In der Horrorkomödie „Gremlins“ ist Gizmo ein fellbedecktes kleines Wesen, das singen kann, aber weder dem Sonnenlicht ausgesetzt noch nass werden darf. Und schon gar nicht sollte es nach Mitternacht noch etwas fressen. Im Haushalt von Ruth Brauer-Kvam ist Gizmo ein fellbedecktes kleines Wesen, das zwar nicht singen kann, dafür alles andere darf und vor allem als tierischer Gott der Liebe fungiert. „Ich hätte nie gedacht, dass ein Hund ein solches Familienmitglied wird, und ich hätte nie gedacht, dass ich mich so sehr verliebe“, schwärmt Ruth Brauer-Kvam in Richtung des Angebeteten, dem diese Huldigung gar nicht unangenehm zu sein scheint.

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Gizmo lebt seit Herbst 2020 bei der Künstlerfamilie, zu der neben zwei Töchtern (16 und 7 Jahre alt) auch Ehemann Kyrre Kvam, erfolg­reicher Musiker und Filmkomponist, zählt. Die Idee, sich einen Hund zu nehmen, kam im Lockdown. Doch da Kyrre Kvam Allergiker ist und sich anfangs dagegen sträubte, musste es eine hypoallergene Rasse sein. Geworden ist es Gizmo, ein Peekapoo aus dem Burgenland – also eine Mischung aus Pudel und Pekinese. „Er ist extrem hübsch!“, konstatiert die Neobesitzerin völlig objektiv. In Liebe ent­brannt ist inzwischen auch Kyrre Kvam, was man beim ersten Blick in Gizmos Augen umgehend verstehen kann. 

Ihre ersten Arbeiten als Regisseurin waren für Ruth Brauer-Kvam eine ungeplante, wenn auch natürliche Folge des Unterrichtens an der MUK.

Foto: Anna Breit

Arabisches Liebesdrama

Mit der Liebe, wenn auch in gänzlich anderer Form, beschäftigt sich Ruth Brauer-Kvam aktuell auch beruflich. In ihrer Funktion als Regisseurin inszeniert sie Detlev Glanerts Oper „Leyla und Medjnun“, die am 14. Juni im Kasino am Schwarzenbergplatz ihre Österreich-Premiere feiern wird. Die Oper wurde zwar erst 1988 uraufgeführt, die Geschichte selbst stammt aber aus dem 12. Jahrhundert, wurde vom Dichter Nezami verfasst und gilt – in unterschiedlichen Versionen – als die berühmteste Liebesgeschichte im arabischen Raum, vergleichbar mit jener von Romeo und Julia. Dass sie bei uns trotzdem kaum jemand kennt, beschämt ein wenig. „Ich kannte diese Geschichte auch nicht“, gibt Ruth Brauer-Kvam freimütig zu. „Da sieht man, wie wenig wir über die arabische Kultur wissen. Ich persönlich weiß auch sehr wenig über die asiatische Kultur, wir beschäftigen uns in unserer Bubble doch stets mit Europa.“ 

Weshalb sie diesen romantischen, hochphilosophischen Stoff kurz erklären muss. „Medjnun liebt Leyla, und sie ihn. Beide kommen aus sehr reichen Häusern, das Ganze spielt sich in einem Beduinenvolk ab. Medjnun bedeutet im Arabischen ‚verrückt, besessen‘. Und Medjnun ist in seiner Liebe so besessen von Leyla, dass es ihre Familie erschreckt. Sie vertreiben ihn schließlich. Er geht in die Wüste und wird dort zu einer Art Sufi, also einem ­Mystiker. Schließlich mutiert er zu einem Propheten der Tiere, die zu ihm kommen, und der Liebe und schreibt ununterbrochen Gedichte und Verse. Er kehrt nicht mehr zurück in seine ursprüngliche Welt, denn er sagt: Ich habe mein Ego verlassen, ich bin nicht mehr ich, ich bin nur noch in der Liebe. Doch Leyla wartet auf Medjnun, der sie aber nicht holt und der auch nicht mehr imstande ist, zu ihr zu gehen, weil er sein Ego aufgelöst hat. Am Ende stirbt Leyla vor Unglück, nachdem sie mit einem anderen verheiratet wurde. Medjnun geht zu ihrem Grab und umarmt es, alle Tiere sind um ihn herum und passen auf, bis auch er stirbt.“ 

Eine sinnliche Klanglandschaft

Am Ende treffen einander beide im Paradies wieder, und nun lässt Ruth ­Brauer-Kvam auch Leyla ihre Geschichte erzählen. Das steht zwar nicht im Libretto, war ihr aber wichtig. „Ich habe Texte einer Sufistin gefunden, die ebenfalls in der Zeit gelebt hat. Sufis sind von einem Ort zum anderen gewandert, sie waren die Hippies des Islam, sie sprechen von Gott wie von einem Geliebten.“ 

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Dennoch ist die Inszenierung auch sehr modern, die Instrumentierung bis auf die arabisch anmutende Oud klassisch, Bühnen- und Kostümbild nicht folkloristisch. „Eine sinnliche Klanglandschaft“ nennt es die Regisseurin. Es ist übrigens die erste Opernregie für Ruth Brauer-Kvam. 

Vom Werden einer Opernproduktion. Am Anfang jeder Arbeit steht das Konzeptionsgespräch.

Foto: Barbara Pálffy/Volksoper

Spießige Musicals und Nacktauftritte

„Für mich ist das eine ganz neue Form. Ich habe in dreißig Jahren auf der Bühne die unterschiedlichsten Theaterformate gemacht, von zwölf Jahren im Theater in der Josefstadt über die spießigsten Musicals bis hin zu Oben-ohne-Auftritten bei Barrie Kosky im Schauspielhaus. Dafür bin ich dankbar, denn ich liebe jede Form von Theater, ich finde urviel urschön“, erzählt sie lachend. Ganz besonders das Musiktheater. Weshalb Oper, wenn man so will, nun eine Lücke schließt. 

Schauspielerin, Sängerin, Regisseurin. War in der Entwicklung das eine immer die logische Konsequenz des anderen? „Nein! Hätte man mich vor zehn Jahren gefragt, ob ich je Regie führen würde, hätte ich ‚never ever‘ gesagt. Ich bin durch das Unterrichten an der MUK (Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien, Anm.) einfach da reingerutscht. Dort habe ich ein paar Stücke mit Studierenden inszeniert und gemerkt, das fließt, das macht mir Spaß.“ Dann kamen die Anfragen von ganz allein. „Ich habe mich nie um eine Regie beworben, und es kann auch sein, dass ich in fünf Jahren gar nicht mehr inszeniere.“ 

Klar helfe es als Regisseurin, zu wissen, wie man sich als Schauspielerin fühlt. „Aber wenn ich als Schauspielerin auf der Bühne stehe, dann bin ich ganz devot und gehöre nur der Regisseurin oder dem Regisseur. Sonst funktioniert es nicht. Der Blick von außen, das habe ich gelernt, ist auch ein ganz anderer als der auf der Bühne.“ 

Ab Herbst in der Wiener Staatsoper

Für ihren Soloabend „Arik“, eine Hommage an ihren Vater Arik Brauer 2019 im Rabenhof Theater, stellte sie auch die Textcollagen zusammen. Als Multitalent sieht sich Ruth Brauer-Kvam, die zudem als Malerin überzeugt, dennoch nicht. „Gut, ich habe nun einmal eine Schauspiel- und Gesangsausbildung und tanze, seit ich sieben bin. Alles andere hat sich in den dreißig Jahren, in denen ich auf der Bühne stehe, entwickelt. Aber ich bin keine Bildhauerin, Seiltänzerin, Dichterin oder Musikerin. Also sicher kein Multitalent!“ 

Von ihrem außergewöhnlichen Können kann man sich im Herbst auch noch an der Wiener Staatsoper überzeugen. Dort steht sie in „Der Barbier von Sevilla“ auf der Bühne. Diesmal als Schauspielerin. 

Zur Person: Ruth Brauer-Kvam

Die Tochter von Arik Brauer begann ihre Karriere beim Musical, war zwölf Jahre lang Ensemblemitglied im Theater in der Josefstadt. Heute arbeitet die 49-Jährige frei als Schauspielerin, Sängerin und Regisseurin. Erfolgreich auch in Kino und TV, u. a. „Vorstadtweiber“.

Zur Homepage von Ruth Brauer-Kvam

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