Musik in der DNA. Er ist der Sohn des parsischen Pianisten Dady Mehta und der amerikanischen Sopranistin Martha Ritchey Mehta, sein Vater ist ein Cousin des weltberühmten Dirigenten Zubin Mehta. Dass aus ihm erst ein Knabensopran wurde, der ab dem zehnten Lebensjahr Tourneen absolvierte und Konzerte mit Leonard Bernstein sang, später dann ein Violoncellist und schließlich jener international akklamierte Countertenor, als den ihn heute jeder klassikaffine Mensch kennen dürfte, ist allerdings nicht dem Umstand seiner Herkunft geschuldet, sondern Talent, Willensstärke, Fleiß und Intelligenz.

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Vor einigen Jahren ereilte ihn mit dem Dirigieren eine neue künstlerische Passion – wobei das auch nicht stimmt, denn Bejun Mehta hielt bereits in jungen Jahren den Taktstock in der Hand. Doch dann kam ihm die Gesangskarriere dazwischen und ließ dreißig Jahre lang keine Zeit für andere Aktivitäten. Seit ein paar Jahren widmet er sich wieder verstärkt der musikalischen Leitung – vornehmlich im symphonischen Bereich.

Mit dem dramatischen Oratorium „Theodora“ gibt er nun sein Debüt als Dirigent eines szenisch aufbereiteten Stücks im MusikTheater an der Wien – von ihm als Oper tituliert, „weil es eine klare Geschichte hat und in meinem Kopf einfach als Oper abläuft. Es hat eine enorme Tiefe und zieht alle Beteiligten regelrecht in seinen Sog. Für mich ist ‚Theodora‘ Händels Bach. Jeder kennt seine h-Moll-Messe oder die Passionsgeschichten. Wenn man diese hört, wird man ob ihrer Erhabenheit regelrecht selbst erhöht. Diese Qualität steckt auch in diesem Stück.“

Eine zentrale Bedeutung, und das unterscheide das Oratorium vielleicht von der Oper, komme dem Chor bei, der in dieser Märtyrergeschichte dreigeteilt ist – in jenen der Christen, der Heiden und des Universums – und dennoch als ein Klangkörper agiert. Dafür haben Bejun Mehta und sein Team eine musikalische Sprache entwickelt, die den jeweiligen Funktionsradius repräsentiert.

Man muss immer wieder neue Impulse schaffen, um künstlerisch frisch zu bleiben und substanziell in die Tiefe zu gehen.

Bejun Mehta, Countertenor und Dirigent

Begegnung als Basis

Team ist ein gutes Stichwort, um seine Motivation näher zu beleuchten. „Wir haben dieses Projekt gemeinsam ‚erfunden‘ und von Anfang an zusammen daran gearbeitet. Stefan Herheim und das gesamte Produktionsteam sind in meiner Berliner Wohnung gesessen, und wir sind gemeinsam die Partitur durchgegangen, was ich wunderbar finde. Das geschieht fast nie und sollte immer so sein! Stefan Herheim versucht, das ideale Umfeld für die Arbeit zu schaffen, eine Art ‚Opern-Inkubator‘, er ist jemand, der fördert und zulässt.

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Es ist mir egal, ob ich pro Saison nur eine Oper dirigiere, solange sie unter solchen Bedingungen stattfindet.“ Er sei auch in den Prozess der Besetzung eingebunden gewesen. Ein weiterer Vorteil. „Da ich selbst Sänger bin, weiß ich, wie man andere Sänger*innen zur besten Performance motivieren kann. ‚Theodora‘ ist zwar die Titelheldin, aber die Partitur ist sehr dicht komponiert – mit Motiven und Phrasen, die auch von den anderen Charakteren kommen. Wenn also eine Figur nicht funktioniert, zerfällt das ganze Soufflé.“

Das Dirigieren begreift Bejun Mehta als natürliche Entwicklung seines Lebens. „Ich singe selbstverständlich weiterhin und auch sehr gerne, aber jetzt ist es an der Zeit, meinen Horizont wieder zu erweitern. Man muss immer wieder neue Impulse schaffen, um künstlerisch frisch zu bleiben und substanziell in die Tiefe zu gehen. Ich möchte nicht ausschließlich routiniert sein.“

Als Dirigent trage man die musikalische Gesamtverantwortung. „Man ist dafür zuständig, eine Struktur zu erschaffen, mittels der man eine Spannung erzeugt, die über Stunden anhält.“

Er habe auch noch nie erlebt, dass ein Orchester seine musikalischen Ideen nicht umsetzen habe wollen. „Ich nehme an, sie erkennen auch in mir den Musiker.“

Professionelles Triumvirat

Parallel zur musikalischen Leitung von „Theodora“ bereitet Bejun Mehta gerade eine weitere große Aufgabe vor. Er wurde als Professor an die Gesangsabteilung der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien / mdw berufen und musste dafür einen umfangreichen Auswahlprozess absolvieren, „denn die mdw ist erfreulicherweise nicht hauptsächlich an großen Namen interessiert, sondern an fachdidaktisch fähigen Lehrern“.

Was will er den Studierenden also vermitteln? „In erster Linie Gesangstechnik, weil es so wichtig ist, diese möglichst früh beigebracht zu bekommen, damit die Studierenden ihr künstlerisches Potenzial optimal freisetzen können. Manche denken aus Unerfahrenheit, sie hätten viel Zeit, aber dem ist nicht so. Es gibt leider im modernen Opernbetrieb ein Zeitfenster, das sich schnell schließt, und dann ist man zu alt und draußen aus der Branche.“

Für diese Tätigkeit wird er auch fix nach Wien ziehen. „Eine Stadt, die ich liebe und mit der ich seit meiner Kindheit verbunden bin. An der Uni, wo ich unterrichten werde, haben sich meine Eltern kennengelernt. So schließt sich auf wunderbare Art der Kreis für mich. Ich werde dirigieren und Partien singen, die es mir wert sind oder die zu den allerletzten nicht erfüllten Wünschen meiner Karriere zählen, wie zum Beispiel Rinaldo. Und ich werde eben die Lehre an Jüngere weitergeben. Das ist mein persönliches Dreieck. Darauf kann man sich doch nur freuen!“

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