Kreative Energie: Spaniens Designszene
Von Madrid über Barcelona bis Deià – die Designszene auf der Iberischen Halbinsel lebt von der Spannung zwischen Tradition und Avantgarde, Handwerk und Hightech, Farbe und Formgefühl. Einige Kreative zählen längst zur internationalen Elite, andere arbeiten subtil an der Neudefinition des mediterranen Wohnens.
Es sind die originellen Stoffe und Naturmaterialien wie Ton, Holz, Glas, die beeindrucken. Und es sind die Farben und Nuancen, nahezu poetisch komponiert, die unvergleichlich bleiben. Ideen, die im Dialog mit Herkunft und Ort entstehen. Während anderswo zunehmend in Algorithmen gedacht wird, bleibt Spaniens Design überraschend analog: handwerklich, materialbewusst, sinnlich. Hier ist die Zukunft im wahrsten Sinne greifbar, denn sie wird nicht programmiert, sondern eigens geformt. Eine Haltung, die das Studio Moredesign Architects, von Manuel Villanueva und Oro del Negro in Deià auf Mallorca gegründet, als harmonische Symbiose aus Natur und Architektur umsetzt. Bei Projekten wie dem »Hotel Corazón« auf Mallorca oder der »Casa Jondal« auf Ibiza verschmilzt ökologische Verantwortung mit einer warmen, mediterranen Sinnlichkeit.
Patricia Urquiola muss erst gar nicht vorgestellt werden. Ihre Designs sorgen weit über die Grenzen der Iberischen Halbinsel für Furore. »Ich versuche stets, Funktionalität mit Emotion zu verbinden«, sagt sie über ihre Arbeit. Urquiolas Entwürfe prägen nicht nur Möbel-kollektionen für Marken wie Moroso, Kartell oder B&B Italia, sondern finden sich auch in prestigeträchtigen Hotels, Boutiquen und Flughäfen weltweit wieder. So gestaltete sie etwa das »Hotel Mandarin Oriental« in Barcelona oder das »Six Senses« in Rom, wo ihre Entwürfe Geschichten erzählen und zugleich den Alltag erleichtern.
Atmosphärische Dichte
Ähnlich kraftvoll definiert Isabel López-Quesada das mediterrane Wohnen neu. »Ich gestalte Räume, die zugleich elegant und voller Seele sind«, so die »interiorista española«, die bereits mit 20 Jahren ihr eigenes Studio in Madrid aufgebaut hat. Ihr Stil vereint klassische Formen mit einem unaufdringlichen Luxus, der ohne Pomp auskommt, aber mit viel Gespür für Materialität, Licht und Proportion arbeitet. Ihre vielfach ausgezeichneten Wohnprojekte – von historischen Stadtresidenzen in Madrid bis hin zu Landhäusern in Frankreich und den USA – zeigen, wie sie durch feine Details und atmosphärische Dichte ganz besondere Räume schafft.
Jaime Hayon, ein Meister des skulpturalen Designs, gewährt Einblicke in seine Philosophie, indem er seine Arbeit als Versuch, »Welten voller Poesie und Fantasie zu schaffen«, beschreibt. Seine Kreationen, etwa für Marken wie Baccarat, Fritz Hansen oder Bisazza, verbinden Kunst mit Alltagsgegenständen auf sinnlich-verspielte Weise. Auch im Hospitality-Bereich setzt Hayon starke Akzente, etwa mit der künstlerischen Gestaltung öffentlicher Bereiche des NH Collection Madrid Suecia.
Leisere, doch nicht minder eindrucksvolle Töne schlägt Jaime Beriestain an. Seine Interieurs – vom »Hyatt Regency Madrid« bis zu eleganten Stadtresidenzen in Barcelona – sind durchdrungen von einer zeitlosen Schlichtheit, die zugleich Tiefe und Wärme vermittelt. Einen frischen, weiblichen Blick auf das Interior Design liefert Laura Carrillo, die gemeinsam mit ihren drei Schwestern ein Studio in Madrid betreibt. Immer wieder erregt sie mit farben-starken, handwerklich geprägten Konzepten Aufmerksamkeit.
Zu der jüngeren Generation von Spaniens Designelite gehören Marta de la Rica und Andreu Carulla, die traditionelle Werte des Landes mit einer frischen Perspektive erweitern. »Design ist für mich die Möglichkeit, durch Materialien und Formen Gefühle zu wecken«, betont Marta de la Rica, die maßgeschneiderte Innenkonzepte, Möbel und Räume entwirft. Andreu Carulla ergänzt diese Haltung mit der Überzeugung: »Jedes Objekt sollte eine Geschichte haben und den Raum durch seine Präsenz bereichern.« Seine Kreationen – von Badkollektionen für Roca bis zu Möbeln für Muji, Beleuchtung für El Celler de Can Roca und Design für das »Potato Head Resort Bali« – bestechen durch klare Linien und eine detailverliebte Sicht auf Funktionalität.
Ana Roquero, Gründerin von Cookplay, setzt auf die Idee, dass Design Essen und Zusammenkunft zelebrieren sollte. Ihre Porzellankollektionen wurden vielfach ausgezeichnet und sind weltweit in Museum-Stores ebenso präsent wie in der Spitzengastronomie. Mit feiner Hand verbindet sie Tradition mit zeitgenössischer Formensprache und macht so jeden Moment am Tisch zu einem lukulisch-ästhetischen Erlebnis. In Barcelona wiederum designen Esther Luesma und Xavier Vega handgefertigtes Porzellan und Glas für die gehobene Gastronomie. Ihre organischen, kunstvollen Tischobjekte schaffen multi-sensorische Erleb--nisse und entstehen in enger Zusammenarbeit mit Spitzenköchen wie Ferran und Albert Adrià. Ihre Arbeiten verbinden Kunsthandwerk, Materialforschung und kulinarische Dramaturgie auf ganz eigene Weise.
Alle diese kreativen Köpfe formen mit feinem Gespür das neue Gesicht des spanischen Designs – tief verwurzelt in mediterraner Lebenskunst, doch offen für globale Impulse. Ihre Entwürfe verweben Alltag und Ästhetik, Geschichte und Gegenwart. Und sie zeigen, dass Design nicht nur gestaltet, sondern erzählt: von einer Zukunft, die ihre Wurzeln ehrt.