Design Boutiquen
Sie kassieren Interior-Auszeichnungen, werden in Magazinen gefeiert und sind Picture-perfect-Helden auf Social Media: Designboutiquen, stilvoll und ästhetisch in Szene gesetzt. Wir zeigen Ihnen ausgewählte Projekte und verraten, welcher Zeitgeist hinter diesen bildschönen Shopkreationen steckt.
Wer durch die Tür in der Lisson Street 69 a in London tritt, lässt die Großstadt draußen. Die Umgebung wirkt sofort. Durchatmen, zur Ruhe kommen. Wer nun glaubt, dass sich an dieser Adresse ein Yoga- oder Meditationsstudio befindet, liegt falsch – aber nur ein bisschen. Es ist ein Schmuck- und Keramikstudio mit Showroom der Marke Completedworks, das Anfang des Jahres seine Türen öffnete. Die Londoner Innenarchitektin Hollie Bowden hat gemeinsam mit Labelgründerin Anna Jewsbury viel Raum für Schönes geschaffen. In dem Ecklokal, das zuvor von einem englischen Pub bespielt wurde, stehen optische Stille und Schlichtheit am Programm: gekalkte Wände, Stahl und minimalistische Innenausstattung. »Mit unserem Interior-Design wollen wir die Suche nach Schönheit und Einfachheit unterstützen«, erklärt Bowden. Für Jewsbury soll ihre Boutique auch Raum für zwischenmenschliche Begegnungen sein. So findet man hier neben exklusivem Schmuck, außergewöhnlichen Keramikstücken und Skulpturen auch monatliche Workshops – wie die japanische Kunst des Blumensteckens oder gemeinsames Töpfern. Mit diesem Interior-Konzept trifft das Completedworks den Zeitgeist: leise statt laut, außergewöhnlich und individuell statt massentauglich.
Oasen der Ruhe
Das bestätigt auch die Trendplattform »Dezeen«: Je digitaler und schnelllebiger die Welt wird, umso ruhiger, haptischer, sinnlicher ist das, mit dem wir uns umgeben wollen. Darauf reagiert das Interior- und Shopdesign. Gerade in Zeiten eines omni-präsenten Onlineshoppings muss der stationäre Handel einen anderen Weg einschlagen. Einen, der die Konsument:innen mit etwas Besonderem versorgt, das sie nicht am Bildschirm bekommen: Atmosphäre, Emotionen, Entschleunigung und Einzigartigkeit. Auch die britische Duftmarke Ffern setzt da an und möchte Menschen »erden« – mit seinen Produkten sowie im Shop. Die Düfte basieren auf Zutaten, die in Somerset behutsam angebaut und verarbeitet werden. Auch im kürzlich eröffneten Store dominieren die Natur und die Ruhe. Vom holistisch ausgerichteten Studio House of Grey designt, ist das Ffern mehr als ein Shop, es will eine Oase in der Stadt sein, in der Menschen sich Zeit nehmen, sich hinsetzen, die Düfte aufnehmen und hausgemachten Kräutertee trinken können.
Header Bild: Die farbintensiven Kochutensilien von Our Place gelten als It-Pieces und werden stolz auf Instagram-Accounts präsentiert. Klar, dass der neue Store in L.A. von den Interior-Stars Ringo Studio stammt. fromourplace.com

Natur pur Ffern steht für natürliche Düfte und eröffnete in London einen Store, der Nachhaltigkeit und Handwerkskunst zelebriert. Designt wurde die plastikfreie Ruhezone vom renommierten Studio House of Grey. ffern.co
© Edvina Bruzas
Ein Palazzo für Interior Es zählt zu den »Must-see«-Shops in Kopenhagen. Der dreistöckige Concept-Store »Paustian«, der in einem ehemaligen Bankgebäude untergebracht ist, beeindruckt mit Säulenhallen, Marmor und dänischen Designmöbeln. paustian.com
© Paustian
Schönheit – innen und außen Der neu eröffnete Shop des Kosmetik-labels Glossier in Boston kombiniert Elemente der örtlichen historischen Architektur mit Pastelltönen. Der Außenbereich lädt mit Entspannungsplätzen unter Bäumen ein. glossier.com
© B. W. Ferry
Wegfahren und ankommen Das schwedische Designstudio Halleroed hat in der Pariser
Boutique des Reiseaccessoirelabels L/UNIFORM französisches und minimalistisches japanisches Design verbunden. luniform.com
Trendexpertin Li Edelkoort blickt in die Zukunft
»Conscious Consumption« ist der neue Luxus, den wir suchen, sagen Trendforscher:innen wie die Niederländerin Li Edelkoort. Nachhaltiges Design ist ein stark steigender Trend der Industrie und reicht von der Herstellung und der Verpackung bis zur Innenausstattung der Shops: Natürliche Materialien machen den Konsument:innen ein gutes Gefühl, dort auch ihr Geld zu lassen. Dies wird durch beruhigende Farbwelten und reduziertes Interior unterstützt. In einer reizüberfluteten Außenwelt tut es gut, im Inneren einer Boutique zur Ruhe zu kommen – das gilt auch für die Augen: Regale, die mit wenigen Dingen bestückt sind, offene Räume, viel Licht, wenig verstellte Flächen. Das Shop-design 2.0 schaut so aus, wie wir auch zu Hause wohnen wollen: aufgeräumt, überschaubar, unbeschwert. Li Edelkoort ist überzeugt, ein minimalistischer Lifestyle bleibt im Trend: »Menschen wollen weniger besitzen. Und das, was sie haben, soll hochwertig und nachhaltig sein.« Das entspricht auch den »Top Retail Design Trends 2023«, die das mehrfach ausgezeichnete US-Architekturbüro Webber + Studio zusammenfasst: Nachhaltigkeit, Minimalismus, Instagrammability und Einzigartigkeit.
Interior für Lebensfreude
Um diesen »outstanding« Effekt zu bekommen, wird oft mit Farben im Interior-Design gearbeitet. Gerade in Krisenzeiten steigt das Bedürfnis nach Farben, die stimmungsaufhellend wirken und Lebensfreude vermitteln. Über Textilien und Wandfarbe oder mit einzelnen Accessoires als Hingucker, die sich aus einem ruhigen Umfeld abheben. Diese »Eyecatcher« sind das, was Webber + Studio mit »Insta-worthy spaces« beschreibt. Also ein atemberaubendes Interior, das Social-Media-Posts bewirkt. Dazu verhelfen auch beeindruckende Locations. Ehemalige Kirchen etwa, wie beim Kopenhagener Café »Nikolaj Kunsthal«, oder das gigantische Bankgebäude, in dem nun der Store Paustian Designmöbel mit viel »Wumms« in Szene setzt. Dieses Interior-Design erzeugt Sehnsucht und das Bedürfnis, den Raum ebenfalls zu erleben und die Wirkung zu spüren. Nicht ohne Grund werden Innenarchitekt:innen als »die neuen Poet:innen unserer Zeit« bezeichnet, die Räume kreieren, die uns mit Ruhe, Energie und »Happiness« versorgen. So gestaltet sich auch das neueste Shopkonzept des Kosmetiklabels Glossier in Boston, das Elemente der örtlichen historischen Architektur gekonnt mit Pastelltönen kombiniert. Und im Pariser Künstlerviertel Saint-Germain-des-Prés hat das Stockholmer Designbüro Halleroed eine neue Boutique für die französische Taschen- und Gepäckmarke L/Uniform kreiert. Mit Design-ideen, die die Produkte auf wunderbare Weise zur Geltung bringen.

Ein Juwel für Juwelen und Co. Gekalkte Wände, Stahl, helle Farben: die Designerin Hollie Bowden hat ein Londoner Pub zum gefeierten Showroom für Completedworks umgestaltet, wo deren Schmuck und Keramik präsentiert werden. completedworks.com
© G. Lutkin
In Ruhe Kaffee trinken Es ist Café, Museumsshop und Ruhetempel in einem – und es liegt in der Nikolaj-Kunsthal--Galerie in Kopenhagen – in einer ehemaligen Kirche. Designt von MEE Studio und mit vielen Naturmaterialien ausgestattet. nikolajkunsthal.kk.dk
© Nikolaj Kunsthal Café