Rotkäppchen neigt zu Aggressionen. Dem Wolf fehlt es am nötigen Biss. Und die Prinzen sind keine Strahlemänner. Steven Sondheim nahm in seinem 1987 uraufgeführten Musical „Into the Woods“ – dessen Filmversion mit Meryl Streep und Johnny Depp in den Hauptrollen 2014 auch ein internationales Kinopublikum begeisterte – die Stereotypen lustvoll auseinander. Wie überhaupt das ganze Bühnengeschehen aus Versatzstücken besteht, die der kongeniale Meister auf ironische Weise zu einem neuen Ganzen zusammenfügt.

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Maya Hakvoort: Auf der Bühne eine böse Hexe und backstage die toughe Produzentin
Vorne von links: Markus Richter thias Trattner (Hans), Ann Mandrella (Bäckersfrau), Reinwald Kranner (Bäcker), Valerie Luksch (Aschenputtel). Hinten von links: Silke Braas-Wolter (Stiefschwester Lucinda), Andreas Kammerzelt (Stiefmutter), Stefanie Rieger (Stiefschwester Florinda).

Foto: Herwig Prammer

Drei bekannte Grimm-Märchen – „Aschenputtel“, „Rotkäppchen“ und „Rapunzel“ – werden mit dem englischen Volksmärchen „Hans und die Bohnenranke“ verschmolzen und um eine Rahmenhandlung bereichert. Im Zentrum die Fragen: Was geschieht, wenn sich die Wünsche der Protagonist*innen erfüllen? Welche Konsequenzen ergeben sich aus den jeweiligen Handlungen? Nur so viel: Die ohnehin fragile Märchenwelt gerät ganz schnell aus den Fugen. Maya Hakvoort bringt den Stoff mit ihrer Produktionsfirma bei den Sommerfestspielen Brunn am Gebirge auf die Bühne.

Maya Hakvoort: Auf der Bühne eine böse Hexe und backstage die toughe Produzentin
Missy May kann als Rotkäppchen auch unsanft, wovon der von André Bauer dargestellte Wolf ein Klagelied singen kann.

Foto: Herwig Prammer

Sie spielt auch die Hexe und erfüllt sich damit einen Herzenswunsch. „Die böse Hexe wollte ich schon immer einmal spielen, weil ich es außergewöhnlich finde, dass sie rappt. Und das Böse zu spielen, ist immer ein Spaß“, erklärt sie. Für sie wird das Stück „durch die Märchenfiguren unglaublich zugänglich, denn jeder von uns kennt sie. Außerdem ist es eine Komödie“, und solche seien bei den Zuschauer*innen ohnehin beliebt.

„Grundsätzlich spannt das Stück einen Bogen über alle Generationen und vereint komische und berührende Momente auf eine ganz spezielle Weise. Die prägnante Musik von Steven Sondheim fügt sich wunderbar mit der dramaturgischen und szenischen Überhöhung der einzelnen Charaktere und Geschichten“, ergänzt Andreas Kammerzelt. Er gibt auf der Bühne eine genderfluide Doppelrolle und ist einerseits Rapunzels Prinz und andererseits die böse Stiefmutter. Beide mit viel Slapstick und comicartigen Zügen ausgestattet. „Die Stiefmutter kommt allein schon durch mein Äußeres mit Bart und 1,95 Meter Körpergröße wie die Faust aufs Auge daher …“.

Maya Hakvoort: Auf der Bühne eine böse Hexe und backstage die toughe Produzentin
Nazide Aylin lässt als Rapunzel natürlich ihr Haar herunter.

Foto: Herwig Prammer

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Märchenhafte Kindheit

Sowohl Maya Hakvoort als auch Andreas Kammerzelt schätzten in jungen Jahren Märchen. „Ich mochte sie alle, denn ich wusste immer, dass das Gute über das Böse siegen würde“, so Maya Hakvoort. Und sie fügt nachdenklich hinzu. „Bei einem einzigen Märchen von Hans Christian Andersen war es nicht so, das hat mich immer traurig gemacht: ‚Das Mädchen mit den Schwefelhölzern‘. Sie erfriert schließlich, weil ihr niemand hilft. So ein Märchen lehrt uns auch, dass wir unseren Mitmenschen immer die Hand reichen sollten.“

Andreas Kammerzelt hat Märchen ebenfalls immer geliebt – und tut dies bis heute. „Mein Großvater hat mir schon als kleines Kind so manches Märchen erzählt. Was mich auch sehr geprägt hat, war die Hörspielreihe ‚Erzähl mir was‘, die Mitte der 80er Jahre auf den Markt gekommen ist. Dabei konnte man sich diverse Märchen auf Hörspielkassette anhören und gleichzeitig in einem illustrierten Heft mitlesen.“ Analog multimedial also. Und noch dazu von arrivierten Schauspielern mit prägnanten, charakterstarken Stimmen eingelesen. „Ich glaube, dass mich das auch hinsichtlich meiner Berufswahl sehr geprägt hat“, so der Schauspieler, Sänger und Sprecher mit einem Anflug von Lächeln auf den Lippen.

Maya Hakvoort: Auf der Bühne eine böse Hexe und backstage die toughe Produzentin
Zwei fesche Prinzen, die es mit der Liebe aber nicht immer so genau nehmen: André Bauer und Andreas Kammerzelt.

Foto: Herwig Prammer

Premiere mit Verspätung

„Into the Woods“ stand bereits 2020 auf dem Spielplan, musste aufgrund der Pandemie aber um zwei Jahre verschoben werden. „Es ist harte Arbeit, erstens, gesund zu bleiben, zweitens, ein Musical auf die Beine zu stellen, drittens, die richtigen Entscheidungen zu treffen, viertens, es finanziell zu schaffen und fünftens, das Publikum zum Kartenkauf zu animieren“, resümiert Maya Hakvoort. Das Gelingen des letzten Punkts ist sehr wahrscheinlich, steht in Brunn am Gebirge doch die erste Musical-Liga auf der Bühne. Wonach wählte sie das Ensemble aus? „Ich habe die Persönlichkeiten gesucht, die zu den jeweiligen Rollen passen.

Maya Hakvoort: Auf der Bühne eine böse Hexe und backstage die toughe Produzentin
Inez Timmer wünscht sich als Mutter von Hans ohn dazu, seine geliebte Kuh zu verkaufen. Rechts hinten: Erzähler Markus Richter.

Foto: Herwig Prammer

Eine organisierte, starke, lustige Bäckersfrau – Ann Mandrella. Einen verträumten Bäcker, der seine Begabung sucht – Reinwald Kranner. Ein spritziges Rotkäppchen – Missy May. Eine Rapunzel, die es liebt, hübsch zu sein – Nazide Aylin. Ein freches, aber lyrisches Aschenputtel mit einer Stimme wie eine Nachtigall – Valerie Luksch. Zwei humorvolle, attraktive Prinzen – Andreas Kammerzelt und André Bauer. Einen Jungen, Hans, der es immer gut meint mit der Welt – Matthias Trattner. Eine Mutter, die durchgreift und witzig ist – Inez Timmer. Zwei Stiefschwestern, jung, witzig und spritzig – Stefanie Rieger und Silke Braas-Wolter. Und einen gestandenen Mann als Erzähler – Markus Richter.“ Dazu Regisseur und Bühnenbildner Dean Welterlen, die Choreographinnen Linda Hold und Birgit Wanka-Noisternig alias lindbirg oder der musikalische Leiter Jeff Frohner. „Jeder im Team ist enorm wichtig, um eine gute Produktion auf die Beine zu stellen.“

Maya Hakvoort: Auf der Bühne eine böse Hexe und backstage die toughe Produzentin
Aufgebrezelt für den Ball: Valerie Luksch als Aschenputtel.

Foto: Herwig Prammer

Aktiv wie die Kaiserin

Für sie ist der Schritt von der Darstellerin zur Produzentin ein logischer. „Es ist auch ein Weg, um Stücke selber aussuchen zu können und nicht abhängig zu sein von den Engagements, die man bekommt.“ Sie könne ihren geliebten Beruf so besser mitgestalten. Wie schafft man es, über so viele Jahre Publikumsliebling zu bleiben? „Ich versuche, immer wahrhaftig zu spielen und meine Lebensphilosophie in Interviews zu vermitteln.“ Sie sei dankbar für die ihr geschenkte Begabung, an der sie auch hart gearbeitet habe.

Maya Hakvoort: Auf der Bühne eine böse Hexe und backstage die toughe Produzentin
Reinwald Kranner und Ann Mandrella bringen als Bäckersehepaar den Stein der Geschichte ins Rollen.

Foto: Herwig Prammer

„Ich möchte der Welt etwas zurück schenken, und auf der Bühne kann ich das.“ Nach „Into the Woods“ einmal mehr als Elisabeth im gleichnamigen Musical vor Schloss Schönbrunn. Ist das ihre Lebensrolle oder träumt sie heimlich davon, die Kaiserin endlich in Pension zu schicken. „Nein, es ist eine Ehre, sie nach so langer Zeit wieder spielen zu dürfen, ich freue mich unglaublich!“ Unmittelbar danach wird man Maya Hakvoort in „Sunset Boulevard“ im Stadttheater Baden erleben können. „Auch ein phantastisches Stück. Also fad wird mir nie. Und in Pension gehe ich auch nie. Wenn meine Gesundheit es zulässt, werde ich bis zum Ende auf der Bühne stehen.“ Ihr diesbezügliches Vorbild: „Waltraud Haas!“

Zu den Spielterminen von „Into the Woods“ bei den Sommerfestspielen in Brunn am Gebirge!