Dann hat es BUMM gemacht. Lotte de Beer ist schnell. Schlau. Ihr umwerfender Charme ist eine Waffe und ihre Begeisterung die Munition dazu. Dass das die Frau verdächtig machen muss, war klar. „Jetzt schau ma mal, ob sie auch liefert“, hieß es bald nach ihrem Antritt. BÄM (Zitat Fernsehkoch Tim Mälzer und eine Variante des obigen Bumm): Lotte de Beer hat. Das Programm für ihre erste Saison ist durchflutet von einer unglaublichen Leichtigkeit – in der Auswahl der Stücke, der Regisseur*innen und der Besetzung.

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Es wird (außer der Blitz schlägt ein) das bestehende Publikum begeistern und neue Ziel­gruppen erspielen. Es ist wie eine rosarote Prinzessinnentorte aus der Kindheit, in die man unbedingt den Finger reinstecken muss, um von der Glasur zu kosten. Sie merken: Uns gefällt, was Lotte de Beer und ihr Team präsentiert haben.

Wie oft haben Sie den Satz „Das haben wir noch nie so gemacht“ schon gehört?

Wir Niederländer haben mit solchen Sätzen keine Tradition. Ich sage dann immer: Das stimmt, aber trotzdem versuchen wir es jetzt einmal anders.

Sie haben spannende Regie-Teams geholt. Viele sind international höchst erfolgreich. Wie stellt man die auf die Volksoper ein?

Ich habe allen gesagt: Kommt nach Wien, kommt zur Volksoper. Schaut euch im Haus um, schaut euch in der Stadt um. Macht nicht nur eine Show für das Publikum, das kommen könnte, sondern auch für jene, die schon da sind. Und denkt darüber nach, wie man den Menschen hier die Hand ausstrecken kann, um sie in eine andere Welt mitnehmen zu können.

Sie starten mit Millöckers „Die Dubarry“. Wie gelang es Ihnen, Harald Schmidt – neben Annette Dasch – für die Rolle von König Ludwig XV. zu engagieren?

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Jan Philipp Gloger hatte eine sehr genaue Vorstellung, wen er neben Annette haben wollte. Ich habe ihn dann gefragt, ob wir da überhaupt eine Chance haben ... na ja, und Jan dürfte den richtigen Ton getroffen haben, und so hat Harald Schmidt seinen Terminkalender für uns geändert.

Die Spielzeit 2022/23 wird wie ein knallbunter, wunderschöner Schmetterling aus Zuckerguss
Lotte de Beer am Sofa in der Probebühne der Volksoper während des durchaus launigen BÜHNE-Interviews.

Foto: Andreas Jakwerth

Wie wird „Die Dubarry“ sonst? So, wie Barrie Kosky Operette in Berlin macht?

Jan Philipp Gloger ist kein Barrie Kosky, er hat sei­nen ganz eigenen Stil: sehr schlau und sehr humor­voll. Wir stellen in dieser Operette die Frage, wie Frauen von der Gesellschaft gesehen werden. Gloger beginnt damit im Heute, wechselt in die 1930er­-Jahre, dann ins Wien des 19. Jahrhunderts, um schließlich in der Zeit von Ludwig XV. anzu­kommen. Es ist eine Zeitreise – mit tollen Kostümen, wunderbaren Operettenbildern und einer hoch spannenden, intellektuellen Frage, die er auf lustige Weise beantwortet.

Ich habe zu allen Teams gesagt Macht bloß nicht nur eine Show für die Menschen, die kommen könnten.

Lotte de Beer

„Der Nussknacker“ und der Operneinakter „Jolanthe“ waren bei ihrer Uraufführung noch vereint, dann wurden sie getrennt und 2016 von Dmitri Tcherniakov in Paris wieder zusammengeführt – so, wie Sie es jetzt machen.

„Jolanthe“ war immer ein Herzensstück von mir – ein Werk über jenen Lebensabschnitt, in dem man sich entscheiden muss: Bleibe ich eine blinde Prinzessin, oder öffne ich meine Augen und blicke die Welt an. Das ist der Grund, warum ich noch immer Kunst mache. Und „Der Nussknacker“ ist ein Stück über die Fantasie und die Schönheit des Moments, über die Überraschungen des Lebens. Ich wollte die beiden verbinden, und dann habe ich erfahren, dass es Tcherniakov in Paris gemacht hat – und dann wollte ich es sein lassen. Aber das war ein Ego­ Gedanke. (Lächelt.) Omer Meir Wellber und ich werden es gemeinsam dem Choreografen Andrey Kaydanovskiy ganz anders erzählen – wir werden daraus eine Coming-of­-Age­-Geschichte machen.

Maurice Lenhard, der vor vielen Jahren Ihr Assistent war, wird die „Dreigroschenoper“ inszenieren – mit Sona MacDonald, die eine ausgewiesene Kurt-Weill-Spezialistin ist. Was erwartet uns da?

Maurice hat eine unglaubliche Begeisterung und einen sehr analytischen Blick. Er hat eine so un­glaubliche Menge an Energie, die man nur in diesem Alter hat, und ich wollte an meiner Seite eine Person, die auch ein junges Korrektiv ist und die auch einmal sagt: „Wir müssen jetzt rausgehen und im Super­markt weiterspielen.“ Das muss man dann nicht machen – aber man ist gefordert, nachzudenken. Maurice wird auch das Opernstudio übernehmen und alle Outreach­-Projekte. Aber zurück zum Stück: Er und Sona haben sich künstlerisch einfach ineinander verliebt, und sie wird den Macheath – also Mackie Messer – spielen.

Die Theaterclowns Spymonkey haben am West End in Vegas Sensationserfolge gefeiert. Jetzt lassen Sie sie Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ inszenieren. Wie kam das?

Sehr oft sitzt man im Theater und denkt sich: Das ist jetzt gar nicht so witzig. Aber wie witzig kann man in einem Theater überhaupt sein? Das frage ich mich oft, und am Weg zur Antwort habe ich die Spymonkey­Truppe gefunden und mit ihnen Gespräche begonnen. Sie haben ja eine sehr große Opernaffinität, zudem unglaublich viel internatio­nale Erfahrung. Sie arbeiten auch sehr anders. Die kann man nicht holen und sagen: „So, in sechs Wo­chen ist die Show da.“ Sie waren bereits mehrmals in Wien und haben Workshops gemacht, und wir lagen vor Lachen teilweise unter dem Tisch. Leider ist vergangenen Sommer Stephan Kreiss (Anm.: einer der Spymonkey-Gründer) völlig unerwartet verstorben. Er hatte sich so gefreut, in seiner künstlerischen Heimatstadt etwas zu machen. Toby Park und Aitor Basauri machen aber weiter, in seinem Andenken.

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Moritz Eggert hat Faxe vertont, ein geniales Fußballoratorium geschrieben. Ich halte ihn für einen der lustigsten lebenden Komponisten – obwohl er Deutscher ist. Aber passt er zur Volksoper?

Ich liebe Moritz, weil er so undogmatisch komponiert. Ich glaube, bei manchen modernen Komponisten ist es so, dass sie einen Stil haben, und der ändert sich nicht – alles ist sehr kopfig. Moritz ist ein Theater­mensch, und seine Musik ist eine Äußerung einer Geschichte, ihrer Emotion. Ich dachte mir: Es muss doch so etwas wie eine neue Operette geben,
wir müssen an deren Zukunft arbeiten. Wir haben miteinander lange darüber gesprochen, was Operette haben muss und was nicht. Und wir haben über Offenbach – den Godfather der Operette – gesprochen und wie er die unverständliche, bedrohliche Welt da draußen auf die Bühne gestellt hat, und zwar so, dass man darüber lachen konnte. Und genau so eine Zeit haben wir jetzt wieder.

Maria Happel wird kommen und das Lachen in der ‚Fledermaus‘ auffrischen.

Lotte de Beer

Können Sie uns ein bisserl mehr verraten?

Es wird eine Operette über Verschwörungstheorien, die plötzlich wahr werden, mit großem Show-­Ballett, mit großem Chor, mit Jugendchor und 24 ver­schiedenen Bühnenbildern und einer grandiosen Geschichte. Wir haben das Werk vor zwei Wochen hier am Haus präsentiert, und Menschen mit großer Operettenerfahrung haben gesagt: Das ist toll, warum ist das nur fünfmal angesetzt?

Tony-Award-Gewinnerin Rae Smith, die mit Tom Morris „War Horse“ gemacht hat, zeichnet für das Bühnenbild der „Lustigen Weiber von Windsor“ verantwortlich, und Nina Spijkers inszeniert. Das wird bunt ...

Ich habe auch zuerst „War Horse“ gesehen und mir gedacht: Wer ist diese Rae Smith? Hab dann ihren „Onkel Wanja“ gesehen. Es ist bei ihr so, als würde man stets eine neue, andere Welt betreten. Auch ist sie so wunderbar undogmatisch in ihrem Denken – und das liebe ich. Wenn man mit ihr zusammen­ sitzt, dann ist sie offen wie ein Kind – aber eines, das bereits den Tony Award gewonnen hat. (Lacht.) Und gemeinsam mit Nina Spijkers wird Rae Smith ein sehr buntes, witziges und feministisches Stück schaffen. Außerdem kann man es mit all unseren Ensemblemitgliedern ganz großartig besetzen.

Die Spielzeit 2022/23 wird wie ein knallbunter, wunderschöner Schmetterling aus Zuckerguss
Künstlerische Direktorin Lotte de Beer und Musikdirektor Omar Meir Wellber

Foto: David Payr

Nurkan Erpulat hat bereits einen Nestroy erhalten – für die beste Off-Produktion im Werk X. Aber von dort zur Volksoper ist es kein logischer Sprung, oder?

Das kommt darauf an, wie offen man das sieht. (Lacht.) Ich habe „Verrücktes Blut“, ein Stück, das er inszeniert hat, in einem Raum gesehen, in dem nur fünfzig Menschen Platz hatten. Das hat mich schwer beeindruckt. Er – als gebürtiger Türke – hat dann im Gespräch gesagt: Lass mich doch die Türkenoper von Mozart machen.“(Lacht.) Er hat auch eine sehr interessante Idee betreffend der Rolle des Bassa Selim – aber mehr sage ich noch nicht dazu.

Maria Happel wird die „Fledermaus“ bürsten, und für den Tevje in „Anatevka“ holen Sie Dominique Horwitz. Wie das?

Weil Horwitz nicht nur ein wunderbarer Schau­spieler ist, sondern auch ganz großartig Jacques Brel singt. Und weil er wie Tevje ein zutiefst positiver Mensch ist. Und Maria Happel wird kommen und schauen, ob man das Lachen in der „Fledermaus“ ein wenig auffrischen kann. Das gilt auch für die Harry­-Kupfer-­„Bohème“, die seine ehemalige Assistentin Angela Brandt ein bisschen renovieren wird.

Wir müssen leider zum Ende kommen.

Kurz noch zwei Kooperationen, die wir institutio­nalisieren wollen: die Zusammenarbeit mit den Festwochen und mit der Vienna Pride. Außerdem die Konzertreihe von Omer Meir Wellber, und für das Eröffnungswochenende haben wir auch so viele Pläne! Schade, dass wir jetzt Schluss machen müssen ...

... machen wir ja auch nicht – nur Pause. Danke für das Gespräch.

Das komplette Spielzeitbuch 2022/23 lässt sich hier durchblättern:

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