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Spielend in Bewegung: Spielzeugdesign

Familie
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Design

Balancieren, rutschen, schwingen. Klettern, klimmen, springen. Spielen heißt immer auch lernen und die Welt zu entdecken. Gutes Spielzeug muss dabei vor allem die Freiheit bieten, eigene Ideen umsetzen zu können, weiß die Spiel- und Lerndesign-Expertin Karin Schmidt-Ruhland.

Auf den ersten Blick ist die BurgKita in Halle ein ganz normaler Kindergarten. Insgesamt 50 Kinder bauen und tüfteln hier, sie basteln und singen, rutschen und springen, kurz: Sie eröffnen sich die Welt – und zwar vorwiegend spielend. Das ist so weit nichts Ungewöhnliches. Doch hier in der BurgKita nehmen die Kinder dabei die Rolle von Expert:innen und Kritiker:innen ein, hier wird der Spielboden zur Experimentierfläche. Denn die meisten Spielsachen sind Prototypen, gefertigt von den Studierenden für Spiel- und Lerndesign an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule. »Hier ergibt sich die großartige Möglichkeit des partizipativen Entwerfens: Die Kinder werden beteiligt am Prozess des Entstehens und Werdens und sie sind aktiver Teil bei der Gestaltung ihres Umfeldes«, erklärt Professorin Karin Schmidt-Ruhland das Konzept. Schmidt-Ruhland leitet den Studiengang, der einzigartig im deutschsprachigen Raum ist.

»Die angeschlossene Kita ist toll. Für mich geht es im Designprozess immer darum, Probleme zunächst sichtbar zu machen, die die Gestalter:innen dann lösen. In der Kita können unsere Student:innen nun mitspielen, beobachten, und die Prototypen werden auf Herz und Nieren geprüft.« 

Balanceakt: Mit dem modularen Balancierbalken von Ehrenkind schulen schon die Kleinsten Koordination und Konzentration.
ehrenkind.de

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Kindgerecht, nicht kindisch

Es tut sich jedenfalls etwas auf dem Spielzeugmarkt. Neben den Platzhirschen, wie Ravensburger, Mattel, Haba und Revell, gab es in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe an erfolgreichen Neugründungen. Vor allem Bewegungsspielzeuge sind dabei stark nachgefragt – ein Trend, der Hand in Hand mit ewiger Urbanisierung und dem Post-Covid-Zeitalter geht. »Kinder bewegen sich im Alltag einfach grundsätzlich zu wenig«, sagt etwa Stephan Schenk. Gemeinsam mit Hannah König hat der Industriedesigner den Stapelstein erfunden und rund um dieses bunte und vielseitige Objekt ein ziemlich erfolgreiches Unternehmen aufgebaut. Dabei gibt der Stapelstein dem Kind nicht vor, wie er genutzt werden soll, und wird so zum Fundament beim Parcours-Aufbau, ebenso wie zum Swimmingpool für Playmobilfiguren oder Turmbauelement. Schenk: »Es gibt wirklich unzählige Arten der Nutzung. Besonders faszinierend fand ich den Moment in einer Spielgruppe, als sich ein Kind bei jedem einzelnen Stapelstein Element verabschiedet hat, bevor es nach Hause gegangen ist.« Auch Karin Schmidt-Ruhland legt darauf Wert, »dass gutes Spielzeug nicht beschränken darf, sondern bessere Möglichkeiten aufzeigt.  Spielprodukte sollten eine große Interpretationsmöglichkeit bieten.«

Das gilt jedenfalls auch für das Wobbel. Dabei handelt es sich im Grunde um ein gebogenes Brett, das mittlerweile in vielen Kinderzimmern zum Standard geworden ist. Was einmal mehr an den vielfältigen Einsatzmöglichkeiten liegt, daran, dass man darauf ebenso wild schaukeln, wie entspannt rasten kann. Kleinere Kinder nutzen es etwa als gemütliche Liegefläche oder auch – zur Brücke aufgestellt – als Rutsche.

Bewegung im Alltag

Auch wenn das Wobbel erst vor ein paar Jahren wirklich breitenwirksam auffiel, handelt es sich dabei keineswegs um eine Neuentwicklung. Das geschwungene Stück Holz kommt aus dem Waldorfkontext und ist dort schon seit vielen Jahrzehnten im Einsatz. Es ist nicht das einzige innovative Bewegungsspielzeug, das seinen Ursprung in der Reformpädagogik hat. Logisch eigentlich, immerhin beschäftigt sich diese in erster Linie damit, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Kinder bestmöglich entwickeln können. Und Bewegungsspielzeuge spielen dabei nun mal eine wichtige Rolle – nicht nur in Bezug auf motorische Fähigkeiten. Sie fördern neben der physischen Aktivität auch die kognitive und sozio-emotionale Entwicklung.  Bewegung ist von Anfang an ein wichtiger Ausgleich, Bewegung treibt an, Bewegung entspannt.

Klettern im Kinderzimmer

Eine Schlüsselfigur bleibt in diesem Kontext freilich auch Emmi Pikler, deren berühmtes Kletterdreieck noch heute zentral bei der Ausstattung von Krabbelstuben und Kindergruppen ist. Bereits Babys nutzen es zum Hochziehen und Entlanghanteln, ältere Kinder klettern, bauen Höhlen – und mit dem modular einsetzbaren Brett wird es im Handumdrehen zur praktischen Indoor-Rutsche. Ebenfalls beliebt: Der Balancierbalken, der in der Montessori-Pädagogik verwurzelt ist. Das junge deutsche Unternehmen Ehrenkind hat dem einfachen Holzbalken einen Relaunch verpasst. Nun ist er modular zusammensteckbar, verbindet verschiedene Oberflächenstrukturen, eignet sich bestens zum Barfuß-Balancieren und spricht dabei Kreativität und Koordinationsfähigkeiten der Kleinsten direkt an. Obendrauf setzen die Macher auf angenehme, gedeckte Farben – man muss schließlich auch ein wenig an die Eltern denken. Das findet auch Hannah König von Stapelstein: »Ein Spielzeug kann durchaus auch ein Designobjekt sein.« Wenn alles gut geht, bringt es sogar Bewegung in die ganze Familie. Die hat bekanntlich ja noch nie geschadet.

»Mit einem guten Spielzeug kann ein Kind aktiv werden. Es muss ihm Freiheiten zur individuellen Nutzung und Erkundung lassen.«

Karin Schmidt-Ruhland Professorin für Spiel- und Lerndesign an der Kunsthochschule Halle

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Erschienen in
LIVING 04/2024

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Marlene Mayer
Marlene Mayer
Koch
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