Mehrfachbegabung als Belastungsprobe. Bei Dominic Oley hat es jedenfalls eine Weile gedauert, ehe er akzeptieren konnte, dass er nicht nur ein talentierter Schauspieler, sondern auch ein ebensolcher Autor und Spielleiter ist.

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„Ich fühle mich als Hybridwesen und bediene mich aus verschiedenen Maltöpfen“, meint er. „Mein Zugang zum Medium Kunst ist wahrscheinlich, das Haus über unterschiedliche Eingänge zu betreten.“ Allein aus diesem Satz lässt sich seine große Liebe zur Poesie herauslesen, die, so viel darf man vermuten, wohl am Anfang stand. „Dabei wollte ich ursprünglich Filmregisseur werden, dann kam irgendwann das Schauspiel dazu. Und mit ihm gewisse karrieristische Vorstellungen des Berufs.“ Diese wollten verfolgt werden, nahmen aber immer wieder Umwege, ein Prozess, an dessen Ende die Erkenntnis stand, dass es sich richtig anfühlt so, wie es letztendlich ist.

Dominic Oley kam vor 42 Jahren im 57.000 Einwohner zählenden Meerbusch zur Welt. Der Stadt mit dem höchsten Durchschnittseinkommen in Nordrhein-Westfalen. Ebenso ländlich wie lieblich. Wasserreich, jedoch spannungsarm. Man versteht, dass den Künsten zugeneigte Menschen hier wenig Zukunft sehen. Dominic Oley sah seine im fernen Wien. Nach Absolvierung des Max Reinhardt Seminars, an dem er später auch einen Lehrauftrag übernahm, und einem vierjährigen Ausflug ans Schauspiel Essen lebt er seit 2009 als Schauspieler, Autor, Regisseur und Musiker in Wien. „Letztes übe ich allerdings nur noch als exklusiver Privatgitarrist meiner kleinen Tochter aus“, grenzt er seine multiple kreative Persönlichkeit ein wenig ein. Es bleibt ja noch genug. Er spielte an der Josefstadt, deren Ensemble er angehört, in Zach Helms „Speed“ und Felix Mitterers „Jägerstätter“ – Partien, für die er 2013 in der Kategorie „Beste Nebenrolle“ für einen Nestroy nominiert wurde –, war „Shakespeare in Love“ und gab in Ferdinand Raimunds „Der Bauer als Millionär“ den Hass. Aktuell steht er unter anderem in „Das perfekte Geheimnis“ und „Was ihr wollt“ auf der Bühne.

Zudem inszenierte er zunehmend, zum Beispiel „Plotting Psycho“ im TAG, „Final Girls“ im Theater in der Drachengasse, „Frankenstein“ am Landestheater Niederösterreich und immer wieder im Bronski & Grünberg – Text und Regie jeweils Dominic Oley.

Charlie Chaplin

Der große Diktator“ – eine Dramatisierung des Filmklassikers mit Alexander Pschill in der Titelrolle, dessen Uraufführung am 6. Oktober 2022 in den Kammerspielen stattfand – stellt gewiss eine Zäsur in seiner Regiekarriere dar. Das Stück wurde von der Kritik hoch gelobt und ist ein Publikumsmagnet. Mehr geht kaum.

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Dominic Oley in „Der große Diktator“
Nachdrückliche Bilanz.„Der große Diktator“ mit Alexander Pschill in der Hauptrolle bringt es in den Kammerspielen auf 97 Prozent Auslastung. Bei der Premiere sprang Regisseur Dominic Oley auch als Schauspieler ein.

Foto: Philine Hofmann

„Meine Vorstellung von Theater ist ein empathisch empfindendes Theater, das den Zuschauer anregt, sensuell eine Pausetaste zu drücken in all den Vereinzelungsaffekten, aus denen er kommt, und gewärmt zu werden. Theater kann eine sinnliche Heizung sein.“ Und was für eine. Zärtlich, komisch, leise, temporeich, prophetisch, hysterisch, fantasievoll. Für den spielfreudigen Alexander Pschill ist Chaplins satirisches Meisterwerk obendrein schweißtreibend, denn das Theater ist nicht zuletzt auch eine Angelegenheit physischer Präsenz. „Gerade hier, in diesem Reinhardt’schen Tempel, wo ich auch als Schauspieler tätig bin, mit dieser Aufgabe beschenkt zu werden hat sicherlich einen symbolischen Mehrwert für mich“, so Dominic Oley.

Nach welchen Kriterien wählt er aus, was er wann und wo inszenieren möchte? „Am besten ist es, wenn es zufällig passiert. Und was sich in letzter Zeit auch herauskristallisiert, ist, dass ich es gerne mit Personen verknüpfe. Mit Leuten, die auch ein erhöhtes Interesse an der Sache haben, denn wenn sich das deckt, kann man die Arbeit gemeinsam tragen. Man kann und sollte Schauspieler ruhig auch fragen, was sie schon immer spielen oder singen wollten.“

Der Erfolg des Diktators habe auch „mit der spirituellen DNA“ von Charlie Chaplin zu tun. „Sowohl seine Person als auch seine Kunst haben etwas sehr Lebensbejahendes. Und es erzählt sich auch weiter, dass der Hauptdarsteller fantastisch ist.“ Sein eigenes Zutun kommt erst auf Nachfrage ins Spiel. „Okay, es ist auch sehr gut angerichtet. Eine liebe Bekannte und künstlerische Wegbegleiterin von mir hat es treffend ausgedrückt, indem sie meinte, es sei ein schlankes Weltenuhrwerk, das mit musikalischen Akzentuierungen sehr unterhaltsam die Geschichte vorantreibt und miteinander verbindet.“

Ästhetische Gymnastik

Dass er auch als „Nur“-Schauspieler auftritt, dient dazu, „die eigene Sportlichkeit zu trainieren. Es ist eine Übung, ästhetische Gymnastik, bei der ich überprüfe, was ich als Schauspieler brauche, damit ich es als Regisseur dann den anderen Schauspielern zurückgeben kann.“

Dominic Oley in „Was ihr wollt“
Es darf gelacht werden.In William Shakespeares Verwechslungskomödie „Was ihr wollt“ gibt Dominic Oley – ebenfalls in den Kammerspielen – den überheblichen und am Ende in den Wahnsinn getriebenen Haushofmeister Malvolio.

Foto: Moritz Schell

Er habe beschlossen, als Darsteller den Mund zu halten und sich nicht ständig in das Regiekonzept einzumischen. „Sonst funktioniert es nicht.“ Unter eigener Regie aufzutreten sei ihm lediglich bei der Premiere von „Der große Diktator“ passiert, da Matthias Franz Stein wegen plötzlicher Erkrankung ausfiel. „Das war aber ungeplant, ansonsten leide ich noch nicht am ‚Kenneth-Branagh-Syndrom‘, der Regie führt und überall mitspielt.“ Ist er ehrgeizig, ein Karriereplanender? „Ich würde sagen, ich bin auf der Suche nach Freude. So würde ich zum Beispiel gerne das, was ich am Sprechtheater gelernt habe, auch auf das Musiktheater umlegen und eine große Oper oder ein Musical inszenieren. Bei Musik sind wir dermaßen verbunden, dass sich eine sofortige Wirkung einstellt.“

Aktuell bereitet er als Regisseur „Der nackte Wahnsinn“ vor, das im April 2023 im Stadttheater Klagenfurt Premiere haben wird. Gibt’s etwas, was er noch nicht kann, aber schon bald können möchte? „Noch geduldiger sein. Besonnenheit im Umgang mit Menschen. Und weniger Angst haben.“

Zur Person: Dominic Oley

Ausbildung am Max Reinhardt Seminar, wo er René Pollesch kennenlernt, eine Begegnung, die er bis heute als künstlerisch prägend bezeichnet. Danach Ensemblemitglied am Schauspiel Essen. Seit 2009 arbeitet und lebt er als Schauspieler, Regisseur, Autor und Musiker in Wien. Im Theater in der Josefstadt / Kammerspiele stand er zuletzt in „Rechnitz (Der Würgeengel)“, „Die Dreigroschenoper“, „Das perfekte Geheimnis“ und „Was ihr wollt“ auf der Bühne. Seine Inszenierung von „Der große Diktator“ ist aktuell in den Kammerspielen ein überwältigender Erfolg.

Zu den Spielterminen von „Der große Diktator“ in den Kammerspielen der Josefstadt!