Designerhaus im Schrebergarten: »Glücksmoment im Kleinformat«
Das Gute ist immer einfach, aber einfach ist nicht immer gut. In diesem Fall schon. Denn mit der »Villa minimale« des Wiener Architekten Clemens Kirsch erlangt das Wohnen in einem Schrebergartenhaus eine neue Dimension. German Design Award 2024 on top.
Titelbild: Preisgekröntes Schrebergartenidyll: Die nachhaltig gebaute, unterkellerte und mit dem German Design Award 2024 prämierte »Villa minimale« in Wien hat die Form einer Windmühle und schreibt heute schon architektonische Kleingartengeschichte. clemenskirsch.at
Ein Haus für eine vierköpfige Familie, gebaut auf nur 35 Quadratmetern Grundfläche. Wie geht das denn? »Villa minimale« heißt die Lösung – ein in einer Wiener Kleingartensiedlung realisiertes Projekt des Architekturbüros Clemens Kirsch, das mit dem German Design Award 2024 ausgezeichnet wurde. Die windmühlenartig konstruierte Residenz im Kleinformat erfreut nicht nur die Bauherren als naturnahes Sommerdomizil, sondern begeisterte auch die Jury durch ihre außer-gewöhnliche Optik und Funktionalität gleichermaßen. »Ein kleines Architekturjuwel, das auf originelle Weise aus der formellen Monotonie vieler konventioneller Garten- und Wochenendhäuser hervorsticht«, hieß es bei der Preisverleihung. Zu Recht. Das Konzept ist ebenso ungewöhnlich wie der Mastermind dahinter und seine intuitiv kreative Herangehensweise.
LiVING Ein Schrebergartenhaus als kleines Architekturjuwel – daran denkt man nun wirklich nicht. Wie kam es dazu?
clemens kirsch Ein guter Kollege, er ist Bauphysiker und Fachplaner, fragte mich, ob ich für ihn und seine Familie ein spezielles Kleingartenhaus entwerfen würde. Es sollte etwas Ungewöhnliches sein, neu, mutig, aber zugleich all die Bauvorschriften beachtend, die für ein Schrebergartenhaus gelten.
Also alles mini-mini, maximal 35 Quadratmeter verbaute Fläche, Haushöhe bis fünf Meter …
Genau. Eine ungewöhnliche, aber schöne Aufgabe. Denn nichts ist schwieriger, als wenn es für ein Bauvorhaben keine Einschränkungen gibt. Oft fordern erst die Zwänge die Kreativität heraus.
Die Natur rundum war immerhin ein guter Mitspieler in Sachen Kreativität – das Grundstück liegt idyllisch in einem bewaldeten Tal in Wien, nahe einem kleinen Bach. Wie maßgeblich war das Umfeld für das Projekt?
Die Natur, die Landschaft ist immer essenziell für mich. Das Innen und Außen muss harmonieren. So gab es auch schnell die Idee der vielen Ausblicke, die die Natur sozusagen ins Haus holen, sowie des doppelgeschoßigen Luftraums.
Der mittige kreisförmige Ausschnitt nimmt im Obergeschoß aber Wohnfläche weg …
Dafür verleiht er dem ganzen Haus gefühlt mehr Volumen. So wirkt alles luftig, hell, man kann sich freier bewegen. Auf diese Weise sind selbst kleinste Räume nicht erdrückend. Im Gegenteil: Sie eröffnen viele interessante Perspektiven.
Ein luftiges Konzept also, das tatsächlich an luxuriöse Villen erinnert …
Wir haben vier gleichförmige Objekte windmühlenartig so versetzt, dass von innen Ausblicke in alle Himmelsrichtigen möglich sind. Im Drehkreuz befindet sich das Oculus, das im Obergeschoß eine Galerie ausbildet. Während die Nischen im Erdgeschoß – mal als Küche, mal als Kuschelbereich oder Badezimmer – großteils offen und in den zentralen Wohn-Ess-Raum integriert sind, bilden sie im Obergeschoß drei abgetrennte Schlafkojen mit Camping-Feeling und Blick auf den Sternenhimmel.
Ein kleines Raumwunder …
Als Architekt bin ich quasi der Experte des Raumes. Meine Aufgabe ist es, ihm Form, Charakter und Atmosphäre zu geben.
Wie entstand diese nun preisgekrönte Raumidee?
Zwei Ikonen der Architekturgeschichte haben mich inspiriert: Einerseits Andrea Palladio mit seiner legendären historischen »Villa Rotonda« – eine Anleihe für die zentrale Rotunde – andererseits mein Hero und einer der Begründer der kalifornischen Moderne Rudolph Schindler, mit seinem »Kings Road House«, auf dessen Dach es die ikonischen »Sleeping baskets« gibt.
Und wie lange brauchten Sie für den Entwurf? Es war ja Ihr erstes Kleingartenhaus.
Ja, aber mit der Zeit an Erfahrung – ich bin seit 18 Jahren selbstständig, seit 30 mit Architektur beschäftigt –, da hat man bereits einiges an Wissen intus. Es ist wie ein guter Rotwein, der muss auch reifen. Der Entwurf selbst ist recht schnell passiert – es war sicher auch eine Art Glücksmoment.
Wo ist Ihr Lieblingsplatz in der »Villa minimale«?
Es ist eher die Bewegung durch das Haus, die, je nach Blickwinkel, vielfältige Eindrücke bietet und die Wahrnehmung verändert.
Lust auf weitere Mini-Villen-Projekte?
Ich möchte die »Villa minimale« zur Serienreife weitertreiben. Denn die vielen positiven Rückmeldungen zeigen uns, dass hier eine große Nachfrage besteht.