunterhaltung über den aktuellen Heinz-Rühmann-Film.

Alle Stücke spielen im Einheitsbühnenbild

Regisseur Alexander Hauer lässt alle Dramolette in einem Einheitsbühnenbild aus Holzpawlatschen ablaufen, die teils mit Graffitis besprüht sind. Erst im letzten Stück erfährt man warum. Es soll an dieser Stelle nicht zu viel verraten werden.

Otto Lechner am Akkordeon

Otto Lechner begleitetet den Abend am Akkordeon. Mit seiner Musik leitet er atmosphärisch jeweils in das nächsten Dramolett der Sommerspiele Melk über. Teils untermalt er sich auch durch seine Klänge. Lachen kann man über die vielen Anspielungen in Eva Rossmanns „Be Divine“, in der ein Geschäftsmann Glück in Dosen à 5,99 Euro verkauft – und doch eigentlich nur Luft abfüllt. Welches Gebot hier Vorbild war? Jenes zum Namensmissbrauchsverbot.

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Facettenreich ist Susanne Felicitas Wolfs Beitrag zum Sonntagsruhegebot, in dem sie Typen auftreten lässt: Einer, der den ganzen Sonntag im Bett bleibt – und sicher nicht Parks „zerjoggt“. Zwei, die sich über das Beten austauschen. Eine, die vereinsamt. Und eine Mutter, die wegen des Sonntagszuschlags bis zum Umfallen arbeitet und doch eigentlich nur ihre Kinder sehen möchte.

Für viele Schmunzler sorgt Stephan Lacks Stück zum Diebstahlverbot, in dem er aus den Schauspielern Gemälde werden lässt, die eifersüchtig aufeinander sind und denen wichtig ist, ein Original zu sein. Julya Rabinowich hat sich mit dem Thema Fake News und Social Media auseinandergesetzt, Paulus Hochgatterer mit der Orientierungslosigkeit Jugendlicher.

Facettenreicher geht es also kaum, wenn man in Melk das 60-Jahr-Jubiläum der Sommerspiele in der Wachau-Arena vor der Stiftskulisse ablaufen lässt. Die zehn Gebote reloaded, wenn man so will.

Weitere Infos: Sommerspiele Melk

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