Andreas Binder: Ich bin Autor. Lieder sind meine Gedichte.
Die Band Salò sind Stars der Indie-Szene – derzeit polieren sie aber mit ihren Songs Sargnagels „Opernball“-Stück auf. Wir haben uns mit Mastermind Andreas Binder getroffen und über Thomas Bernhard unterhalten.

Foto: Petramer/Rabenhof
In Wien kracht’s. Am Burgtheater jagt Nils Strunk mit seiner „Schachnovelle“ und seiner „Zauberflöte“ seit Monaten die Auslastungszahlen in die Höhe. Wer dafür Karten ergattern kann, für den ist es wie Weihnachten. Noch nie zuvor wurden so genial und charmant Musik und Klassiker verbunden. Konkurrenz schien keine in Sicht. Wie auch! Strunk macht seinen Job einfach zu gut. Aber draußen im Gemeindebau in Erdberg braut sich was zusammen. Dem Theater im Rabenhof rennt das Publikum nämlich die Tür ein. Der Grund: das großartige Stefanie-Sargnagel-Stück „Opernball“.
Ganz in Weiß
2024 war die Ausnahmeschriftstellerin Gast beim Event, auf Einladung der Oper, die wusste, dass Sargnagel den Ball komödiantisch verarzten würde. Die Operation ist gelungen. Das Stück ist ein Meisterwerk. Die Regie (Christina Tscharyiski) und ihr Ensemble (Laura Hermann u.a.) brillieren. Karten gibt es erst wieder für die Vorstellungen ab 13. Oktober.
Das liegt auch am musikalischen Sidekick. Ein Mittdreißiger, der im weißen Showanzug in den Textpausen mit seiner Band Vollgas gibt. Die Songs sind schnell, witzig und klug. Wie es klingt? Nennen wir es Deutschpunk. Dazwischen sitzt der Entertainer auf einer Leberkässemmerl-Schaukel und Barhockern und lässt charmant leise Hintergrundmusik dudeln.

Foto: Pertramer/Rabenhof
Apollonia und die Nosferatu-Invasion
Der Dean Martin aus der Vorstadt ist Andreas Binder, und er und seine Band heißen Salò. In der Szene sind sie mittlerweile echte Stars – und das nicht nur in Österreich, sondern vor allem auch in Deutschland. Ihren bis dato größten Hit, „Apollonia sitzt bei Edeka an der Kassa“, müssen Sie nicht kennen. Aber nachhören sollten Sie ihn unbedingt, ebenso „Universal Punks Fuck Off“. Wir treffen Andreas Binder an einem Donnerstag im Gasthaus Quell im 15. Bezirk.
„An sich wäre heute mein Lesetag. Ich wollte 200 Seiten schaffen. Aber wir haben derzeit eine Nosferatu-Spinnen-Invasion in unserer Wohnung. Daher mache ich jetzt unseren Termin und gehe dann in den Baumarkt“, sagt Binder gleich zur Begrüßung. Alles klar. Der Mann versteht es zu verblüffen und legt los: „Holzfällen“ an der Burg möchte er unbedingt sehen, „weil ich gerne wissen will, wie sie den Text zeitgemäß hinbekommen haben“.
Da sitzen wir also im Tschocherl und reden ohne Anlauf über Literatur und das Burgtheater. Er lächelt: „Ich sehe mich als Schriftsteller – ich schaffe es nicht, ein Instrument zu lernen.“

Foto: Pertramer/Rabenhof
Bonjour tristesse
Binder kommt aus Leibnitz in der Steiermark. Hat studiert und lebt seit Jahren in Wien.„Ich bin postmoderner Autor, weil alle meine Texte inspiriert durch Bücher oder Filme sind. So vor fünfzehn Jahren, in meiner Bernhard-Phase, habe ich versucht, lange Sätze zu faken. Aber die Kurzform der Songtexte ist mein Mittel zum Zweck, ich kriege die Langform einfach nicht hin. Lieder sind wie Gedichte. Sie können etwas, was Film und Co nicht schaffen: Lieder werden öfter konsumiert. Ich lese auch kein Buch zweimal – außer vielleicht ‚Bonjour tristesse‘.“
Instagram hat er gelöscht und liest stattdessen Bret Easton Ellis auf dem Handy. Bücher kauft er manisch, „um Wissen zu finden, von dem ich glaube, dass ich es vielleicht brauche. Aber ich habe mir beigebracht, immer nur ein Buch nach dem anderen zu lesen.“
Würde ihn Schauspiel interessieren? „Es fühlt sich körperlich schlecht gespielt an. Als würde ich die falsche Gestik und Tonlage haben. Meine Regisseurin hat mir geraten, dass ich mal mit deutlicherem Sprechen beginnen soll. Das tue ich jetzt.“
Lacht und verabschiedet sich in Richtung Baumarkt.