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© Mike Zenari

Arty Weekend: Kunst-Trip nach Luxemburg

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Luxemburg mag klein sein, aber die Kunstszene ist groß! In den vergangenen Jahren hat sich eine lebendige Kreativszene entwickelt, die vor allem in der charmanten Hauptstadt auf kurzen Wegen zu erleben ist - ohne weite Strecken, aber mit großer Vielfalt.

Das Casino Luxembourg – Forum d’art contemporain, ein erster Meilenstein der zeitgenössischen Kunst in der Stadt. © Mike Zenari

Für viele ist Luxemburg noch ein blinder Fleck in der Mitte Europas. Zwischen Kunstmetropolen wie Brüssel, Amsterdam und Köln gelegen, wird der Kleinstaat oft nur überflogen. Ungerecht! Denn hier hat sich in den letzten Jahren eine vitale Kunstszene entwickelt.

Adieu Klischee des Beamtengrau

Geben Sie es zu: Zeitgenössische Kunst ist vermutlich nicht das Erste, was Sie mit Luxemburg assoziieren. Das ist auch in Ordnung. Denn es stimmt, Stadt und Staat Luxemburg sind in erster Linie eine Insel des Reichtums, ein Paradies der Banker:innen, der diskreten Briefkastenfirmen und der gediegenen Bürokratie. Also ein bisschen wie die Schweiz ohne Berggipfel und Seen. Das klingt etwas langweilig, aber das wäre Luxemburg gegenüber unfair. Denn es tut sich was im Kleinstaat mitten in Europa mit seinen 670.000 Einwohner:innen. Die ­Kultur wird wacher, Museen eröffnen, die ­Galerienszene blüht auf – nicht zuletzt dank der 2015 gegründeten Luxembourg Art Week, die als Schaufenster der Szene die Verbindungen in die Welt herstellt. Und diese Welt ist schließlich direkt vor der Haustür: Paris, Brüssel (was Brüssel in Sachen Kunst und Kultur bietet lesen Sie hier), Amsterdam, Köln sind in Reichweite, und das macht Luxemburg zu einem geo­grafischen Zentrum der westeuropäischen Kulturmetropolen. Und das Schöne an einem Kleinstaat: In der Hauptstadt lässt sich die Kunst im Spazierengehen besuchen, denn alles liegt nahe beieinander. Auf diesen Wegen wird man auch entdecken, wie grün die Stadt ist – und sich im Laufe eines Wochenendes vom Klischee des Beamtengrau verabschieden.

Internationale Kulturwelt am Freitag

Eigentlich passend, dass der erste ­Meilenstein des künstlerischen Erwachens im reichen Kleinstaat mit Geld zu tun hat. Das Casino Luxembourg – Forum d’art contemporain, gegründet 1996, befindet sich im ehemaligen Casino Bourgeois aus dem 19. Jahrhundert mitten im Stadt­zentrum und bietet hier Wechselausstellungen junger Künstler:innen. Das Casino gilt als das erste große Signal an die internationale Kulturwelt, dass sich hier etwas tut, und bis heute kombiniert es einen ­globalen Avantgarde-Anspruch mit lokaler Behaglichkeit.

Meilenstein Nummer zwei, das Musée d’Art Moderne Grand-Duc Jean, kurz ­Mudam, folgte zehn Jahre später, obwohl die Planungen für ein richtiges Museum für moderne Kunst schon weiter zurückgingen. Benannt nach dem Großfürsten, wird es vom Staat verwaltet und wurde 2006 auf dem Gelände des Fort Thüngen eröffnet. Da das Land bis dahin keine ­nennenswerte Kunstsammlung aus dem 20. Jahrhundert aufgebaut hatte, liegt der Schwerpunkt der inzwischen versammelten Werke auf der Kunst aus den letzten drei Jahrzehnten. Was nicht heißt, dass Luxemburg sich nie um Kunst gekümmert hätte. Die städtische Sammlung mit Werken der ­französischen und ­der niederländischen Blütezeiten ­wurde inzwischen um moderne Werke ­ergänzt. Erweitert wurde auch der Ort für diese Sammlung selbst: Die idyllisch in einem Park gelegene Villa Vauban aus dem 19. Jahr­hundert bekam von Diane ­Heirend & ­Philippe Schmit architectes einen schnittig-flachen Anbau verpasst, dessen Dialog mit dem Altbau die kuratorischen Dialoge im Inneren widerspiegelt.

 

Banken und Fische am Samstag

Ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Luxemburger Kunstszene war das Kulturhauptstadtjahr 1995. Dieses sorgte auch dafür, dass das dahindämmernde kleine Nationalmuseum des Landes wieder aus dem Dornröschenschlaf erweckt wurde. Die beengten Räume wurden von einem eigens gegründeten Fonds erweitert, die dreigeschoßigen höhlen­artigen Räume unter dem städtischen Fischmarkt sind nicht nur ein Erlebnis, sie geben dem Museum auch den fast dörflich anmutenden Namen: Nationalmusée um Fёschmaart. Die dortige allumfassende ­Sammlung gibt tiefe Einblicke in die Geschichte des Landes.

Der Fischmarkt ist nicht der einzige ­untergründige Kunstraum der Stadt. Ein weiterer findet sich an noch ungewöhn­licherem Ort: in einem 350 Meter langen Tunnel zwischen zwei Bankgebäuden der Spuerkeess (Sparkasse). Dieser wurde gleich nach seiner Fertigstellung mit einem kulturellen Mehrwert vergoldet und ­verkörpert den Anspruch der Bank, ihr Portfolio mit renommierten internationalen Künstler:innen zu bereichern. Ein Teil des Tunnels ist als Dauerausstellung dem ­Fotografen Edward Steichen gewidmet. Von hier geht es wieder zurück ans ­Tageslicht und auf in die Galerienszene der Stadt, die sich zwischen diesen Meilensteinen aufblühend entwickelt hat. Eines von vielen Highlights ist die gerade drei Jahre junge Galerie Reuter Bausch. Das Gründerpaar Julie Reuter und Lou Bausch fokussiert sich darauf, neue Verbindungen zwischen lokalen und internationalen Künstler:innen ­aller Generationen zu knüpfen. Hier kann man sozusagen einer Kunstszene live beim Entstehen zuschauen.

Sonntag mit Bewegung

Ein Sonntagsspaziergang mit viel Bewegung. Zuerst drehen wir uns im Kreis und besuchen die Rotondes, ein Kulturzentrum in zwei alten Wartungshallen für Lokomotiven. Eine multi­mediale Welt eröffnet sich in diesen Rotunden. Eine für Performances und Ausstellungen, eine für Konzerte, Bar und Gastronomie, und dazwischen die sogenannte »Container City« mit ­Ateliers und Räumen für Start-ups. Diese post­indus­trielle Atmosphäre, kombiniert mit dem Ziel der Förderung junger Talente in dieser für viele kaum leistbaren Stadt, macht die Rotondes zu einem der großstädtischsten Orte im beschaulichen Luxemburg. Farbenfroh und frisch, großformatig und gegenständlich ist die Kunst in der 2017 eröffneten Galerie Valerius an der Place du Théâtre. So hell und freundlich wie die Kunst ist auch die Galerie selbst, und diese ortstypische Entspanntheit, kombiniert mit der Offenheit für Kunstschaffende unter 40, macht den Art Space von Gerard Valerius zu einer idealen Visitenkarte der lokalen Szene.

Zum Abschluss des Wochenendes noch eine Grenzerfahrung: Ein kleiner Ausflug nach Esch-sur-Alzette an der französischen Grenze bringt uns zu einem Außenposten der luxemburgischen Kunstwelt, der Konschthal Esch, im lëtzebuergesch-­französischen Idiom auch »La Konschthal«. Hier richtete die kunstsinnige kleine Kommune 2020 in einem ehemaligen Möbelhaus einen Contemporary Art Space mit cool-rauem Charme ein. Ein Symbol für die Weltoffenheit ­eines Landes, das auf den ersten Blick provinziell erscheinen mag, auf den zweiten aber ungeahnte Weiten und Tiefen offenbart.

Ein Kunst-Trip um die ganze Welt

Erschienen in
LIVING 05/2024

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Maik Novotny
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