„Abwechslung, ja bitte“ lautet das berufliche Credo von Schauspielerin Zeynep Buyraç. Eigentlich hätten wir sie bei unserem Gespräch im schattigen Garten eines kleinen Cafés im Sechsten aber gar nicht danach fragen müssen. Der Blick auf die Liste jener Produktionen, bei denen die in Istanbul geborene Künstlerin bereits mitgewirkt hat, genügt. Musicals, moderne Operninszenierungen, Theaterproduktionen, Filme und Serien gehören zu ihrem umfangreichen Portfolio.

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Dass der Wunsch nach Abwechslung die ein oder andere Herausforderung mit sich bringt, stört Zeynep Buyraç nicht. Ganz im Gegenteil. Als sie im vergangenen Jahr bei den Bregenzer Festspielen in einer modernen Operninszenierung auf der Bühne stand, empfand sie das zwar als herausfordernd, aber keineswegs auf eine unangenehme Weise. „Es war ein Ausflug in ein für mich vollkommen neues Genre. Ich bin keine Sängerin und schon gar keine Opernsängerin. Aber ich bin unglaublich glücklich, dass diese Produktion, trotz all der schwierigen Umstände, stattfinden konnte. Ich habe wahnsinnig viel gelernt“, erinnert sich die Schauspielerin.

Gerade in unserem Beruf sind wir am ehesten frei, wenn wir keine Ängste haben und uns nicht zurückhalten müssen."

Zeynep Buyraç

Keine Angst vor Fehlern

Die Rede ist von „Impresario Dotcom“, einer modernen Opernbearbeitung der Goldoni-Komödie „L’impresario delle smirne“, die im vergangenen Jahr bei den Bregenzer Festspielen Uraufführung feierte. Für ihre Verkörperung des Impresario wurde Zeynep Buyraç für den diesjährigen Musiktheaterpreis nominiert. „Als ich kontaktiert wurde, war bereits klar, dass die Rolle mit einer Frau besetzt werden soll. Für mich eine kluge Herangehensweise“, fügt sie hinzu.

Auch bei den heurigen Bregenzer Festspielen ist Zeynep Buyraç wieder zu sehen. Und wieder hat ihre Rolle etwas mit dem Opernfach zu tun. Diesmal steht sich allerdings nicht singend auf der Bühne, sondern spielt eine Opernsängerin. Und zwar in Bernhard Studlars Stück „Lohn der Nacht“. Besonders wohl fühlt sich die Schauspielerin, die am Konservatorium, der heutigen Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien, studiert hat, wenn die gemeinsame Arbeit an einem Stück auf Augenhöhe passiert und die Schauspieler:innen aktiv am Prozess beteiligt sind.

„Gerade in unserem Beruf sind am ehesten frei, wenn wir keine Ängste haben und uns nicht zurückhalten müssen. Im besten Fall hat man die Chance viele Fehler machen zu dürfen und keine Angst davor“, bringt sie ihre Erwartungen an das Theater auf den Punkt. Ärgerlich sei es außerdem, wenn das Ausüben von Macht unter dem Deckmantel eines Geniegedankens stattfindet. „Narrenfreiheit heißt nicht, sich die Freiheit von anderen anzueignen, sie anderen Menschen wegzunehmen“, erklärt sie.

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Kein Plan B

Probenarbeit auf Augenhöhe erlebt sie unter anderem am Werk X, zum Beispiel bei der Neubearbeitung von Turrinis „Arbeitersaga“ durch Bernd Liepold-Mosser und beim Musical „Konsum“, das im Oktober wieder zu sehen sein wird. Gelassenheit in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Schauspielerin kennt Zeynep nicht wirklich. „Die Bühne ist ein gefährlicher Ort, es kann immer etwas passieren. Wenn etwas schiefgeht, sind das die spannendsten Momente, weil es darauf ankommt, was man dann daraus macht. Da entstehen enorme Energien. Man muss innerhalb von Sekunden aus der Komfortzone. Gleichzeitig können tolle Dinge entstehen“, erwähnt sie lachend.

Plan B gab es für Zeynep Buyraç schon in der Schule keinen. Auch wenn ihre Eltern ihren Wunsch Schauspielerin zu werden lange nicht ernst genommen haben. „Dann war plötzlich Maturajahr und ich bin herumgehüpft und habe allen gesagt, dass ich nach Wien fahren werde, um Schauspielerin zu werden. Meine Eltern haben mich dann tatsächlich nach Wien geschickt, weil sie dachten, dass ich ohnehin nicht genommen werde.“ Eine Fehleinschätzung, denn es klappte gleich beim ersten – und einzigen – Versuch.

Foto: Nela Pichl

Die Gesellschaft auf die Bühne bringen

Zweisprachig ist Zeynep Buyraç nicht aufgewachsen. Mit elf Jahren begann sie in der Deutschen Schule in Istanbul Deutsch zu lernen. Mittlerweile würde sie sich aber als bilingual bezeichnen. „Das Schöne an der Zweisprachigkeit ist, dass man immer mehrere Welten dabeihat, die aus einer Fülle an Lebenserfahrungen bestehen. Und in unserem Beruf ist es ja so, dass wir aus diesen Erfahrungen, diesen Welten leben.“ Dem Anspruch der meisten Theaterhäuser, dass das Theater unsere Gesellschaft spiegeln sollte, kann Zeynep Buyraç nur beipflichten.

Allerdings mit einem wichtigen Beisatz: „Das geht nur dann, wenn man diese Gesellschaft auch auf die Bühne bringt.“ Was die Themen betrifft, beschäftigen sich viele Theater ja bereits mit Themen wie Migration und Ausländerfeindlichkeit, beobachtet die Schauspielerin. Allerdings fehlen die Menschen, die diese Erfahrungen tatsächlich gemacht haben. „Von den Geschichten dieser Menschen möchten wir schon profitieren und sie auf der Bühne und im Film erzählen, aber sie wollen wir nicht", bringt sie es auf den Punkt.

Steht die perfekte Sprache im Vordergrund, verliert man unglaublich viele gute Schauspielerinnen."

Zeynep Buyraç

Bildung als Startrampe

Ob es ein anderer Prozess ist, wenn man in einer Sprache spielt, die nicht die Muttersprache ist? „Ja und nein“, lautet die Antwort der Schauspielerin. „Ein Akzent sollte einem nicht im Weg stehen. Zwar sollte man als Schauspielerin oder Schauspieler ein neutrales Deutsch sprechen, um es an die jeweiligen Figuren anpassen zu können, aber ich glaube, dass es in erster Linie um die Persönlichkeit geht. Steht die perfekte Sprache im Vordergrund, verliert man unglaublich viele gute Schauspieler:innen.“ Ihrer Meinung nach gehen viele Talente aber schon auf dem Weg zur Schauspielschule verloren. Sie ist davon überzeugt, dass ein Großteil der jungen Menschen mit Migrationshintergrund, die eine Schauspielkarriere anstreben, sich nicht traut zur Aufnahmeprüfung zu gehen.

„Auch ich wurde damals gefragt, warum ich da bin“, erinnert sich Zeynep Buyraç. „Durch meine Sozialisierung, die Unterstützung, die ich zu Hause erfahren habe, war mir diese Frage wurscht. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich jemandem etwas beweisen muss“, ergänzt sie lachend. Wenn sie ihre Geschichte erzählt, ist es ihr deshalb wichtig zu betonen, dass Integration zu 99 Prozent mit Bildung zu tun hat. „Es gibt viele Erfolgsgeschichten, aber es wird nie erzählt, dass jemand unterstützt wurde, sondern immer nur, dass es jemand geschafft hat, weil er oder sie einen Weg außerhalb des Systems gegangen ist. Ich bin keine Ausnahme, ich hatte einfach die Chance auf gute Bildung. Und diesen Bildungszugang wünsche ich mir für alle Menschen mit Zuwanderungsgeschichte."

Zur Person: Zeynep Buyraç

In Istanbul geboren und aufgewachsen, absolvierte Zeynep Buyraç ihre Schauspielausbildung an der MUK Privatuniversität der Stadt Wien (damals Konservatorium Wien). Engagements führten sie unter anderem ans Werk X, das Theater Regensburg, das Landestheater Vorarlberg, das Landestheater Linz, das Staatstheater Ankara, das Theater Drachengasse und zu den Bregenzer Festspielen.

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