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Axel Vervoordt: So wohnt der legendäre Designer

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Mit dem zeitlosen Interieur dieses zauberhaften Schlosses in Belgien hat sich einer der weltweit meistrespektierten Antiquitätenhändler, Sammler und Innenarchitekten selbst ein weiteres Denkmal gesetzt. Willkommen bei Axel Vervoordt!

Header-Bild: Wohnraum zum Verweilen Gemütliche Ensembles laden mit bewusst gewählter Schlichtheit dazu ein, in sich zu gehen und zur Ruhe zu kommen.

Immer wieder taucht im Pantheon der ­Innenarchitektur ein besonders begnadeter Designer auf, dessen spezieller Stil ihn von allen anderen abhebt und ganz neue Maßstäbe setzt. Zu diesen Lichtgestalten zählt seit nunmehr vier Jahrzehnten auch der Belgier Axel Vervoordt, der als einer der kreativsten Köpfe der Szene gilt und sich aufgrund seines großen Fachwissens auch als Sammler und Händler von Kunst profilieren konnte. Sein ästhetischer Ansatz kombiniert Einflüsse aus ganz unterschiedlichen Epochen, Erdteilen und Kulturen seit jeher zu einem ­nachvollziehbaren Ganzen. Vervoordt begeistert sich schon sein ganzes Leben lang für Wohnarchitektur, was er wohl von seiner Mutter geerbt haben dürfte. Sie renovierte einst mit großer Leidenschaft Häuser aus dem 16. Jahrhundert in der Altstadt Antwerpens. Den Grundstein für sein eigenes Unternehmen legte Axel Vervoordt bereits in den späten 1960ern, als er gleich 16 Renaissancegebäude in den engen Gassen nahe der Antwerpener Kathedrale erstand. Seine innovative Herangehensweise, die zwar darauf abzielte, die Essenz der Bauten zu erhalten, gleichzeitig aber stark von ­gängigen Renovierungsansätzen abwich, lieferte herrliche Resultate von exquisit-subtiler Schönheit. Auf diese Weise etablierte sich Vervoordt damals schon als wahrer Meister seines Faches.

Das Ehepaar Vervoordt Axel und May – hier vor dem Eingang zu ihrem Kastell – sind ein seit Jahrzehnten eingespieltes Team mit einem Gespür für das gewisse Etwas.

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Ein imposantes Domizil Die Westfassade von Schloss Gravenwezel. Ein Blick reicht kaum aus, um die historische Tragweite dieser Residenz ins rechte Licht zu rücken.

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Tradition verpflichtet

1984 kauften Axel Vervoordt und seine Frau May Schloss Gravenwezel nahe des gleichnamigen Dorfes nordöstlich von -Antwerpen. Vier Jahre lang investierte das Ehepaar in die umfangreiche Renovierung des Kastells und erfuhr dabei alles nur Denkbare über die lange Geschichte seiner außergewöhnlichen Residenz. Der Erbauer des ursprünglichen Schlosses ist zwar unbekannt, doch lässt sich die Grundsteinlegung bis ins zwölfte Jahrhundert zurückverfolgen. Vermutlich wurde es damals als Teil eines Verteidigungsrings rund um Antwerpen errichtet. 1287 ging der Bau in den Besitz des Ritters Gerard van Wezemaal über. Im 14. und 15. Jahrhundert wechselte das Anwesen mehrmals den Eigentümer, bis 1495 der Adelige Jan van Glymes neuer Schlossherr wurde. Bis 1561 wurde das Schloss zu einer imposanten Trutzburg im gotischen Stil ausgebaut. Die damals neu errichteten Nord- und Ostflügel sowie deren Turmbauten bestehen bis heute und prägen immer noch das Gesamtbild der eindrucksvollen Architektur. Die wichtigste Bauphase begann im 18. Jahrhundert, als die Familie van Susteren das Schloss bezog. Ab 1740 wurde es vom Architekten Jan-Pieter van Baurscheidt dem Jüngeren in einen zeitgemäßen Landsitz umgewandelt. Er ergänzte die originale -mittelalterliche Gebäudestruktur mit einem faszinierenden Mix aus baulichen Ideen, die sowohl für das 15. als auch für das 18. Jahrhundert typisch waren. Sein Fokus lag auf einer Neuinterpretation der südlichen Fassade im schmuckvollen Régencestil, der wiederum während der Regierungszeit des französischen Herrschers Philipp von Orléans zwischen 1715 und 1723 entstand und einen Übergang zum Rokoko darstellte. Der vormals geschlossene Innenhof wurde nun durch eine prächtige Terrasse ersetzt, von wo aus man über eine Steinbrücke in die umliegende Parkanlage gelangte. Am östlichen Ende ­derselben Terrasse gewährte fortan eine ­weitere Brücke Zugang zum Torhaus, zum Wagenschuppen und zu den Stallungen.

»Die Räume beschränken sich auf sehr wenig Einrichtung. Der Fokus liegt auf sorgsam ausgewählten, exklusiven Möbel- und Kunststücken.«

Axel Vervoordt

Designer und Kunstsammler

Axel Vervoordt

Designer und Kunstsammler

Ab 1774 kümmerte sich die Witwe Isabella Vecquemans de la Vère um die Fertigstellung der Außenarbeiten und die Umgestaltung des Wohnbereichs. Schließlich erbte die belgische Adelsfamilie Gillès de Pélichy, die dem benachbarten Dorf vorstand, das Kastell. Als 1983 die letzte Baroness verstarb, einigten sich ihre Erb:innen darauf, das Anwesen zu ­verkaufen, woraufhin die Vervoordts als neue Besitzer:innen die Bildfläche betraten. Im Verlauf der Jahrhunderte hatte die Residenz zahlreiche Umbauten miterlebt, von denen nicht alle als geglückt bezeichnet werden konnten. Daher galt es nun, das Schloss von unnötigen Ergänzungen zu »befreien«. Allerdings war es den Vervoordts ein ebenso großes Anliegen, den vorangegangenen ­Generationen den gebührenden Respekt zu erweisen und jene Elemente zu bewahren, die zur Integrität der Architektur beitrugen. Dennoch besteht Axel und May Vervoordts größtes Verdienst wohl darin, ihrem so stattlichen wie geschichtsträchtigen Domizil ein völlig individuelles wie modernes Flair verliehen zu haben. Zauberhaft und zeitgemäß. Selbstverständlich empfangen sie auch weiterhin zahllose prominente und illustre Gäste auf Schloss Gravenwezel – so etwa auch Mitglieder der belgischen und niederländischen Königshäuser. Oder – wie erst unlängst – den Rockstar Sting. Doch trotz all der majestätischen Pracht, die das Kastell umgibt, handelt es sich hier immer noch um den Familiensitz der Vervoordts, weshalb das Domizil auch eine einmalige Wärme und Gemütlichkeit auszeichnet. Trotz aller Renovierungsarbeiten und moderner Annehmlichkeiten versprüht das Innere des Schlosses dank der großflächigen Fenster, geräumigen Zimmer und behaglichen Erdtöne nach wie vor den heimeligen Charme des 18. Jahrhunderts. Die insgesamt 50 Räume sind alle stilsicher ausgestattet und dekoriert, sowohl mit antiken Möbeln als auch mit unbezahlbaren Gemälden. Auf­fallend ist außerdem, dass die einzelnen Bereiche die Historie des Schlosses chronologisch ­widerspiegeln.

Die Mischung macht’s Zunächst gegensätzlich erscheinende Einzelkomponenten ergeben in Summe ein stimmiges großes Ganzes.

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Kunst in der Küche Als echte Kunstliebhaber:innen umgeben sich die Vervoordts auch in ihrer Küche gern mit hochwertigen Gemälden.

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Ein Wohnsitz, kein Museum

Dennoch sucht man hier vergeblich nach jenem musealen Ansatz, den so viele vergleichbare Schlossbauten verfolgen. Stattdessen repräsentiert das Interieur das raffinierte Gespür der Vervoordts für Ästhetik und ihre große Sammelleidenschaft, die edle Kunstobjekte ebenso umfasst wie hinreißende Möbelstücke. Ganz absichtlich dominieren auf Gravenwezel weder ein bestimmter Stil noch eine konkrete Epoche. Vielmehr offenbart das Innendesign eine ­faszinierend eklektische Kombination aus Ost und West, gespickt mit feinen Kunstwerken, die von altägyptischen Gefäßen über Buddha­statuen aus der Sung-Dynastie und Renais­sancebronzen bis hin zu Mobiliar aus dem 18. Jahrhundert und modernen Malereien von weltberühmten Künstler:innen reicht. Typisch Vervoordt: Hier orientiert sich nichts an irgend­welchen Trends – nein, alles ist durchdrungen von einer universellen Schönheit, die der gesamten Innengestaltung ihre zeitgemäße Relevanz verleiht. Ein Rundgang durch das Schloss offenbart ­zudem Axel Vervoordts Faible für fernöstliche Kunst und Philosophie, vom Taoismus bis hin zum ­Buddhismus. Dieses manifestiert sich in ­mehreren dezent gehaltenen Bereichen, die sich dank ihrer sparsamen Eleganz bestens zur inneren Einkehr und stillen Kontemplation eignen und die Bedeutsamkeit von Meditation, Leere und Respekt vor der Natur besonders hervorheben. »Der auf das Wesentliche reduzierte Stil symbolisiert den minimalistischen Ansatz des Zen«, so Axel Vervoordt. »Die ­Räume beschränken sich auf sehr wenig Einrichtung. Der Fokus liegt auf sorgsam ausgewählten, exklusiven Möbel- und Kunststücken. Das schlichte Parkett und der Verzicht auf überflüssigen Schnickschnack ermöglichen es, die Stille quasi zu ›hören‹, und evozieren eine tiefgehende spirituelle Freiheit.«

»Der aufs Wesentliche reduzierte Stil symbolisiert den minimalistischen Ansatz des Zen.«

Axel Vervoordt

Designer und Kunstsammler

Axel Vervoordt

Designer und Kunstsammler

Ein idealer Treffpunkt Die kreative Atmosphäre des Arbeitszimmers eignet sich ausgezeichnet für Meetings aller Art. Hier trifft Axel Vervoordt seine geschäftlichen Entscheidungen.

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»Das schlichte Parkett und der Verzicht auf überflüssigen Schnickschnack ermöglichen es, die Stille quasi zu ›hören‹, und evozieren eine tiefgehende spirituelle Freiheit.«

Axel Vervoordt

Designer und Kunstsammler

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Designer und Kunstsammler

Im Erdgeschoß befindet sich das Arbeits­zimmer von Axel Vervoordt mitsamt eng­lischer Bibliotheksausstattung, von wo aus man direkt ins Musikzimmer gelangt, wo sich auf einem wunderbaren Tisch aus Walnussholz unzählige Kunstbücher ­auftürmen. »Hier führe ich am liebsten meine organisa­torischen Besprechungen«, so der Hausherr. Es ist augenscheinlich, mit welch akribischer Sorgfalt überall renoviert, ausgebessert und ergänzt wurde. Die Wände im Foyer bestehen zwar eigentlich aus Kalk und Aushub vom Grundstück, wurden jedoch auf eine kunstvolle Weise, die Besucher:innen zunächst echten Marmor vermuten lässt, gestrichen. Der natürliche Farbton der Fassaden des Kastells wurde mithilfe derselben Methode erzielt, nämlich indem Erdreich mit Kalk ­vermischt wurde. Heute beschäftigt das Familienbusiness der Vervoordts insgesamt 85 Angestellte. Inzwischen konzentriert sich das erfolgreiche ­Unternehmen auch nicht mehr nur auf die Verwaltungsgebäude des Schlosses, sondern umfasst nun auch einen Antwerpener ­Komplex namens »Kanaal«, der aus mehreren umgewidmeten Lagerhäusern und ­Getreidesilos aus dem 19. Jahrhundert besteht. Axel Vervoordts ältester Sohn Boris war das Mastermind hinter dieser Expansion. Unter seiner Federführung entstand dort ein multidisziplinäres Kunstzentrum, das eine »universelle Vision vertritt, die über jegliche Mode hinausgeht, und wo neue Ideen stets will­kommen sind«, wie Axel Vervoordt es stolz formuliert. Also ganz im Sinne jener Originalität und Freigeistigkeit, für die man die ­Designlegende kennt und bewundert.

Exquisites Setting Das kleine Esszimmer erstrahlt in hellen Farbtönen und bietet einen perfekten Rahmen für intime Mahlzeiten zu zweit.

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Venezianisches Schlafzimmer Wie man sich bettet, so liegt man. Gemäß dieser alten Weisheit steht gediegener Nachtruhe somit rein gar nichts mehr im Weg.

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Erschienen in
RESIDENCES Nr. 02/2023

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