Nathalie von Veh: »Wir sind eine der diversesten Städte der USA«
Die Kuratorin beim Washington Project for the Arts, im Interview über die kulturelle Landschaft von D.C., die besten Stadtviertel für Spaziergänge und die wichtige Rolle der Schwarzen Community.
Nathalie von Veh ist Kuratorin und arbeitet als Storyteller und Regrants Manager beim Washington Project for the Arts (WPA). LIVING hat sie zum Interview getroffen.
Washington Projects for the Arts (WPA) wurde wie viele amerikanischekünstler:innenbasierte Kollektive in den 1970er-Jahren gegründet. Welche Rolle spielt es heute in der Museumslandschaft der Stadt?
Es gab schon immer eine Lücke zwischen den großen Institutionen wie dem Smithsonian und kleineren Organisationen wie uns, das gilt heute wie damals. Bei der Gründung des WPA vor fast 50 Jahren gab es die Hoffnung, dass es eine Alternative zu den staatlich geförderten Museen sein könnte, experimenteller und politischer. Ich würde sagen, heute sind wir immer noch eine kleine, flexible Institution mit großen Träumen und Ambitionen und den Künstler:innen verpflichtet. Das WPA ist in seinem Selbstverständnis immer zwischen dem Lokalen und dem Internationalen balanciert.
Wo steht es heute?
Diese Balance gibt es immer noch! Der Großteil unserer Künstler:innen kommt aus der Region, aber wir arbeiten immer auch mit Personen aus der ganzen Welt. Eines unserer letzten Projekte war das Symposium »How can we gather now?« von Prem Krishnamurthy und Asad Raza, die damals in Berlin lebten. Gemeinsam mit ihnen haben wir Künstler:innen von überall eingeladen.
Wie arbeiten Sie mit Künstler:innen zusammen und welche besonderen Qualitäten sind Ihnen dabei wichtig?
Wir sind ein sehr kleines Team, und wir treffen Künstler:innen innerhalb der Community, auf Events, in den Ateliers, bei Ausstellungen. Wir haben Stipendien und bauen langjährige Beziehungen zu den Personen auf. Wir suchen interdisziplinäre Künstler:innen, denen Zusammenarbeit, Neugier wichtig ist und die aus ihren experimentellen Ideen eine Community bauen wollen.
Wer sind die Besucher:innen des WPA und woher kommen sie mehrheitlich?
Vor allem aus D.C. und aus Richmond, Baltimore, Philadelphia und New York. Während der Pandemie waren wir überrascht, wie viele Menschen in den ganzen USA wir mit unseren virtuellen Programmen erreichen konnten. Wir veröffentlichen auch mehr Bücher, die ebenfalls ein breites Publikum auf der ganzen Welt erreichen. BIPoC-Künstler:innen spielen eine große Rolle im kulturellen Leben von Washington, mit dem National Museum of African American History and Culture als großem Symbol.
Ist dies einzigartig unter amerikanischen Städten?
D.C. war immer eine Stadt mit schwarzer Mehrheit, und das ist definitiv einzigartig. Es ist der Grund, warum die kulturelle Landschaft hier so viele verschiedene Geschichten erzählen kann. Zwischen den 1920ern und den 1960ern war der U Street Corridor als »Black Broadway« bekannt und ein Epizentrum der amerikanischen Jazz-Szene. Doch dem Reichtum an diversen Communitys stehen eine starke Rassentrennung und eine rapide Gentrifizierung gegenüber, die die Kontraste verstärken, und in den letzten 20 Jahren mussten viele Schwarze Künstler:innen wegziehen, weil das Wohnen zu teuer wurde. Das ist ein Problem für die Kulturszene.
Was kann ein:e Besucher:in aus Europa im WPA über Washington lernen?
Ich hoffe, man erfährt den kulturellen Reichtum der ganzen Region über die Bundeshauptstadt hinaus. Wir sind eine der diversesten Städte der USA mit unglaublich wichtigen kulturellen Prägungen von Go-Go-Musik über Punk bis zu Washington Color School und vielen anderen. Natürlich ist ein Besuch im Smithsonian Pflicht für internationale Besucher:innen, aber ich empfehle auch einen Spaziergang durch Stadtviertel wie Adams Morgan, Mt. Pleasant und den U Street Corridor, um ein Gespür für die Menschen hier zu bekommen.
Tipps für den perfekten Kunst-Trip nach Washington bekommen Sie hier.