Toby Park aus „Orpheus in der Unterwelt“

Lasst die Spiele beginnen

Wo Spymonkey draufsteht, ist viel Theater drin. Aber auch eine ganze Menge Physical Comedy und Clownerie. Das ­ergibt einen sprudelnden Cocktail aus exquisiten Bühnenzutaten, der nun Offenbachs „Orpheus“ in neues Licht taucht. Weiterlesen...

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1. Beim Geigespielen müssen Sie nur Ihr Instrument, beim Dirigieren ein ganzes Orchester und alle Sänger*innen im Griff haben. Warum tun Sie sich diese Arbeit also an?

Das habe ich mich auch gefragt. (Lacht herzlich auf.) Ich habe immer gesagt: Eines werde ich sicher nicht machen: Opern dirigieren. Warum? Weil es so viel Verantwortung ist. Es steht und fällt mit dem Dirigenten. Aber dann hat mich Omer Meir Wellber angerufen und gesagt: „Wenn du als Dirigent wirklich ernst genommen werden willst, dann musst du auch Opern dirigieren.“ Na gut, habe ich gesagt und mir – aus lauter Respekt und Demut vor der Aufgabe – für die Vorbereitung ein Jahr Zeit genommen.

2. Wie ist das, wenn man als Musiker am Dirigentenpult besser weiß, wie etwas richtig zu spielen ist, als die im Graben?

Ich spüre schon ein gewisses Vorschussvertrauen, das mir entgegengebracht wird. Aber das hält nur an, wenn das Orchester merkt, dass da ein echter Dirigent vorn steht und nicht einer, der nur herumfuchtelt. Es gibt keine automatische Qualifikation, dass man als erfolgreicher Solist auch dirigieren kann. Mariss Jansons hat mir ins Gewissen geredet und gesagt: „Wenn du das Dirigieren wirklich willst, dann studier das ordentlich und jahrelang.“ Daran habe ich mich gehalten.

3. Willi Boskovsky dirigierte seine Konzerte wie Johann Strauss mit der Geige in der Hand. Sie jetzt auch?

Ich mache das ja schon seit Jahren! (Lacht.) Ich finde es reizvoll, weil das Orchester ohne Dirigent nicht dieselbe Sicherheit verspürt, als wenn einer da ist. Die Verantwortung für jeden Musiker ist größer, das Gemeinsam-Atmen und -Spielen ist anders. Das gefällt mir. Ich versuche aber, die beiden Jobs für mich wieder zu trennen. Es liegt auch daran, dass ich mittlerweile 70 Prozent der Konzerte dirigiere und nur 30 Prozent spiele.

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4. Es ist von Vorteil, wenn man als Komponist auch ein guter Dirigent ist. Wäre das Komponieren etwas für Sie?

Das kann ich zu 100 Prozent ausschließen. Ich versuche immer wieder, neu zu definieren: Was kann ich, und was kann ich nicht? Die Grenzen verschieben sich, weil ich neugierig bin. Aber Komponieren wird es nicht. Wenn ich mir etwas wünsche oder vornehme, dann dass ich im nächsten Leben Cellist werde.

5. Warum?

Man kann mit dem Cello Farben malen, die man mit der Geige nie zusammenbringt. Deswegen spiele ich ja auch Bratsche, das ist für mich als Geiger das einzig mögliche Instrument, mich dem Cello anzunähern.

6. Wie lustig ist es eigentlich, den „Figaro“ zu dirigieren – so lustig wie das Stück selbst?

Ich sage es ehrlich: Ich hatte noch nie so eine Freude beim Einstudieren wie beim „Figaro“. Noch nie! Der „Figaro“ ist so farbenprächtig, berührend und spannend. Die sich verzettelnde Geschichte, die immer wieder zu sich findet. Da Ponte und Mozart, das waren zwei verrückte Hunde, die das große Schicksal zusammengeführt hat. Das war eine Revolution, ein Aufbegehren gegen die damalige Herrschaft. Und da ist auch diese Romantik des Stücks. Mozart war ja nicht nur Sonne und Freude, sondern in all seinen Werken war auch Sehnsucht dabei, eine Träne, eine gewisse Traurigkeit. Und die gibt es auch beim „Figaro“.

7. Was wird die Rachlin-Handschrift bei diesem Stück sein?

Es ist eine Gratwanderung: Wie viel kann ich einbringen, ohne die Tradition zu brechen? Mein Anspruch ist es nicht, alles anders zu machen. Omer Meir Wellber hat mir keinen Auftrag und keine Anweisung gegeben – er vertraut mir. Und das ist für mich bereits der größte Auftrag: diesem Vertrauen gerecht zu werden. Ich weiß um seine Ansprüche, weil ich diese Ansprüche mit ihm teile. Das Volksopern-Orchester ist unglaublich vielseitig, traditionsreich und mit großem Repertoire. Was den Rachlin-Effekt ausmacht, das muss das Publikum entscheiden. (Lacht.)

8. Was ist Ihr Ziel? Das Neujahrskonzert?

Das kann man sich nicht zum Ziel setzen, das passiert einfach – oder auch nicht. Ich spiele ja bereits seit Jahren Konzerte auf der ganzen Welt mit diesen Stücken. Dieses Jahr mache ich das Neujahrskonzert in Palermo – ganz in der Tradition von Boskovsky, also mit der Geige in der Hand. Mir macht das eine riesige Freude, aber es ist auch sauschwer, einen Walzer zu dirigieren.

9. Wie dirigiert Rachlin den Dreivierteltakt? So wie Boskovsky – mit dem leicht verschleppten dritten Viertel – oder eher wie Harnoncourt, der ein sachlicheres, härtes Musizieren bevorzugte?

Manchmal braucht man eine ganz frühe Zwei, und manchmal darf die Zwei nicht zu früh kommen. Und vergessen Sie mir nicht den russischen Walzer, wo es keine frühe Zwei gibt. Aber in Wirklichkeit ist es egal, ob früh oder spät. Es geht beim Walzer um ein Gefühl, und der Dreivierteltakt und die richtige Zwei funktionieren nur dann, wenn sie natürlich rübergebracht werden. Aber das ist jetzt keine Erkenntnis, die meiner eigenen Genialität (lacht) entspringt. So ist das bei allen künstlerischen Tätigkeiten. Man muss zuerst die Technik beherrschen, lernen … und dann das richtige Gefühl für die Musik haben.

Zu den Spielterminen von „Le nozze di Figaro“ in der Volksoper Wien!