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(c) Dror Baldinger

David Adjaye: Ein Faible für Schwarz in allen Schattierungen

Architektur

David Adjaye hat ein Faible für die Farbe Schwarz. Doch nicht alles, was auf den ersten Blick schwarz erscheint, meint der Londoner Architekt, ist auch wirklich schwarz. Manchmal verbergen sich hinter dem dunklen Farbschleier auch Rot, Grün und Lila.

Er ist der Liebling von »Vogue«, »Wallpaper« und »The New Yorker«. Zu seinen bekanntesten Auftraggebern zählen Barack Obama, der ehemalige New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio sowie der frühere UN-Generalsekretär und Friedensnobelpreisträger Kofi Annan. Ganz zu schweigen von der internationalen Kunstszene zwischen London und Hollywood, die bei ihm schon seit Jahren Schlange steht. »Ich weiß gar nicht, wie das alles begonnen hat«, sagt der Londoner Architekt David Adjaye. »Aber eines Tages habe ich mich wieder einmal am Cover irgendeines Magazins entdeckt und dachte mir: ›Oh Gott, ich fürchte, ich bin berühmt.‹ Und das war irgendwie gar nicht lustig.«

Architektur als Kompromiss

Der Ruhm des 58-Jährigen kommt nicht von ungefähr. Zu Beginn hatte Adjaye, 1966 in Tansania geboren, Kunst studiert, doch die Freude und Hoffnung auf eine lukrative, geldbringende Zukunft weilte nicht lange, und so sattelte er schon nach wenigen Monaten auf Architektur um. »Ich wollte unbedingt etwas Kreatives machen«, sagt Adjaye im Rückblick. »Und das schien mir ein sehr guter Kompromiss zwischen etwas Künstlerischem und etwas Handfestem, von dem man im besten Fall auch leben kann.« Das Künstlerische und Spirituelle ließ ihn dennoch nie wieder los. Für die Architektur-Biennale in Venedig entwickelte er letztes Jahr eine Installation unter dem Titel Kwaez, was auf Twi, der Hauptsprache Ghanas, so viel wie »Wald« bedeutet. Der A-förmige Holzpavillon, der im Arsenale ausgestellt war, lud zum Betreten und Innehalten ein, die Reduktion auf die einfache Dreiecksform, auf schlicht geriffelte Lamellen und auf die Farbe Schwarz hüllte die Besucher:innen im Moment der Ankunft in eine Atmosphäre aus Ruhe, Fremdheit und Entrücktheit. Im gleichen panspirituellen Sinne erhielt er von Scheich Mohammed bin Zayed, Kronprinz des Emirats Abu Dhabi, den Auftrag, ein Zentrum für interreligiösen Dialog zu errichten. Auf einem eingeschoßigen Sockel von 180 Metern Länge, 112 Metern Breite und sechs Metern Höhe schuf er eine Kirche, eine Moschee und eine Synagoge, also je ein Gotteshaus für jede der abrahamitischen Weltreligionen. In ihrer 30 mal 30 mal 30 Meter großen Würfelkubatur sind alle drei Gebäude nahezu gleich, lediglich in den Säulen, Rundbögen und tragenden Elementen unterscheiden sie sich und geben auf sehr subtile Weise Aufschluss über ihren religiösen Inhalt.

Star wider Willen: Architekt David Adjaye. Eigentlich wollte der in London lebende Architekt Künstler werden. Die Architektur erschien ihm die praktikablere Alternative, die mehr finanzielle Sicherheit bot. Heute baut Adjaye für Stars und renommierte Institutionen.

(c) Anoush Abrar

Sugar Hill: Errichtet mit nur knappen budgetären Mitteln von den Broadway Housing Communities (BHC), ist Sugar Hill in Harlem, New York, ein Konglomerat mit geförderten Low-Cost-Wohnungen, sozialen Einrichtungen und sogar einem Kindermuseum.

(c) Wade Zimmermann

Die Wahrheit über die Schönheit

»Es geht beim Abrahamic Family House noch viel weniger um Schönheit als bei vielen anderen meiner Bauten«, sagt Adjaye. »Was ist schon schön? Schönheit ist ein subjektives Verständnis einer punktuellen Wahrnehmung. Ich versuche, mich davon zu distanzieren, etwas Schönes zu machen. Viel wichtiger und viel richtiger ist es, dass ich mich bei diesem Projekt ästhetischer Gestaltungselemente bediene, die in ihrer Reduktion als visuelle Metapher für eine ganz bestimmte Geisteshaltung fungieren.« Reduziert ist bei Adjaye auch das Farbspektrum. Bis auf das interreligiöse Zentrum in Abu Dhabi wird man in seinem Œuvre kaum ein helles, geschweige denn ein weißes Haus finden. Nur selten greift er zu Pink, Sicht-beton oder Lehmputz, die meisten seiner Projekte sind schlichtweg schwarz – ganz gleich, ob das nun Sugar Hill in Harlem ist, ein geförderter Wohnblock mit Low-Cost-Wohnungen und diversen sozialen Einrichtungen, oder, am anderen Ende der finanziellen Skala angesiedelt, das Luxushochhaus 130 William, das mit Tausenden Fensterbögen und einer atemberaubenden Fassade aus schwarzem Beton mit ebenso tiefschwarzen Zuschlagsteinen verkleidet ist. Warum schwarz? »Warum nicht?«, entgegnet Adjaye. »Ich mag Schwarz. Schwarz ist die Reduktion auf das Wesentliche. Es ist jene Farbe, in der Licht, Schatten, Nuancen und unterschiedliche Texturen am stärksten zur Geltung kommen, weil es keine Reflexion und keine Überbelichtung fürs Auge gibt. In gewisser Weise sind meine schwarzen Häuser auch eine Art Gegenstück zur ewig weißen Moderne. Aber soll ich Ihnen ein Geheimnis anvertrauen?« David Adjaye lacht schelmisch. »Es ist nicht alles schwarz, was schwarz scheint. Um ehrlich zu sein, kommt Schwarz in meiner Arbeit kaum vor. In den meisten Fällen handelt es sich um ganz, ganz dunkle Frequenzen von Rot, Blau, Grün, Braun und Violett.« Mit dem bloßen Auge ist der Unterschied kaum zu merken. Bei manchen Lichtstimmungen jedoch beginnt die Farbe plötzlich, ein buntes, irisierendes Eigenleben zu entwickeln.

Winter Park Library: Weite Bögen, die sowohl von der lokalen Fauna als auch von der einheimischen Architektur der Region inspiriert sind, bestimmen die Form der drei Pavillons, in denen sich eine Bibliothek und ein Veranstaltungszentrum befinden. Das Projekt in Winter Park, Florida, wurde mit dem American Architecture Award 2022 ausgezeichnet.

(c) Chad Baumer

The Webster: Der neueste Flagship-Store von Webster in Los Angeles ist eine 11.000 Quadratmeter große Struktur mit einer rosa eingefärbten Betonhülle, die an die Sonnenuntergänge über dem Pazifik erinnern soll. Auf der Innenseite der Manschette befindet sich eine digitale Lichtskulptur. thewebster.com

Erschienen in
LIVING 06-07/2024

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Wojciech Czaja
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