Es ist eine doppelte Heimkehr, wenn Martina Serafin im Steinbruch St. Margarethen die Titelpartie in Turandot singt. Einerseits, weil sie durch ihre Eltern und ihre Kindheit mit der Gegend verbunden ist. Andererseits, weil die Prinzessin in Giacomo Puccinis Oper eine Paraderolle der Sopranistin darstellt. Sie hat sie bereits an der Metropolitan Opera New York, der Arena di Verona sowie in Zürich, Torre del Lago und Bilbao gesungen.

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Martina Serafin singt die Isolde an der Staatsoper

Die Sängerin spricht mit der BÜHNE über eine ihrer Lieblingspartien, die sie ab 14. Juli in der Inszenierung von Thaddeus Strassberger auf der riesigen Bühne des Steinbruchs singt. Und sie blickt gemeinsam mit uns voraus auf Isolde, die sie in Richard Wagners „Tristan und Isolde“ ab April kommenden Jahres an der Wiener Staatsoper interpretieren wird.  

Die Turandot ist für Sie eine Paraderolle. Was mögen Sie an der Partie?

Martina Serafin: Einerseits fühlt sich meine Stimme sehr wohl damit, andererseits ist sie eine Frauenrolle, die eine Entwicklung durchmacht – sie ist anfangs sehr kalt und selbstsicher, später wird sie weicher, auch weiblich zart. Es ist sehr interessant, diese Gegensätze herauszuarbeiten. 

Was liegt Ihrer Stimme dabei besonders?

Martina Serafin: Ich fühle mich Puccinis Musik sehr verbunden, er ist ein Komponist, der mir am Herzen liegt und der für meinen Typ geschrieben hat, wie ich auch bei Tosca und Manon Lescaut sah. Die Turandot hat viele aufschwingende Höhen. Auch einiges an Mittellage, sie verlangt der Stimme viel ab und man muss gut ausbalancieren. Aber sie gibt bei aller Herausforderung auch große Genugtuung.

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Wo haben Sie die Partie bisher besonders gerne gesungen?

Martina Serafin: Natürlich an der MET in der traditionellen Zeffirelli-Inszenierung, aber auch in der Arena di Verona. Auch an das Rollendebüt, das in Torre del Lago konzertant stattfand, habe ich sehr schöne Erinnerungen.

Die Besucher:innen von Turandot in der Oper im Steinbruch St. Margarethen erwartet ein opulentes Bühnenbild.

Foto: Esterhazy/Jerzy Bin

Turandot als Besessene

Inwiefern hat sich Ihre Interpretation der eiskalten, unerbittlichen, aber auch rätselhaften Prinzessin über die Jahre verändert?

Martina Serafin: Anfangs habe ich sie sicher noch kälter gespielt und versucht, die maximale Dramatik in die Partie hineinzubringen. Über die Jahre und durch die Zusammenarbeit mit mehreren Regisseuren empfinde ich sie heute mehr wie eine besessene Frau, die von der Seele ihrer getöteten Ahnin beherrscht wird. Sie hört immer deren Schrei und fühlt sich verpflichtet, ihren Tod zu rächen, indem sie alle Männer hasst. Wenn Puccini aber, wenn Turandot singt, dass sie niemand je besitzen wird, mit großer Orchestrierung auffährt, lässt mich das darüber nachdenken, dass sie auch eine junge Frau ist, die geliebt werden will.

Welche neuen Impulse gab es diesmal durch die Regie von Thaddeus Strassberger?

Martina Serafin: Das war eine sehr interessante, intensive Arbeit. Er arbeitet bis zum Schluss in enger Kooperation mit den Künstlern. Gerade der Tod der Liu, die ihre Seele Turandot gibt, trifft meine Figur. Sie spürt eine starke Veränderung und wird auf einmal ganz weich. Sie bemerkt die Liebe, die Liu empfindet. Hier hat Thaddeus sehr schön ausgearbeitet, wie eine große Entwicklung passiert.

Inwiefern nehmen Sie den Charakter im Steinbruch, den Sie schon von Tosca (ebenfalls eine von Serafins Paraderollen, die sie in St. Margarethen 2015 interpretierte, Anm.) her kennen, anders wahr oder sind Sie anders gefordert?

Martina Serafin: Natürlich braucht der Steinbruch eine andere Singweise als ein geschlossenes Theater, aber wir hatte eine lange Probenzeit und die Möglichkeit, uns technisch gut drauf vorzubereiten. Wir haben gut am Sound gearbeitet. Für mich hat der Steinbruch eine ganz besondere Atmosphäre. Außerdem bin ich der Gegend sehr verbunden, in der ich als Kind viele Jahre war, als meine Mutter in Mörbisch sang. Da gibt es wunderschöne, unvergessliche Kindheitserinnerungen. Es ist schön zurückzukommen, man riecht den See. Hier herrschen Urlaubsatmosphäre und ein Klima, das einen entspannt. Hier zu arbeiten finde ich wirklich schön.

Opernsängerin Martina Serafin singt Turandot aus Puccinis gleichnamiger Oper in der Oper im Steinbruch St. Margarethen. Mit dieser Partie stand sie auch schon in der New Yorker Met auf der Bühne.

Foto: Esterhazy/Jerzy Bin

Imposanten Bühnenbild und stimmungsvolle Projektionen

Man hört, dass der elfenbeinfarbene Palast, in dem Turandot wohnt, zur Projektionsfläche wird, beispielsweise für chinesische Schriftzeichen und goldgelbe Drachen. Inspiriert sie das und wie agiert man in diesem Bühnenbild?

Es wird sogar noch mehr projiziert, Feuer, Regen, Blumen, je nach seelischer Verfassung des Sängers oder der Sängerin. Das ist natürlich wunderschön. Nach dem Kuss von Turandot und Calaf wird der Palast ein Blumenmeer, um die Befreiung und die große Veränderung zu unterstreichen. Es ist viel fürs Auge dabei. Ich finde schön, dass sich die Regisseure heute dieser Mittel bedienen, weil man dadurch viel mehr machen kann. Man kann auch viel schneller Stimmungs- und Szenenwechsel machen. Das hilft uns Künstlern, weil wir auf so einer riesigen Bühne nicht mehr als ein Punkt sind. Die Projektion unterstützt uns dabei, das Publikum an den Gefühlen der Figuren teilhaben zu lassen. 

Im kommenden April werden Sie Richard Wagners Isolde an der Wiener Staatsoper singen? Welche Gefühle verbinden Sie mit dieser Premiere unter dem Dirigat von Musikdirektor Philippe Jordan und in der Regie von Calixto Bieito?

Eine größere Ehre kann es nicht geben als dieses Werk an der Wiener Staatsoper und mit dem wunderbaren Orchester singen zu dürfen. Ich kann es kaum erwarten, es zu erarbeiten. Ich habe „Tristan und Isolde" ja schon mit Andreas Schager und René Pape unter Philippe Jordan in Paris gemacht – und ich hätte mit Calixto Bieito in Paris arbeiten sollen, was covidbedingt abgesagt werden musste. Umso mehr freue ich mich, dass es jetzt klappt. Es wird sicher einer der schönsten Momente meiner Karriere. 

Zur Person: Martina Serafin

Zum Repertoire von Martina Serafin zählen Werke von Puccini bis Strauss, von Verdi bis Wagner. Es umfasst zudem die Rosenkavalier-Marschallin, Manon Lescaut, Abigaille, Sieglinde, Elsa, Lady Macbeth. Die 51-jährige Opernsängerin sang an Häusern wie der Mailänder Scala, der Deutschen Oper Berlin, dem Teatro La Fenice in Venedig, der Hamburgischen Staatsoper, der Oper Zürich und dem Londoner Royal Opera House Covent Garden.

Weitere Infos

Turandot im Steinbruch St. Margarethen

Tristan und Isolde Wiener Staatsoper

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