„Ja, ich habe wahnsinnig lange überlegt, ob dieses Stück das richtige für die aktuelle Situation ist. Wir haben alle schon so viel von Corona gehört, aber andererseits ja nie etwas Positives.“ Bernd R. Bienert ist Intendant des Teatro Barocco in Perchtoldsdorf. Ihm sei klar, sagt er der BÜHNE, dass es Risiko und Pointe in einem ist, im heurigen Jahr ausgerechnet eine Oper mit dem Namen „La Corona“ anzusetzen. Dahinter steckt Christoph Willibald Glucks Werk nach einem Libretto von Metastasio. Es handelt von einem Untier, das die Welt in Angst und Schrecken versetzt, und einem Siegeskranz, eben La Corona, den erhalten soll, wer es besiegt.

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Das Stück wurde von Maria Theresia in Auftrag gegeben und lässt nicht nur durch den Titel Bezüge zu heute herstellen. Wegen des Todes von Kaiser Franz Stephan, dem Mann Maria Theresias, wurde die Uraufführung damals kurzfristig abgesagt – wie zuletzt ja so manche Premiere. „Das ist wirklich eine bemerkenswerte Parallele“, so Bienert. „Es geht mir aber nicht nur um die oberflächliche Pointe, sondern um ein wirklich interessantes Stück eines großen Opernreformators.“

Spät-barockes Gesamtkunstwerk

Bienert hält das Werk für ein spät-barockes Gesamtkunstwerk – wie so viele Stücke, die er bei seinem 2012 gegründeten Teatro Barocco aus der Vergessenheit geholt hat. Der Intendant in Perchtoldsdorf lässt seine Darsteller in rekonstruierten Kostümen, historisch-authentischen Inszenierungen und vor handgemachten barocken Bühnenbildern auftreten. Die Musiker spielen auf historischen Instrumenten.

Grundlagenforschung

Auch für „La Corona“ verspricht er prunkvolle, handgearbeitete Roben und stark an barocke Aufführungspraxen anschließende Kulissen. Man wolle „die Epoche Maria-Theresias wieder erlebbar machen“, so Bienert. Dahinter steckt einiges an Grundlagenforschung. „Es ist gerade im Fall der Barockoper nicht so, dass man das Regiebuch aufschlägt und darin ein Kochrezept findet. Vielmehr gibt es nur ganz marginale Regieanweisungen“, beschreibt Bienert.

Umso mehr sehe er es als seine Aufgabe, auf genaue Vorbereitung und Authentizität zu setzen. Bienert gilt mit seinem Teatro Barocco als Pionier in Sachen historische Aufführungspraxis. „Durch Forschung komme ich den damaligen Intentionen näher. Wenn hier steht, dass die Figuren, die die Töchter Maria Theresias einst spielen sollten, eine Lanze tragen, so lasse ich das nicht einfach weg, sondern gehe der Frage nach, warum das so ist. Die Lanze galt damals als Symbol der Macht des Kaiserhauses, die Erzherzoginnen unterstrichen somit im Stück auch ihre Bedeutung am Hof.“

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Außerdem habe er, so Bienert, „in meinen Recherchen herausgefunden, dass die Tötung des Kayldonischen Ebers, eben des Untiers, in der barocken Emblematik die Rettung des Christentums bedeutet. Die jungen Darstellerinnen, alle vier Erzherzoginnen des habsburgischen Kaiserhauses, sollten demnach in Vertretung des Hauses Habsburg metaphorisch für die Rettung des Christentums kämpfen.“

Detailreiche Spurensuchen

Was für ihn musikalisch den besonderen Reiz der Oper ausmacht, sind die „Auszierungen, wie sie damals üblich waren. Nach dem A- und B-Teil einer Da-Capo-Arie steht eine Fermate. Aber keinesfalls geht es nur um langes Aushalten eines Tones. Sondern es kommt eine Wiederholung, in der die Sängerinnen damals ihre besonderen Talente hervorstrichen. Das war einerseits ein Sport, andererseits beurteilte das Publikum sie danach.“ Gemeinsam mit Dirigent Christoph U. Meier, einem Spezialist für Barockmusik ebenso wie für Richard Wagner, habe er „ebensolche Variationen für unsere Darstellerinnen erarbeitet“.

Auch die aus der Barockzeit stammende Theatergestik hat Bienert rekonstruiert. „Früher habe ich selbst in Barockopernaufführungen nicht verstanden, was die alle auf der Bühne tun. Ich empfand es als entsetzlich langweilig. Die Texte von ‚La Corona’ sind in einem Italienisch, das man eigentlich nicht verstehen kann, auch weil Metastasio so viele Metaphern verwendete und sich sehr kompliziert ausdrückte. Umso wichtiger ist es, den Inhalt auch durch Gesten zu transportieren.“

Teatro barocco: Barocke Energie
Bernd R. Bienert ist Intendant des Festivals Teatro Barocco und gilt als Pionier in Sachen historische Aufführungspraxis

Foto: Alan Lacuin

„Philon und Theone“ beim Teatro Barocco

Gemeinsam mit Glucks Werk kommt das Melodram „Philon und Theone“ von Georg Anton Benda auf die Bühne. Schon in den Vorjahren hat man Werke dieses Komponisten, den Mozart sehr geschätzt haben soll, aus den Archiven aufgestöbert. Hier musste sogar die Handlung erst von Bienert rekonstruiert werden. Das Werk dreht sich um einen Mann, der seine Geliebte verloren hat und den seine Suche bis an den Eingang des Totenreichs bringt.

Das Melodram des Böhmen Benda wurde zwar 1779 geschrieben – er gilt überhaupt als Erfinder dieser Gattung - aber nie aufgeführt. Daher kann man nun beim Teatro Barocco eine Uraufführung präsentieren, die durch die Kombination von Sopranstimme, Chor, Schauspielern und den Klängen der damals neu erfundenen Glasharmonika für besondere Eindrücke sorgen wird. „Die Musik der Glasharmonika klingt wie von einer anderen Welt und muss daher für die Stimmen aus dem Totenreich verwendet worden sein.“

242 Jahre nach der geplanten Uraufführung kommt es nun zu dieser. Und während die Premiere von „La Corona“ und „Philon und Theone“ am 12. August im Neuen Burgsaal in Perchtoldsdorf stattfindet und dort eine Spielserie bis 22. August folgt, gibt es am 1. September eine ganz besondere Aufführung im Schlosstheater Schönbrunn. „Einst hat sich Maria Theresia die Oper ´La Corona´ für ihre eigene Bühne gewünscht, nun geht ihr Wunsch Jahrhunderte später durch unsere Aufführung in Erfüllung“, ist Bienert stolz. 

Zur Website des Teatro Barocco

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