Zum Inhalt springen
Foto beigestellt

Typisch untypisch: Österreichisches Design

Design
Design News
Designer
Produktdesign
Interior Design
Österreich

Design definiert sich heute stärker durch Haltung als durch Herkunft. Zentral dafür: internationale Netzwerke und individuelle Zugänge. Eine kleine Spurensuche zwischen globalen Strömungen, regionalen Prägungen – und der Frage, ob »österreichisches Design« überhaupt noch ein sinnvolles Label ist.

Vielleicht sollte man an dieser Stelle die durchaus relevante Frage aufwerfen, ob es heute noch zeitgemäß ist, über ein »typisches Länderdesign« zu schreiben und entsprechende Typologisierungen vorzunehmen. Deutsche Nüchternheit, skandinavischer Minimalismus, italienische Eleganz – das alles mag seine Berechtigung haben, doch verschwimmen im Zeitalter globaler Netzwerke nicht diese Grenzen zunehmend oder lösen sich gar ganz auf? Und wie positioniert sich österreichisches Design in dieser Reihe? Ist es nicht vielmehr so, dass regionale Prägungen und Themen inzwischen irgendwo zwischen internationalen Einflüssen und individuellen Gestaltungsideen elegant eingebettet und gut aufgehoben sind? Kombinieren Kreative im Design nicht aktuell eher ihre persönliche Handschrift mit universellen Gestaltungsprinzipien? Frei nach Schnauze Steile Thesen?

Aber man kann sie einmal abklopfen. Zum Beispiel mit einer kleinen Spurensuche in Sachen Austrodesign. »­Österreich ist ein sehr kleines Land mit einer kleinen Designszene und nicht unbedingt ein globaler Design-Hotspot, doch gerade darin liegt das Potenzial für individuelle Hand­schriften und innovative Ansätze«, stellt Teresa Berger fest. Ton ist das Hauptmedium der 35-Jährigen, die in Wien und in Eindhoven studierte und 2019 ein eigenes Studio in Kopenhagen gründete. Trocken bringt sie ihr Fazit auf den Punkt: »Ich denke, es gibt kein typisches österreichisches Design.« Und das hat durchaus gewisse Vorzüge, wie Berger ausführt. »Nachdem es kein eindeutiges Bild oder Klischee von österreichischem Design gibt, kann man sehr frei arbeiten. Man fühlt sich nicht gezwungen, in die Fußstapfen großer Designer:innen der Vergangenheit schlüpfen zu müssen. Es fühlt sich alles sehr ungezwungen an.« Ein Ansatz, den sie auskostet. In ihren Arbeiten bewegt sie sich an der Grenze zwischen Kunst und Design und findet mit ihrem cleveren Oberflächen- und Strukturspielchen international große Beachtung. »In Österreich hat Design zurzeit leider nicht denselben Stellenwert wie bildende Kunst«, schildert Berger, die mittlerweile wieder von Wien aus operiert, ihren Eindruck.

Oberflächenarbeit
Mittlerweile eine kleine Keramikberühmtheit ist die Vase »Tactile Pink« von ­Teresa Berger. Multisensorischer kann man sich an Oberflächen nicht mehr abarbeiten.
Mehr dazu

© Teresa Berger

Zuckerschock
Das studio högl borowski lässt sich bei seiner Arbeit gerne von Süßigkeiten inspirieren. Für diesen Spiegel stand ein Schoko-Donut Pate.
Mehr dazu

Foto beigestellt

In Österreich ist es wichtig, ­proaktiv zu agieren und inter­nationale Sichtbarkeit zu suchen, da Aufmerk­samkeit von außen nicht automatisch gegeben ist.

Teresa Berger

Designerin

Teresa Berger

Designerin

GUTE VERNETZTE SZENE
Ein Eindruck, den gewissermaßen auch Thomas Feichtner teilt. Der 55-Jährige zählt zu den renommiertesten heimischen Designer:innen, ist ein talentierter Net­worker und breit aufgestellt. Seit 1997 betreibt er sein eigenes Studio, das zwischen Produkt­design und visueller Kommunikation ein großes Spektrum abdeckt. »Es fehlt oft an Designbewusstsein oder an einem Design-Commitment von offizieller Stelle. Design wird noch immer oft als nachträglicher Farbanstrich verstanden, um Produkte attraktiver zu machen – was es nicht ist.«
Fragt man Feichtner nach dem typischen österreichischen Design, fällt auch seine Analyse ambivalent aus. »Zeitgenössisches österreichisches Design ist nur sehr schwer – wenn überhaupt – abgrenzbar. Dazu ist die Designszene viel zu international vernetzt«, aber er erkennt auch einen kleinsten ­gemeinsamen Nenner, wenn man so will: »­Österreichisches Design musste immer einen alternativen, experimentellen Zugang wählen. Vielleicht, weil hier eine starke Konsumgüterindustrie wie im Norden Italiens oder im Süden Deutschlands fehlt. Deshalb ist es stets auf der Suche nach Alternativen und einer eigenen Identität.« Das bedeutet jedoch keineswegs, dass sich die heimische Designszene in einem historisch luftleeren Raum bewegt. »Ich habe mich in vielen meiner Projekte intensiv mit der österreichischen Designgeschichte auseinandergesetzt und nach Anknüpfungspunkten gesucht«, erklärt Feichtner. Dabei habe er spannende Entdeckungen gemacht – zwischen tradi­tionellen Manufakturen und historischen Fertigungsmethoden.

Erleuchtung
Eine fraktale Struktur ist ein endloses Muster. Diese Pendelleuchte von Thomas Feichtner für Preciosa heißt »Fractal« und ist eine Konstruktion aus röhren­förmigen Metallästen. Künstlerisch und ästhetisch wertvoll!
Mehr dazu

Foto beigestellt

Schaukelstuhl
Mit dem »Tide Chair« denkt das Duo ante up den Schaukelstuhl neu und ließ sich dabei von den Gezeiten inspirieren.
Mehr dazu

Foto beigestellt

Ich glaube, die Wurzeln österreichischen Designs liegen nicht nur in der Wiener Moderne, sondern auch in der frühen Entwicklung ­nachhaltiger Designzugänge.

Thomas Feichtner

Designer

Thomas Feichtner

Designer

Damit Design erfolgreich ist, braucht es unter­nehmerischen Mut, aber auch den Mut der Konsument:innen, das Angebot wahrzunehmen.

KIM+HEEP

Designer

KIM+HEEP

Designer

PROJEKTBEZOGEN
Ähnlich sehen das auch Mia Kim und Nikolas Heep. Das Duo mit internationalem Background – Kim stammt aus dem ­südkoreanischen Busan, Heep aus München – arbeitet unter dem Namen KIM+HEEP von Wien aus. Zwischen den Disziplinen fühlen sich beide zu Hause und bewegen sich souverän zwischen Industrie- und Interior-Design, Architektur und Installation. In
Bezug auf die österreichische Designge­schichte verweisen sie auf zwei zentrale Traditionen: das alpine, bäuerliche Handwerk und die Wiener Werkstätte. Aber typisch ­österreichisches Design? Nicht wirklich. »Es gibt typisch österreichische Themen, und die verarbeiten wir regelmäßig«, erklärt Heep. Wie das dann aussieht, zeigt etwa ihr (­selbsterklärender) Servierteller »Wiener ­Frankfurter«, der auf die Esskultur in Wiener Kaffeehäusern verweist. Das Keramikessgeschirr imitiert die Ästhetik nobler Tafelservice und schaffte es – obwohl nie in Serie gegangen – zu einiger Bekanntheit. Ähnlich berühmt: die Mokka- und Teetassenserie »Lily« aus Glas für Lobmeyr, die in ihrer Formensprache elegant an Josef Hoffmanns legendäres »Patrician«-Service von 1917 anschließt. »Es geht auch immer darum, lokale DNA in Projekte einzuarbeiten. Ich verbinde das gerne mit meinen ostasiatischen Wurzeln«, so Kim, denn: »Es gibt so viele Stile, und alle haben ihre Berechtigung.« Eine Einladung zur Erkenntnis, dass Design heute vielfältig und ungezwungen zwischen allen Grenzen unterwegs ist.

Wurstteller
Der Servierteller »Wiener Frankfurter« von KIM+HEEP verweist auf Wiener Kaffeehauskulinarik und zitiert nobles Tafelservice.
Mehr dazu

Foto beigestellt

Pappenheimer
Tischuhr, aus einem Stück Karton gelasert, versehen mit einem Junghans-Quarzwerk.
Mehr dazu

Foto beigestellt

Erschienen in
LIVING 05/2025

Zum Magazin

Mehr zum Thema
1 / 12