„Für mich ist Theater eine Empathie­maschine“, schreibt der britische Dramatiker Simon Stephens im Vorwort zu seinem Stück „Am Ende Licht“. Der ständig wachsenden Bedeutung von Misstrauen und Spott im politischen und gesellschaftlichen Diskurs möchte er Freundlichkeit, Menschlichkeit und Güte entgegensetzen. „Aus einer Liebe den Menschen gegenüber“ entwickelt auch die in Hamburg geborene Regisseurin Lilja Rupprecht ihre Inszenierungen. „Sprechen und Spielen als der Versuch, sich ins Leben zu bringen, zu kämpfen, zu leben, zu überleben, zu verändern, wirksam zu sein, zu bearbeiten und auch zu scheitern.“ Ab 24. Februar ist ihre Inszenierung von „Am Ende Licht“ im Akademietheater zu sehen.

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Die Ähnlichkeit der Herangehensweisen könnte auch einer der Gründe dafür gewesen sein, warum der gemeinsame Weg der Stückfindung in diesem Fall ein sehr leichter und schöner war. „Das ist nicht immer so“, ergänzt Lilja Rupprecht lachend. „Vor allem dann nicht, wenn man sich gerade erst kennenlernt.“ „Am Ende Licht“ ist ihre erste Arbeit am Burgtheater. 

Ein gemeinsamer Sprachraum

In seinem Stück zeichnet Simon Stephens mit klaren, einfachen Worten das Porträt einer Familie. Ausgangspunkt ist der plötzliche Tod einer Frau namens Christine. Während sie vor einem Supermarktregal zusammenbricht, gehen ihre Kinder und ihr Ehemann alltäglichen Beschäftigungen nach. Fast schon collagenartig führt der in London lebende Autor die Gespräche der einzelnen Protagonist*innen auf einer Ebene zusammen. „Durch die Gleichzeitigkeit der Szenen entsteht ein gemeinsamer Sprachraum, in dem nicht immer klar ist, wer sich mit wem unterhält. Aus vielen einzelnen Gesprächsfetzen entwickelt sich ein gemeinsames Sprachgewebe über die Alltäglichkeiten des Seins, gerahmt von Leben und Tod“, beschreibt Lilja Rupprecht die formalen Besonderheiten des Textes.

Zur Person: Lilja Rupprecht

Die gebürtige Hamburgerin war von 2005 bis 2009 Regieassistentin am Thalia Theater Hamburg.
Ab 2009 studierte sie Regie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin.
Seither inszeniert sie u. a. am Deutschen Theater Berlin, an der Schaubühne Berlin, am Volkstheater München, am Schauspiel Frankfurt, am Staatstheater Hannover und am Schauspiel Köln. 

Die Probebühne als Labor

Geht es nach der Regisseurin, schwingen in diesem Ansatz noch ganz andere Fragestellungen mit: Wer sind wir? Wie sind wir dazu geworden? Was davon ist der individuelle Kern, was Erziehung und transgenerationale Muster? Wo finden wir Halt und Geborgenheit? 

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„Schließlich beziehen wir uns ständig auf jemand anderen, auch wenn wir die Person vielleicht gar nicht kennen“, fügt sie daran anknüpfend hinzu.

Es ist ein surrealer Raum, durch den sich die Figuren in Lilja Rupprechts Inszenierung bewegen und auszuloten versuchen, wie Menschsein funktioniert. „Im Grunde beschreibt Simon Stephens die Geschichte von uns allen“, bringt sie es auf den Punkt. Die Art und Weise, wie er das tut, ist von ebenjener Fürsorglichkeit und Versöhnlichkeit geprägt, die er im Vorwort zum Stück beschreibt. 

Theater als Empathiemaschine

Foto: Moritz Grewenig

Auch die gemeinsame Arbeit an einem Stück sollte in einem möglichst offenen und angstfreien Raum stattfinden, ist Lilja Rupprecht überzeugt. Nur wenn sich alle Beteiligten eingeladen fühlen, ihre Fantasien preiszugeben und Dinge auszuprobieren, entsteht jener Labor­charakter, den sich die Regisseurin wünscht. Dadurch ergibt sich eine weitere Verbindung zum Stück. „Auch hier begegnen wir Menschen, die sich ausprobieren, um ihre Identität zu erforschen und zu dem zu werden, was sie sind.“

Zu den Spielterminen von „Am Ende Licht" im Burgtheater