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(c) Städel Museum

Arty Weekend in Frankfurt: Ein künstlerischer Streifzug durch die facettenreiche Metropole

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LIVING Arty Weekend

Hier will man schon immer hoch hinaus: Frankfurt am Main ist vielleicht die gegenwartsfreudigste Stadt Deutschlands und stolz auf seine gebildete Bürgerschaft. Gut so, denn im Schatten der Banken floriert eine beeindruckende Museumslandschaft.

Bankenmetropole, Mainhattan, Flughafen-Drehkreuz, Bahnknotenpunkt, Aktentaschen-Eldorado. Blaugraue Spiegelfassaden, geschäftige Seriosität. Das dürften wohl die meisten mit der Stadt Frankfurt am Main assoziieren. Dabei wird leicht übersehen, dass im Schatten der grauen Bankentürme ein buntes Konzentrat an Museen floriert, das nicht nur im deutschsprachigen Raum eine Spitzenposition einnimmt. Grund für diesen Kulturreichtum: ein liberales, gebildetes Bürgertum und eine beispiellose Investitionsoffensive in den 1980er-Jahren mit mehreren Museumsgründungen, von denen die Stadt bis heute profitiert. Einige davon bilden an der Südseite des Mains das Museumsufer, ein cleveres Stück Kultur- und  Stadtmarketing, mit dem sich Frankfurt damals aktiv als Kunstmetropole positionierte.

Hier ist von Skulpturen über zeitgenössische Kunst bis zur Architektur alles dicht an dicht aufgereiht, und mitten im historischen Zentrum auf der nördlichen Flussseite sind mit der Kunsthalle Schirn und dem Museum Moderner Kunst zwei große Flaggschiffe der deutschen Museumslandschaft in direkter Nachbarschaft zuhause. Und dank der zentralen Lage in Europa ist all das problemlos erreichbar.

Freitag

Etablierte Neuzugänge, moderne Bausteine, altehrwürdige Institutionen: ein Rundgang durch die Kulturlandschaft im Stadtzentrum: Sie ist noch keine 40 Jahre alt, und doch fest im deutschen Kulturleben verankert. Die 1986 gegründete Schirn Kunsthalle gilt mit ihrem mutigen und überraschenden Programm als eines der spannendsten und progressivsten Museen. Einen langjährigen Schwerpunkt bildet die Videokunst, dazu kommen Gruppenausstellungen zu politischen Aspekten der Kunstproduktion sowie spartenübergreifende Perspektiven, etwa über Kunst und Hip-Hop. Doch auch Retrospektiven zu Größen des 20. Jahrhunderts wie Basquiat, Gilbert & George oder Niki de Saint Phalle fehlen hier nicht.

Noch jünger als die Schirn, aber ebenso etabliert ist das Museum für Moderne Kunst (MMK). Eröffnet wurde es 1991 auf einem dreieckigen Grundstück in der Altstadt, für das der österreichische Architekt Hans Hollein sein passgenaues postmodernes »Tortenstück« entwarf. Grundstein des MMK war eine Sammlung aus Pop-Art und Minimal Art, die von der Stadt Frankfurt erworben wurde. Seitdem ist diese Sammlung auf über 5000 Werke angewachsen und das Museum selbst um zwei Zweigstellen, den MMK-Tower und das MMK-Zollamt.

Wer nun denkt, dass es vor dem Kulturboom der 1980er-Jahre in Frankfurt gar keine Museen gab, liegt falsch. Am Römerberg, dem historischen Mittelpunkt der Stadt, findet sich einer der ältesten Kunstorte Deutschlands, der 1829 gegründete Frankfurter Kunstverein. Dieser Geschichte fühlt man sich auch heute verpflichtet, insbesondere in der ernsthaften Vermittlung und dem Austausch zwischen Kunst und Wissenschaft. Die Ausstellungen sind dabei alles andere als rückwärtsgewandt, sondern mitten in der Gegenwart angesiedelt.

Starke Präsenz: Ausstellung »Das Anwesende des Abwesenden« im 
Frankfurter Kunstverein

Starke Präsenz: Ausstellung »Das Anwesende des Abwesenden« im Frankfurter Kunstverein

(c) Norbert Miguletz
Unendliche Weiten: Installation von Marshmallow Laser Feast im Frankfurter Kunstverein.

Unendliche Weiten: Installation von Marshmallow Laser Feast im Frankfurter Kunstverein.

(c) fkv
Fester Wohnsitz: Der 1829 gegründete Frankfurter Kunstverein residiert am 
Römerberg mitten in der Stadt.

Fester Wohnsitz: Der 1829 gegründete Frankfurter Kunstverein residiert am Römerberg mitten in der Stadt.

(c) fkv
Licht-Zylinder: Das prachtvolle 
postmoderne Foyer der Schirn Kunsthalle.

Licht-Zylinder: Das prachtvolle postmoderne Foyer der Schirn Kunsthalle.

(c) Fabian Frinzel
Kritische Reflexion: Retrospektive des politischen Künstlers Hans Haacke 
in der Schirn.

Kritische Reflexion: Retrospektive des politischen Künstlers Hans Haacke in der Schirn.

(c) Hans Haacke
Tolles Tortenstück: Das Museum für Moderne Kunst, entworfen 
von Hans Hollein.

Tolles Tortenstück: Das Museum für Moderne Kunst, entworfen von Hans Hollein.

(c) Fabian Frinzel

Samstag

Fugenlose Freude am Fluss: Das Museumsufer an der Südseite des Mains bietet auf kleinem Raum ein einzigartiges Kulturpanorama. Wie in Wien, London oder Köln schaute man auch in Frankfurt jahrhundertelang eher abschätzig auf die »andere Seite« des Flusses hinab. Außer Äppelwoi-Lokalen schien es hier im Stadtteil Sachsenhausen nichts zu geben, erst recht keine Kultur. Stimmt natürlich nicht. Erst recht, seit die Flusspromenade zum nahezu fugenlos bestückten Museumsufer wurde. Ein Muss hier ist zweifellos das Städel Museum, 1815 vom gleichnamigen Stifter gegründet und bis heute Stolz des wohlhabenden Frankfurter Bürger- und Mäzenatentums. 700 Jahre europäische Kunstgeschichte werden hier präsentiert, vom frühen 14. Jahrhundert bis in die Gegenwart, von Albrecht Dürer bis Wolfgang Tillmans, von Vermeer bis Francis Bacon.

Zeitlose Oase

Wer danach eine Ruhepause braucht, ist gleich nebenan beim Liebieghaus gut aufgehoben. Die turmgekrönte Gründerzeitvilla in ihrem zauberhaften Park ist eine perfekte Ruheoase mit einem der schönsten Museumscafés der Stadt. Seit über 100 Jahren ist hier eine der bedeutendsten Skulpturensammlungen Europas zuhause, vom Alten Ägypten bis zum Klassizismus. Ein Ort für Zeitlosigkeit, ein Raum zum Atemholen.

Bereit für einen Sprung zurück ins Heute? Dann gleich nach nebenan, ins Museum Angewandte Kunst, ein weiterer Baustein der Kulturoffensive der 1980er-Jahre, von Architekt Richard Meier in blütenweiße Form gegossen. Hier sind alle Grenzen offen, hier finden Mode, Design, Gegenwartskunst, Kunsthandwerk und Performance zusammen, hier setzt man kuratorisch auf das Erzählen großer Geschichten anstatt aufs Einzelobjekt, und das nicht akademisch-spröde, sondern mit allen Sinnen.

 

Auf den Punkt: Das prachtvolle Städel Museum und sein 
ausufernder Innenhof

Auf den Punkt: Das prachtvolle Städel Museum und sein ausufernder Innenhof

(c) Norbert Miguletz
Buntes Panoptikum: »Eclectic Affinities« im Museum Angewandte Kunst (MAK).

Buntes Panoptikum: »Eclectic Affinities« im Museum Angewandte Kunst (MAK).

(c) Wolfgang Günzel/museumangewandtekunst
Weißer Riese: Das Museum Angewandte Kunst am Frankfurter Museumsufer.

Weißer Riese: Das Museum Angewandte Kunst am Frankfurter Museumsufer.

(c) Wolfgang Günzel/museumangewandtekunst
Gold-Stück: Aus der Ausstellung »Ikona: Heilige Frauen« im MAK.

Gold-Stück: Aus der Ausstellung »Ikona: Heilige Frauen« im MAK.

(c) Martin Url www.kunstrepro-url.de
Akt in Aktion: »Fantasie und 
Leidenschaft« im 
Städel Museum.

Akt in Aktion: »Fantasie und Leidenschaft« im Städel Museum.

(c) Martin Url www.kunstrepro-url.de
Kunst-Oase: Das Liebieghaus, 
gelegen in einem 
traumhaften Park.

Kunst-Oase: Das Liebieghaus, gelegen in einem traumhaften Park.

(c) beigestellt

Sonntag

Ein weiterer wichtiger Baustein des Museumsufers, das Deutsche Architekturmuseum (DAM), befindet sich aufgrund der Sanierung im Exil. Das gibt uns Gelegenheit, uns in den ruppig-industriellen Osten der Stadt vorzuwagen, wo das Museum derzeit sein Interimsquartier aufgeschlagen hat. Das DAM trägt seinen Namen zu Recht, denn es liefert mit seinen Ausstellungen und Publikationen immer wieder Impulse für landesweite Architekturdebatten und lobt, passend für Frankfurt, auch einen Hochhauspreis aus.

Auf dem Weg dahin können wir beim Queren des Flusses eine kurze Rast einlegen. Denn direkt an der Alten Brücke ragt ein weiterer Baustein des Frankfurter Kunst-Mosaiks empor, der Portikus. Auch dieser ist ein Kind der postmodernen 1980er-Jahre und bietet mit fünf Ausstellungen pro Jahr vor allem jüngeren Künstler:innen eine Bühne. Als Bestandteil der renommierten Hochschule für Bildende Künste (Städelschule) ist hier für stetigen Nachschub an neuen Namen und Positionen gesorgt.

Vor lauter großen städtischen Bausteinen darf natürlich die Galerienlandschaft Frankfurts nicht übersehen werden, von denen es alleine im Stadtzentrum einige von hoher Qualität gibt. Neun von ihnen, alle auf internationalen Kunstmessen präsent, haben sich zum Netzwerk »Galerien Frankfurt Mitte« zusammengeschlossen. Meist finden ihre Vernissagen koordiniert und gleichzeitig freitags statt und werden mit einer geführten Tour am Samstag kombiniert. In der Geschäftsstadt Frankfurt gehört Kundenservice eben zum guten Ton – und der Kunstgenuss wird zum Spaziergang

Super-Symmetrie: Der Vortragssaal im Deutschen Architekturmuseum (DAM).

Super-Symmetrie: Der Vortragssaal im Deutschen Architekturmuseum (DAM).

(c) Norbert Miguletz
Minimales Stillleben: in der Galerie Schlieder 
Contemporary, Teil der 
Galerien Frankfurt Mitte.

Minimales Stillleben: in der Galerie Schlieder Contemporary, Teil der Galerien Frankfurt Mitte.

(c) Jens Gerber
Mehr als nichts: Ausstellung »Nothing« von 
John Franzen in der Schlieder Contemporary

Mehr als nichts: Ausstellung »Nothing« von John Franzen in der Schlieder Contemporary

(c) Jens Gerber
Haus am Fluss: Der auffällige Bau des Portikus ist direkt am Main gelegen.

Haus am Fluss: Der auffällige Bau des Portikus ist direkt am Main gelegen.

(c) Portikus

Termine

SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT
Hans Haacke, bis 9. 2. 2025

MMK MUSEUM FÜR MODERNE KUNST
Akosua Viktoria Adu-Sanyah, bis 2. 2. 2025

FRANKFURTER KUNSTVEREIN
»Das Anwesende des Abwesenden«, bis 2. 3. 2025

STÄDEL MUSEUM
»Fantasie und Leidenschaft«, bis 12. 1. 2025

LIEBIEGHAUS
Medusas Farben, Dauerausstellung

MUSEUM ANGEWANDTE KUNST
»Eclectic Affinities«, bis 12. 1. 2025

DAM DEUTSCHES ARCHITEKTURMUSEUM
»Ganz große Oper: Bühnenbauten«, bis 8. 12. 2024

PORTIKUS
Adrian Piper, bis 9. 2. 2025

SCHLIEDER CONTEMPORARY
(GALERIEN FRANKFURT MITTE)
John Franzen: »Nothing«, bis 31. 12. 2024

Erschienen in
LIVING 09/2024

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Maik Novotny
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