New York Wohnhochhäuser: Wolkenkratzer deluxe
Schon seit dem Art déco wetteifern die New Yorker Wohnhochhäuser um immer neue Rekorde. Und auch nach mehr als hundert Jahren hat das Tauziehen um den schönsten, höchsten, verrücktesten Wolkenkratzer noch nicht nachgelassen, ganz im Gegenteil. Unsere top sieben der atemberaubendsten Projekte.
Titelbild: The Brooklyn Tower Mit 327 Metern und 550 Wohnungen ist der Brooklyn Tower von SHoP Architects das höchste Gebäude im gleichnamigen Bezirk. Der Supertall Skyscraper ist mit Stein, Edelstahl, Kupfer, Messing und Bronze verkleidet und erinnert ein wenig an Gotham City. Zehn Eigentumswohnungen und acht Mietwohnungen sind noch zu haben. thebrooklyntower.com, shoparc.com, jdsdevelopment.com, gachotstudios.com, woodsbagot.com
Wie eine elegante, dramatische, ja fast schon bedrohliche Krone ragt die Spitze des kürzlich fertiggestellten Brooklyn Tower 327 Meter in die Höhe. Während das Haus im Sockelbereich mit weißem Marmor und glitzernden Messingapplikationen verkleidet ist, mutiert die Fassade ab dem fünften Stock ins düstere Gegenteil und erstreckt sich mit schlanken, scheinbar unendlichen Linien aus Bronze, Kupfer und geschwärztem Edelstahl weitere 90 Stockwerke in Richtung Himmel. Manche erinnert der neue Wohnturm an Gotham City, andere sprechen von einem wahr gewordenen »Turm des Sauron« in Mordor, bekannt aus J. R. R. Tolkiens »Herr der Ringe«, ein Instagram-User kommentierte sogar: »Das hässlichste Gebäude in Brooklyn! Sieht aus, als würde oben ein böser Superschurke wohnen!« Mit dem neuen Brooklyn Tower, dem ersten Supertall Skyscraper im gleichnamigen Stadtteil, bekommt New York, das sich aufgrund seines knappen Landes und seiner gigantischen Grundstückspreise schon seit mehr als hundert Jahren durch himmelwärts strebende Wohnbegehrlichkeiten auszeichnet, nach Langem wieder einmal ein Projekt, das polarisiert – und das in den Medien und in der Bevölkerung zu regen Diskussionen anregt. Gregg Pasquarelli selbst, Gründungspartner bei SHoP Architects, die sich im Laufe der letzten Jahre eine regelrechte Expertise im Hochhausbau erarbeitet haben, kommentiert die öffentliche Debatte ganz sachlich: »Ja, dies ist ein grundlegend anderes Gebäude als all die anderen Supertalls in der Stadt. Mit seinem dreieckigen Grundriss, seinen spitz zulaufenden Kanten und Rücksprüngen und seiner charakteristischen Materialität ist dieses Haus schon jetzt eine Ikone im Zentrum von Brooklyn.« Auf den unteren 52 Etagen umfasst der Brooklyn Tower – einst, bevor die Branding-Agenten zugeschlagen haben, als 9 DeKalb Avenue Tower bekannt – rund 400 Mietwohnungen, ein Drittel davon laut einem New Yorker Bau- und Wohnungsgesetz der Regional Plan Association (RPA) als »Affordable Housing« für New Yorker mit mittlerem Einkommen ausgewiesen. Lediglich acht Mietwohnungen sind laut Website derzeit noch erhältlich. Ab dem 53. Stockwerk aufwärts wurden 150 Eigentumswohnungen errichtet, wobei sich der Preis für die letzten noch verfügbaren Einheiten zwischen 965.000 US-Dollar und satten 6,2 Millionen Dollar fürs Penthouse im 89. Stock bewegt. Ergänzt wird der von JDS Development entwickelte Residential Tower zwischen Fleet Street, DeKalb Avenue und Flatbush Avenue von der ehemaligen, mittlerweile denkmalgeschützten Dime Savings Bank of Brooklyn. Heute beherbergt dieses klassizistische, 1908 errichtete Bankgebäude mit Rundkuppel ein nobles Flagship-Retail-Center mit drei Open-Air-Pools am Dach. Von den Farben und Materialien des Bauwerks haben sich auch die Interior-Planer Gachot Studios und Woods Bagot inspirieren lassen. Die hellen Steine und die mal dreieckigen, mal hexagonalen Strukturen finden sich immer wieder im Projekt, bis zu den Parkettböden, Natursteinbadezimmern und ikonografischen Lampen in der Lobby.

130 William Der Londoner Architekt David Adjaye hat den 66-stöckigen Tower mit 242 Wohnungen in eine handge-gossene Betonfassade gehüllt. Die fast schwarze Struktur mit ihrer rauen Oberfläche, den Bogenfenstern und Bronzedetails nimmt Anleihen bei historischen Wahrzeichen. Ein Teil der Wohnungen wurde vom Autobauer Aston Martin eingerichtet. 130william.com, adjaye.com, lightstonegroup.com, hillwest.com
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41 West 57th Street In der »Billionaires’ Row« in Midtown Manhattan steht schon jetzt ein Supertall Tower neben dem anderen. Geht es nach dem Developer Sedesco und dem holländischen Office for Metropolitan Architecture (OMA), könnte das Ensemble bald weiteren Zuwachs bekommen – und zwar mit diesem schlanken, 63-stöckigen Turm mit 119 Wohneinheiten und einem 160-Zimmer-Hotel. Geplante Fertigstellung: 2028. oma.com, sedescoinc.com
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740 8th Avenue Ein Bruch mit allen bisherigen Rekorden: Der Wohnturm von ODA und SLCE Architects (Investor Extell Development) in der Nähe des Times Square umfasst Wohnungen, Hotel, Shoppingmall, Aussichts-restaurant, VIP-Panoramadeck sowie – kein Scherz – eine Adrenalin-Attraktion mit 80 Metern freiem Fall. Geplante Fertigstellung: 2027. odaarchitecture.com, slcearch.comextell.com, extell.com
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45 Broad StreetbDas von Madison Equities und derbPizzarotti Group entwickelte Joint-Venture-Projekt erstreckt sich überb65 Etagen und wird bei Fertigstellung das zweithöchste Hochhaus in Lower Manhattan sein. Markantestes Merkmal des 340 Meter hohen Gebäudes ist die filigrane Bronzefassade, die Elemente des Art déco und der Gotik aufgreift. Architekten: CetraRuddy. cetraruddy.com, madisonequities.com
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Steinway Tower Nach acht Jahren Bauzeit wurde der 435 Meter hohe Wolkenkratzer in der 111 West 57th Street letztes Jahr fertiggestellt. Ebenfalls von SHoP
Architects geplant, zeichnet sich das 91-stöckige Hochhaus mit nur 46 Wohnungen durch seine extreme Schlankheit aus: Mit einem Höhenverhältnis von eins zu 24 ist dies das dünnste Hochhaus der Welt. 111w57.com, jdsdevelopment.com, shoparc.com, studiosofield.com
Das Wohnen in großer Höhe über den Dächern von New York mit Blick auf Hudson, East River und Long Island ist nicht erst heute eine Quelle der Sehnsucht, sondern inspirierte schon Architekt:innen und Developer im gesamten 20. Jahrhundert. Schon in der Zeit des Art déco, als die ersten Wohnwolkenkratzer in Downtown und Midtown in den Himmel schossen, bekannte sich New York zum Wohnen in großer Höhe – die Aufgabe bestehe nicht darin, sich in die Katakomben zurückzuziehen, sondern im Wolkenkratzer menschlicher zu werden, hieß es damals. Und der holländische Architekt Rem Koolhaas formulierte 1994 in seinem Bestseller »Delirious New York«, eine Liebeserklärung an New York: »Rückblickend ist klar, dass die Gesetze des baulichen Kostümballs die Architektur dieser Stadt beherrscht haben. Indem die New Yorker Architekten ihre Wolkenkratzer zwanghaft in einen Wettbewerb zueinander gebracht haben, machten sie die gesamte Bevölkerung zu ihrer Jury. Das ist das wahre Geheimnis der immer noch anhaltenden architektonischen Aufregung.« Immer schlanker, immer höher, immer teurer, immer exklusiver, immer noch nie da gewesen: In den letzten Jahren überschlagen sich die baulichen Rekorde. Die einen bauen Hochhäuser, dünn wir Stecknadeln aus der New Yorker Skyline ragend, die anderen lassen ihre Wohnungen von namhaften Partner:innen aus der Mode- und Automobilwelt designen, beispielsweise von Aston Martin, wiederum andere peppen ihre Wohntürme mit einem 80 Meter hohen Drop Tower als adrenalinfördernde Attraktion auf. Das New Yorker Hochhauswohnen ist und bleibt atemberaubend.