Holz im Fokus: Warum der älteste Baustoff der Welt die moderne Immobilienentwicklung erobert
Immobilienentwicklung kommt am Thema Holz nicht vorbei. Der älteste Baustoff der Menschheitsgeschichte wird gerade wiederentdeckt. Als Modul, aber auch in Kombination mit anderen Materialien. LIVING hat sich umgesehen, was alles mit Holz gerade möglich ist.
Kreise schließen sich oft auf faszinierende Weise. Wie gerade jetzt. Holz steht wieder im Rampenlicht und erobert die Bauwelt des 21. Jahrhunderts – oder, besser gesagt: Holz erobert sich seinen Platz in der Architektur zurück (die schönsten Holzküchen finden Sie hier). Schließlich hat man es mit dem ältesten Baustoff der Menschheitsgeschichte zu tun, der ab der Industrialisierung von Beton und Stahl verdrängt wurde. Eine Renaissance, die nicht aus dem Nichts kommt, wie Georg C. Niedersüß, seit 2013 Geschäftsführer und Eigentümer des Fertigteilhausspezialisten Griffner, zusammenfasst: »Holz ist der Baustoff der Zukunft, ökologisch, CO2-neutral oder sogar -positiv und optimal für das Wohnklima.«
Design aus Holz
Niedersüß spricht aus Erfahrung. Sein Unternehmen begann vor über 40 Jahren mit der Herstellung von Blockhäusern und hat sich seitdem eine Expertise im konstruktiven Holzbau erarbeitet. Aktuell hat es zusammen mit dem Designstudio F. A. Porsche ein Holzhaus aus Fertigteilen auf den Markt gebracht: das »Floating House«. Es ist ein kleiner Coup geworden, der die Vorteile eines Fertighauses mit architektonischem Design perfekt kombiniert. »Die besonderen Designelemente wie raumhohe Fenster und Türen, die Glasfassade, die elegante Beschattung und die hochwertige Ausstattung fließen nahtlos ineinander über«, erklärt Niedersüß. Die noble Designhütte hat ihren Preis und richtet sich mit einer Kaufsumme zwischen 1,6 und zwei Millionen Euro an eine zahlungskräftige Klientel. Für das Kärntner Unternehmen ist das Designholzhaus jedenfalls eine Strategie, den aktuellen Herausforderungen am stockenden Hausbaumarkt zu trotzen: »Beinahe täglich kommen Anfragen über unsere Homepage. Die positive Resonanz freut uns«, so Niedersüß. Das »Floating House« ist aber auch Teil eines Trends, der sich schon seit Längerem abzeichnet. Der Holzbau dringt dank materialtechnischer Innovationen und neuer Verarbeitungsmöglichkeiten in Bereiche vor, die noch vor wenigen Jahren undenkbar waren. Holzbauten wie das 2019 fertiggestellte »HoHo« in Wien mit seinen 24 Stockwerken oder die Firmenzentrale des Schweizer Uhrenherstellers Swatch, die sich mit einer 11.000 Quadratmeter großen, gebogenen Holzgitterkonstruktion architektonisch eindrucksvoll präsentiert, zeigen die Vielseitigkeit und die Stärke dieses Baustoffs. Man geht mit Holz in die Höhe und in die Breite.
Module und mehr
Bauen mit Holz zeichnet sich zudem durch einen hohen Vorfertigungsgrad aus. Bauteile und Module – Wände, Decken oder ganze Zimmer – werden computergesteuert im Werk vorgefertigt und auf der Baustelle nur mehr zusammengefügt. Die Vorteile: kurze Bauzeiten, geringere Lärmbelästigung durch Baustellen und hohe Passgenauigkeit. Auf so einen seriellen Modulbau setzt auch das gegenwärtig hoch erfolgreiche deutsch-österreichische Proptech Gropyus. 2019 gegründet, plant und verwirklicht das Unternehmen plattformbasierte und voll digitalisierte Gebäude in Holzhybridbauweise. »Wir fertigen zweidimensionale Bauelemente aus Holz in hochautomatisierter serieller Bauweise. Gegenüber 3D-Modulen bestehen die Vorteile darin, dass wir einen höheren Automatisierungsgrad in der Fertigung erreichen, flexiblere Grundrisse möglich machen und geringere Logistik- und damit Produktkosten haben«, erklärt Co-Gründer Bernd Oswald eines der Grundprinzipien des Start-ups. Er macht außerdem deutlich, dass Gropyus hochwertigen, ressourcenschonenden und leistbaren Wohnraum schaffen will.
Wie das in der Praxis aussieht, demonstrierte man erstmals mit dem Projekt »Am Wohnpark Nette 6« in der deutschen Stadt Weißenthurm in der Nähe von Koblenz. Aktuell entstehen gerade 116 neue Wohnungen in Immendingen in der Nähe des Bodensees. Gropyus zeigt auch, worum es im Holzbau sonst noch geht: um das Schaffen qualitativer Innenräume, die mit dem sichtbaren Einsatz von Holz das Wohlbefinden der Bewohner:innen fördern. Und: »Je früher Holz Einzug bereits in erste Planungsphasen hält, umso wertiger und ästhetisch anspruchsvoller wird das Ergebnis, was wiederum die Akzeptanz erhöht«, so Oswald.
Holz findet Stadt
Holz kehrt also in die Städte zurück. Ob Wohn- oder Bürobau, Krankenhaus, Studierendenwohnheim oder Schule: Alles kann und wird mittlerweile wieder aus Holz gebaut. Nicht zuletzt, da Holzbauten ein Statement in Sachen nachhaltiges Bauen sind. Allein schon der CO2-Fußabdruck ist um ein Vielfaches niedriger als bei vergleichbaren Gebäuden aus Beton. Das ist übrigens gut dokumentiert. Der Immobilienentwickler UBM ließ etwa bei seinem Wohnbauprojekt »Baranygasse 7«, bei dem sieben baugleiche viergeschoßige Wohnhäuser entstanden sind, eines davon in Holzrahmenbauweise errichten. Bei dieser Bauweise wird nicht ausschließlich Holz verbaut, durch den großen Holzanteil drückte man den CO2-Fußabdruck aber trotzdem beinahe auf null. Gut zehn Holzhybridprojekte entwickelt UBM gerade, darunter soll mit dem »Timber Marina Tower« in Wien mit 32 Obergeschoßen das höchste Holzhochhaus der Welt entstehen.
Vom Tiny House bis zum See-Chalet-Dorf
Es geht aber auch weniger hoch, wie das niederösterreichische Unternehmen Wood_Space zeigt, das mit Modulen in Blockhausbauweise reüssiert. Vom Tiny House bis zum See-Chalet-Dorf zeigt man immer wieder, wie man schnell, flexibel, umweltfreundlich und kostengünstig Wohnraum entstehen lässt. Die Blockhausbauweise hat übrigens eine lange Tradition in alpinen Regionen. Eine Vielzahl an Bauernhäusern ist damit entstanden. Nicht wenige dieser Höfe trotzen schon 500 Jahre Regen, Sturm und Schnee. Einmal mehr schließt sich also ein Kreis.