Alles was glänzt ist ein multiperspektivisches Porträt eines Ortes, in dem die Geschichte von Fortschritt und Zukunft auserzählt ist. Oder konkreter: Es geht um Wenisch, Teresa, Merih und Susa und was sie in diesem trostlosen Dorf hält oder dorthin treibt. Es geht um einen Berg und die Bedrohung der Natur. Es geht um einen Unfall, der die Verhältnisse durcheinanderwirbelt“, erzählt Autorin Marie Gamillscheg in einem Interview mit dem Luchterhand Verlag, bei dem ihr Debütroman „Alles was glänzt“ erschienen ist. Mittlerweile hat die gebürtige Grazerin auch schon das „schwierige zweite Album“ hinter sich gebracht und mit „Aufruhr der Meerestiere“ einen weiteren Roman geschrieben, der 2022 veröffentlicht wurde.

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Textmassen in Bewegung

Doch auch ihr Debüt hielt sie in den vergangenen beiden Jahren weiterhin auf Trab – gemeinsam mit makemake produktionen hat sie „Alles was glänzt“ für die Bühne bearbeitet. Am 14. Oktober feiert das Stück in der Regie von Sara Ostertag und mit Musik von Clara Luzia und Catharina Priemer-Humpel im Kosmos Theater Premiere. Es ist Marie Gamillschegs erste Theaterarbeit. „Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich das getraut hätte, wenn ich nicht das Vertrauen von makemake bekommen hätte, die mich gefragt haben, ob ich nicht Lust hätte, mit ihnen gemeinsam ‚Alles was glänzt‘ auf die Bühne zu bringen“, erzählt sie. Reizvoll fand sie an dem Projekt unter anderem, die selbsterwählte Einsamkeit, die einen als Schriftstellerin begleitet, gegen die Möglichkeit, etwas gemeinsam zu erarbeiten, einzutauschen.

„Ich schätze es zwar sehr, alleine zu arbeiten, sehe mir aber auch total gerne an, was mit so einem Stoff passiert, wenn man in der Gruppe damit umgeht und von unterschiedlichen Seiten Einflüsse kommen“, fügt die Autorin hinzu. Darüber hinaus war es für sie auch eine interessante Erfahrung, ihren Roman nochmals zu öffnen – und zwar nicht nur so, wie man das beim Lesen tut, sondern einzelne Bestandteile nochmals in Bewegung zu bringen und Dinge umzuschichten. „Bei etwa eineinhalb Stunden Aufführungsdauer hat man auch einen ganz anderen Spannungsbogen“, so Gamillscheg. „Ich fand es spannend, herauszufinden, wie dieser Bogen im Theater funktioniert und mit welchen Mitteln ich arbeiten kann.“

Der erste Schritt auf dem Weg vom Roman zum Theaterstück war jedoch, „zu verstehen, was die Bühne kann“. Eine Woche lang fanden ganz am Anfang des Projekts gemeinsam mit den Spieler*innen und dem Regieteam Vorproben statt, die sich als wichtige erste Orientierungshilfe herausstellten. „Eine Woche des Ausprobierens“, resümiert Marie Gamillscheg lachend.

Alles was glänzt im Kosmos Theater
Sara Ostertag inszeniert „Alles was glänzt“ im Kosmos Theater.

Foto: Bettina Frenzel

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Wechselspiel

Besuche ehemaliger Bergarbeiterorte – unter anderem in Bolivien und Eisenerz – waren für Marie Gamillscheg wichtige Ausgangspunkte für ihren Debütroman. Der Berg, der in ihrem Roman allgegenwärtig ist, spielt auch in der Stückfassung eine zentrale Rolle. „Der Mensch hat den Berg über sehr lange Zeit zu Geld gemacht – ihn ausgehöhlt. In meinem Roman schlägt er zurück. Dieses Wechselspiel zwischen Ausnützen und Profitieren bei gleichzeitiger Bedrohung sagt viel über unsere Zeit aus.“

Ich versuche zu zeigen, dass die Art, wie wir mit der Natur umgehen, einen großen Einfluss darauf hat, wie wir leben, denken und lieben.

Marie Gamillscheg

In ihrem zweiten Roman, „Aufruhr der Meerestiere“, stand das Verhältnis von Töchtern und ihren Vätern am Anfang ihrer Überlegungen, die Natur kam erst später dazu. Wenn es um das Verhältnis zwischen zwei Menschen geht, denkt Marie Gamillscheg auch die Beziehung zwischen Mensch und Natur mit. „Ich glaube, dass das mittlerweile zu meinem Schreiben gehört“, so die Autorin. „Ich meine das auch nicht metaphorisch, sondern versuche zu zeigen, dass die Art, wie wir mit der Natur umgehen, einen großen Einfluss darauf hat, wie wir leben, denken und lieben.“

Spiel mit den Formen

Ob es sie während des Schreibens oft in die Natur gezogen hat? „Ich bin sehr empfindlich was Schreibort und Schreibzeit angeht“, antwortet Marie Gamillscheg. Lange Zeit hatte sie ein Atelier mit anderen Künstler*innen, stellte jedoch fest, dass das Ablenkungspotenzial für sie zu hoch war. „Ich bin auch überhaupt keine Kaffeehausliteratin, weil ich viel zu gerne Leute anschaue und beobachte“, fügt sie lachend hinzu. Residencies und Aufenthaltsstipendien sind da schon eher ihr Ding. „Da kommen zwei Dinge zusammen, die ich sehr schätze. Man hat einen konzentrierten Schreibort für sich allein und meistens Natur direkt vor der Türe. So wechselt sich das schön ab.“

Alles was glänzt im Kosmos Theater
Catharina Priemer-Humpel und Clara Luzia sind bei „Alles was glänzt“ für die Musik verantwortlich.

Foto: Bettina Frenzel

Nach ihrer Erfahrung mit „Alles was glänzt“ könnte sich Gamillscheg durchaus eine weitere Theaterarbeit feststellen. „Ich habe große Lust, mich in diesem Bereich noch weiter auszuprobieren“, erzählt sie im Interview, das über Zoom stattfindet. Marie Gamillscheg lebt seit einigen Jahren in Berlin, ist zur Zeit aber viel unterwegs. Zur Premiere von „Alles was glänzt“ kommt sie nach Wien.

Für das Theater zu schreiben ist für sie etwas ganz anderes als das Verfassen eines Romans. „Es sind zwei unterschiedliche Formen, die zwei verschiedene Schreibverfahren bedingen“, fasst sie zusammen. Aus der Arbeit an der Theaterfassung von „Alles was glänzt“ konnte sie dennoch ein paar Dinge in ihr Schreiben mitnehmen. Vor allem: „Mut zum Ausprobieren und zum Spiel mit den Formen.“

Zur Person: Marie Gamillscheg

Marie Gamillscheg, geboren 1992 in Graz, lebt als freie Autorin in Berlin. Veröffentlichungen in zahlreichen literarischen Zeitschriften und Magazinen. Ihr Roman „Alles was glänzt“ landete auf der ORF-Bestenliste, wurde für den aspekte-Literaturpreis nominiert und mit dem Österreichischen Buchpreis für das beste Debüt 2018 ausgezeichnet.

Zu den Spielterminen von „Alles was glänzt“ im Kosmos Theater.