Nicolai de Gier: »TRADITION AM PULS DER ZEIT«
Der Designdirektor der dänischen Marke Takt, die auf Möbel zum selbst zusammenbauen im Direktvertrieb setzt im Gespräch mit LIVING. Bei den 3daysofdesign in Kopenhagen sprachen wir mit ihm über Gestaltung, Nachhaltigkeit und darüber, wie beides zusammengehört.
LiVING Sie sind gelernter Tischler, Architekt und Professor für Möbeldesign an der
Akademie der Künste in Kopenhagen. Was ist für Sie gutes Design?
Nicolai de Gier Ich glaube, es ist ein glückliches Zusammentreffen von etwas Gewohntem und etwas Neuem; ein Dreh oder eine neue Art, dasselbe zu tun. Wenn der Dreh zu groß ist oder das Design zu weit von dem entfernt ist, was wir kennen, besteht die Gefahr, dass es nicht von Dauer ist. Möbel sind keine Mode, sondern viel näher an Werkzeugen, die sich nicht so sehr verändern.
Die Dänen scheinen »gutes Design« von jeher im Blut zu haben. Sie wissen, was wir brauchen. Woran liegt das?
Ich bin nicht sicher, ob wir besser sind als andere Nationen, aber wir haben wohl einen sehr menschlichen Ansatz beim Design. Wir studieren die Bedürfnisse der Menschen, bevor wir versuchen, einfach etwas »Ausgefallenes« zu machen. Ich denke, es ist tief in unserer Tradition verwurzelt, Möbel und Objekte zu bauen, die das Leben erleichtern. Mit der Serie »Turn« etwa antworten wir auf den Trend, dass die Menschen zunehmend in kleinen Räumen leben. Wir haben darüber nachgedacht, wie man die Formen vertrauter Esszimmermöbel dafür weiterentwickeln könnte.
Der »Turn«-Stuhl besteht aus nur vier Teilen und wird wie alle Möbel von Takt als Bausatz geliefert. Welche Vorteile hat das?
Dieser Designansatz erlaubt Reparierbarkeit. Man bekommt zudem eine engere Beziehung zu seinem Stuhl, wenn man ihn selber montiert. Das geht bei unseren Möbeln sehr einfach. Die hohe Qualität der Materialien und die schönen Verbindungen werden dabei spürbar. Und falls mal ein Ersatzteil nötig ist, sind die Komponenten vertraut. An der Akademie sind sie direkt am Nachwuchs. Mein Eindruck ist, dass Nachhaltigkeit bei den jungen Designer:innen bereits völlig selbstverständlich im Entwurfsgedanken verankert ist.
Der Anspruch beim Möbelkauf wird sich also demnach ändern?
Wir diskutieren mit den Studierenden viel darüber, wie wir als Designer:innen mit dem grünen Wandel in der Industrie umgehen und dazu beitragen können. Ich denke, dass wir in einigen Jahren eine neue Generation von Möbelkäufer:innen haben werden, die ganz neue Anforderungen daran stellen, wie und wo Produkte hergestellt sind und welchen ökologischen Fußabdruck sie haben.
Was wünschen Sie sich in Sachen Müllvermeidung durch Möbel allgemein für die Zukunft?
Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, sollten alle Möbel kreislauffähig sein, also reparierbar und mit einem Design, das Generationen überdauert. Vielleicht könnten wir sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen, dass wir in Zukunft nur noch Neues aus Abfall herstellen sollten.