My City: Istanbul
Orhan Esen ist leidenschaftlicher Istanbuler, Forscher, Autor und Reiseleiter. LIVING zeigt er vier Landmarks, die man kennen sollte.
Orhan Esen
ist leidenschaftlicher Istanbuler, Forscher, Autor und Reiseleiter. Er studierte Sozial-, Wirtschafts-, Kunst- und Architekturgeschichte in Istanbul und Wien und lebt heute als freiberuflicher Kulturschaffender in Berlin.
Seit den 1980er-Jahren konzipiert und leitet er Exkursionen in seine Heimatstadt. Mehr dazu
Spätestens seit dem Ukrainekrieg hat auch der Rest der Welt verstanden, was die Einheimischen längst wussten: Istanbuls jahrtausendealte Vorrangstellung gründet nicht auf einer imaginären Brücke zwischen den fiktiven Konstrukten »Orient« und »Okzident«. Es geht vielmehr um eine geostrategische Schlüsselposition: Die Getreidekammer des Nordens trifft auf die hungrigen Mäuler des Südens. »Manchmal kann es durchaus so banal sein«, meint Wirtschafts- und Architekturhistoriker Orhan Esen. „Vielleicht musste sich keine Stadt so oft neu erfinden, sich selbst immer wieder überschreiben und flicken.«
In der Nachkriegszeit wurde die Altstadt autogerecht saniert – inklusive eines modernen Rathauses und einer mehrgeschoßigen Straßenkreuzung. Heute hat sich dieser Nicht-Ort zum Platz für demokratische Massenversammlungen gewandelt. Die Bauten der Nachkriegsmoderne sowie der benachbarte IMÇ-Komplex bieten gute Gelegenheiten, das historische Zentrum jenseits der ausgetretenen Pfade mit den Augen des Architekten zu erkunden. Beim Santral-Istanbul-Komplex wiederum lassen sich die Zeugnisse der Industriekultur am Goldenen Horn erforschen.
Auch eine Exkursion zu den Rändern der Megametropole lohnt sich, um die Stadt zu verstehen: Seit den 1980er-Jahren wurde das Zentrum Istanbuls zur Dienstleistungs-, Freizeit- und Kulturmetropole transformiert. Gleichzeitig wurden Ost- und Westflanken zu industriellen Powerhouses: Istanbul hat sich am Rand sein eigenes China gebaut.

Santral Istanbul
EAA (Emre Arolat), NSMH (Nevzat Sayın), MİMARLAR (Han Tümertekin), Ihsan Bilgin, 2006
»Die Umwandlung eines ehemaligen Kohlekraftwerks in einen Campus für Kunst, Kultur und Bildung. Wohl kein anderes Gebäude des industriellen Kulturerbes hat einen derart ikonischen Stellenwert erlangt.«

Sancaklar Moschee
Emre Arolat Architects, 2013 »Eine Moschee ohne Kuppel – ohne sichtbaren Baukörper? Ja! ›Sie wurde unter dem Motto der Bescheidenheit errichtet‹, so der Architekt. Ein Raumvorschlag für individuelle Kontemplation, gedacht für eine neue Generation muslimischer Eliten.«