Auch wenn es eigentlich in der Natur der Sache läge, ist die Musik nur selten jenes Medium, das auf der Bühne den Ton angibt. In der Regel ist es nämlich der Text, der das Zentrum einer Theaterinszenierung bildet. Dabei gelingt es, mit Musik, wie mit kaum einer anderen künstlerischen Ausdrucksform, eine Aufführung mit Zwischentönen auszustatten, die den Text nicht übertönen, aber den auf der Bühne gesprochenen Sätzen eine neue Bedeutungsebene hinzufügen. Theatermusik einfach als „Beiwerk“ und damit als Beilage zur Buchstabensuppe des textbasierten Sprechtheaters zu verstehen, ist zwar einfach und auf den ersten Blick auch naheliegend, würde aber definitiv zu kurz greifen.

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So ähnlich sieht das auch Clara Luzia, die mit ihrem gleichnamigen Musikprojekt seit 2006 die österreichische Musiklandschaft prägt und als Musikerin schon an einigen Theaterprojekten beteiligt war. „Im Idealfall macht die Musik einen weiteren Raum auf“, bringt sie ihre Einschätzung auf den Punkt. Und fügt hinzu, dass Musik den Text auch in eine komplett andere Richtung drehen kann. „Wenn ich ein Stück für eine Szene schreibe und dieser Teil des Stückes dann nochmals geändert wird, kann es sein, dass die Musik auf den ersten Blick nicht mehr zur Szene passt, sondern in eine ganz andere Richtung abbiegt. Daraus ergibt sich manchmal eine besondere Spannung.“

Das Musical „Konsum“ im Werk X.

Foto: Alex Gotter

„Konsum" – ein Recycling-Musical

Ihr erste Theaterarbeit hat Clara Luzia 2015 mit Bernd Liepold-Mosser umgesetzt – eine Stückentwicklung, die auf Texten der 1973 verstorbenen Dichterin Christine Lavant basiert und der Sängerin prompt eine Nestroy-Nominierung einbrachte. Den Wunsch Musik für Theaterstücke zu komponieren trug sie zu diesem Zeitpunkt schon längere Zeit mit sich herum. „Dieses Stück war ein schöner Einstieg in die Theaterwelt“, erinnert sich die Musikerin. Kurz vor der Sommerpause hat Clara Luzia an einer weiteren Produktion von Bernd Liepold-Mosser mitgearbeitet. Das Musical „Konsum“ feierte am 28. Juni im Werk X Premiere, erlebte dann einen Zwischenstopp in Klagenfurt und wird ab Oktober wieder im Werk X zu sehen sein.

Vom Genre fühlte sich Clara Luzia, die sich bisher noch nicht so richtig für Musicals begeistern konnte, zunächst ein wenig verunsichert. Allerdings war schnell klar, dass es sich bei „Konsum“ nicht um ein Musical im klassischen Sinn handelt. „Ich würde es eher als Singspiel oder Sprechtheater mit Musik bezeichnen“, wirft die Musikerin und Amadeus Music Award-Gewinnerin ein. Das Stück, vom Regisseur als „Recycling-Musical“ bezeichnet, dreht sich – ganz dem Titel entsprechend – um das menschliche Konsumverhalten und die Mechanismen des Kapitalismus. Dass dem Thema Recycling im Stück eine wichtige Rolle zukommt, wirkt sich auf formaler Ebene auch auf die Songs aus – die meisten Lieder sind Coversongs. Einige Songs hat Clara Luzia aber auch für das Stück geschrieben. Interpretiert werden diese unter anderem von der Schauspielerin Zeynep Buyraç.

„Waren einmal Revoluzzer" und „Der Zauberberg"

Bisher stand Clara Luzia bei ihren Arbeiten für das Theater immer selbst auf der Bühne. Sie könnte es sich aber auch durchaus vorstellen, Musikstücke zu schreiben und dann abzugeben. Ähnlich wie bei Filmprojekten, von denen die Musikerin auch schon einige auf ihrer Liste hat. Zuletzt schrieb sie den Soundtrack für den Film „Waren einmal Revoluzzer“, der ihr nebst vieler schöner Erfahrungen auch eine Romy-Nominierung einbrachte. „Das war eigentlich meine Traumarbeitssituation“, erinnert sie sich lachend. „Daheim zu sitzen und allein in meinem Zimmer vor mich hinzuarbeiten und die Arbeit anschließend einfach abzugeben, entspricht im Grunde meiner Idealvorstellung. Das soll aber die Arbeit für das Theater nicht schmälern. Es ist auch schön, gemeinsam mit einem Team ein Projekt zu erarbeiten.“

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Wenn ich Musik für Theaterstücke schreibe, geht es nicht um mich, sondern um das Stück. Dadurch kommt es vor, dass ich Sachen ausprobiere, die ich für Clara Luzia nicht machen würde."

Clara Luzia

Während Clara Luzia für ihre letzte Zusammenarbeit mit Bernd Liepold-Mosser schon einige Vorbereitungen treffen konnte, ist es bei anderen Regisseur:innen eher ein Sprung ins kalte Wasser. Zum Beispiel bei Inszenierungen der Regisseurin Sara Ostertag, mit der sie schon einige Theaterstücke umgesetzt hat. Auch in der kommenden Spielzeit steht wieder ein gemeinsames Projekt am Programm: Am 30. September feiert „Der Zauberberg“, eine Bühnenbearbeitung des berühmten Romans von Thomas Mann, Premiere. „Der Text hat sich im Zuge der ersten Probenwochen sehr verändert und wird sich auch weiterhin noch verändern. Mittlerweile weiß ich, dass ich bei Saras Inszenierungen vorher noch nicht wirklich schreiben und komponieren kann, weil sich während der Proben normalerweise noch viele neue Aspekte ergeben. Nur vom Lesen des Stücks bekomme ich noch nicht genug Gefühl für den Text, ich muss die Leute zuerst treffen, mir das Bühnenbild anschauen und sehen, wie sich die Leute darin begegnen“, erklärt die Musikerin.

„Der Zauberberg“ im Landestheater Niederösterreich mit u.a. Jeanne Werner, Tilman Rose und Clara Luzia.

Foto: Alexi Pelekanos

Wechselwirkungen

Spannend findet sie auch die Wechselwirkungen, die sich aus der Arbeit für Clara Luzia und dem Komponieren für Theater und Film ergeben. „Wenn ich Musik für Theaterstücke schreibe, geht es nicht um mich, sondern um das Stück. Dadurch kommt es vor, dass ich Sachen ausprobiere, die ich für Clara Luzia nicht machen würde, zum Beispiel neue Instrumente verwende". Als „Ferien vom Ich“ bezeichnete sie die Arbeit für das Theater in einem Interview mit der Kleinen Zeitung. Und als tonangebend bezeichnen wir die Musik der Singer-Songwriterin – im Theater und als Clara Luzia.

Zur Person: Clara Luzia

2006 gründet die gebürtige Niederösterreicherin Clara Luzia ihr Plattenlabel Asinella Records und veröffentlicht ihr Debütalbum „Railroad Tracks“. Für ihr zweites Album „The Long Memory“ (2007) wird die Musikerin 2008 mit dem Amadeus Music Award ausgezeichnet. Es folgten die Alben „The Ground Below", „Falling Into Place“, „Here’s To Nemesis“ und „When I Take Your Hand“. 2015 tauchte sie mit dem Stück „Lavant!" zum ersten Mal in die Theaterwelt ein.