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Das war der Salone del Mobile 2025

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Salone del Mobile

Design, das bewegt! Die 63. Edition der Mailänder Designwoche brillierte mit hochkarätigen Kooperationen zwischen Traditionshäusern, führenden Designern sowie Ideen für nachhaltige Innovationen und Experimenten mit künstlicher Intelligenz. LIVING war vor Ort und hat die wichtigsten Ereignisse zusammengefasst.

Eine Grundregel, um Ihre Pilgerreise zur Mailänder Designwoche zu genießen, besteht darin, zu akzeptieren, dass Sie nicht alles sehen werden – wahrscheinlich nicht einmal alle Must-Sees, selbst wenn man perfekt organisiert und durchgetaktet ist. Denn die Ausstellungen und Präsentationen überschneiden sich. Was mit dem Salone del Mobile als Hauptveranstaltung begonnen hat, ist mittlerweile ein nicht enden wollender Kreativ-Kosmos, der sowohl Möbelaussteller als auch Fashion-Brands in einen angeregten Competition-Parcours manövriert und neben der Messe mit hunderten Veranstaltungen gleichzeitig in die City und die angrenzenden Vierteln wie Brera oder Isola unter der Schirmherrschaft des Fuorisalone lockt. Design und Fashion sind in der italienischen Metropole zu einem Barometer dafür geworden, wohin sich Interior, Mode und Luxus als nächstes entwickeln. Und da die Grenzen zwischen Fashion, Inneneinrichtung und erlebnisorientiertem Einzelhandel immer mehr verschwimmen, nutzen die Marken diese Tage um das Engagement der Verbraucher zu vertiefen, neue Produktkategorien zu testen und ihren Luxusanspruch zu unterstreichen.

Auch die 63. Edition der Mailänder Designwoche konnte sich sehen lassen – LIVING war mitten im Geschehen, umringt von verführerischen Geschichten von Individualität, Schönheit und Luxus renommierter Brands

Extremer Komfort im Fokus

Unser Besuch heuer beginnt in den Pavillons des Salone Internazionale del Mobile, wo wir die Vorschläge für 2025 und einige allgemeine Trends beobachteten, die wir als das Streben nach einem extremen Komfort, einen funktionalen Minimalismus, der das Metall als Designmaterial wiederentdeckt, und die Suche nach Freizeit mit szenischen Lösungen, die Licht und Ton kombinieren, zusammenfassen können.

Besonders im Rampenlicht standen dabei Accessoires, bei denen die architektonische Rolle des Sofas, die wir schon früher beobachtet haben, jetzt noch verstärkt wird, mit Formen, die sich ausdehnen, um den Wohnraum neu zu organisieren, und die noch weicher werden. Wenn auch nicht immer in der Polsterung, die im richtigen Maß dicht bleibt, so doch zumindest in den Materialien der Bezüge. Auf diese Weise wird das Sofa zu einem wertvollen Verbündeten für Freizeit, Entspannung und Müßiggang und zum großen Feind des Stresses. Auf diesen Sofas kann man leben, arbeiten und spielen. Die Sessel sind wieder umhüllend geworden, mit neutralen Farben und natürlichen Materialien, gepolstert mit Bouclé, Naturleder oder tiefem Samt, mit gewebten Kissen und konzeptionellen Formen. Und die Sessel tendieren zu einer abfallfreundlichen Logik in einer verantwortungsvollen Vision der Produktion.

Zu den Unternehmen, die zum Entspannen auf übergroßen, weichen Polstern einladen, gehört etwa Knoll mit starker 80er-Jahre-Atmosphäre und dem »Perron Pillo Sofa« des multidisziplinären Designers Willo Perron sowie vielen Neuauflagen von ikonischen Stücken wie dem »Tugendhat Chair« von Ludwig Mies van der Rohe. Porro setzt auch auf die Ruhe der Sinne mit Produkten wie »Tobu« von Francesco Rota, »Twin« von Dordoni Studio und »Origata« von Nao Tamura. Edra, die »Königin der Polstermöbel«, konzentriert sich in diesem Jahr auf die Veredelung der bereits im Katalog vorhandenen Produkte und entwirft neue Bezüge für seine Klassiker, vor allem im Outdoor-Bereich, die einladend wirken. 

Minotti zeichnet sich wiederum durch die 70er-Jahre-Atmosphäre aus – »Austin Powers« lässt grüßen – die mit den von Giampiero Tagliaferri und Marcio Kogan entworfenen übergroßen Sofas Gemütlichkeit versprüht. Poliform präsentiert »Owen«, einen von Jean-Marie Massaud entworfenen, umhüllenden Sessel mit einem schwarz gebeizten Ulmenholzgestell. Und Flexform hat mit »Camelot« ein weiteres Outdoor-Jewel geschaffen, das den Garten nicht nur gemütlicher, sondern auch schöner macht. Flair auf der Messe versprühte ebenso Moooi – von der Vorschau auf den innovativen »Beta Living Pebble« bis zum skulpturalen »Haybale Lounge Chair« und »Footstool« und allem, was dazwischen liegt, wurden die Erwartungen erfüllt. 

Euroluce 2025

Beenden wir den Messebesuch mit jenem technischen und funktionalen Element, das sowohl als ästhetische Dimension als auch emotionale Kraft für den Komfort unserer Räume herrscht: das Licht! Milano 2025, zwischen Zitaten aus der Vergangenheit, aber mit einer klaren und präzisen Vision der Zukunft, die durch Experimente mit innovativen Materialien und Technologien funktioniert, ist Euroluce in der Tat ein aufsehenerregendes Spektakel. Die Biennale, die dem Universum des Lichts gewidmet ist, präsentiert zwischen den großen Namen der Beleuchtungsbranche und den kleinen, neuen, international tätigen Unternehmen die neuesten Innovationen in den Produkten, die die Unternehmen auf dem Markt präsentieren und die eine kontinuierliche Forschung zur Erweiterung ihres Angebots und zur Nutzung der neuen Lichtquellen verkörpern.

Damit sind wir in der City angelangt. Extravagante Lichtkreationen waren auch in den neoklassizistischen Hallen des großen Palazzo Serbelloni en vogue, als Louis Vuitton seine neue »Objets Nomades«-Kollektion präsentierte. Darunter Möbel vom Estúdio Campana und Patricia Urquiola, die bis hin zu einem Flipper mit Pharrell-Logo und einem extrem luxuriösen Plattenspieler reichte, der aus geschichteten Blütenblättern und butterweichem Leder gefertigt wurde. Ein besonderes Highlight war ein Raum mit Teppichen und Keramiken nach Entwürfen des futuristischen Künstlers Fortunato Depero aus dem frühen 20. Jahrhundert, der skurrile Motive aus der italienischen Folklore in schillernde Blumen- und Fischmuster verwandelte. Aber auch Louis Vuitton hatte eine Überraschung parat: Im zentralen Innenhof wurde Charlotte Perriands berühmtes »La Maison au Bord de l'Eau« rekonstruiert, das am Montagabend als Mittelpunkt einer rauschenden Party diente, mit der gleichzeitig das Geschäft in der Via Montenapoleone eingeweiht wurde. 

»Bamboo Encounters« von Gucci

Im atemberaubend schönen Kreuzgang der Kirche San Simpliciano aus dem 16. Jahrhundert präsentierte Gucci diese Woche sein bisher ehrgeizigstes Projekt der Mailänder Designwoche. Die Ausstellung mit dem Titel »Bamboo Encounters« (dt. »Bambusbegegnungen«) war eine Hommage an das Material, das seit Mitte der 1940er Jahre ein fester Bestandteil der Gucci-Designs ist. Damals schlug Guccio Gucci seinem Florentiner Studio Bambus als Material für Taschengriffe vor, nachdem er sich von der Spazierstocksammlung seines Sohnes inspirieren ließ. Dieser Ausgangspunkt wurde hier in einer Vielzahl von Formen neu interpretiert, von einem eigens für die Veranstaltung gepflanzten lebenden Bambuswald bis hin zu einer Reihe von Fundstücken, die der Künstler und Architekt Dima Srouji zusammenstellte und dann mit Glasdetails verzierte, die von der Familie Twam, einer Dynastie palästinensischer Kunsthandwerker aus dem Dorf Jaba, mundgeblasen wurden.

Die fröhlichsten Stücke von allen? Das sind die farbenfrohen Ripstop-Nylon-Drachen des niederländischen Kollektivs Kite Club, die auf die historischen Ursprünge der Drachen aus Bambus und Papier anspielen. Beim Eröffnungscocktail am Sonntagabend wehte ein besonders kräftiger Windstoß durch den Kreuzgang, als ob er sie tatsächlich zum Fliegen animieren wollte.

© Courtesy by Gucci

»Bamboo Encounter« von Gucci

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Kontraste und Experimentierfreude

Abgesehen von weiteren spannenden Präsentation von Hermès, Loewe, Marimekko, La Doublej, Prada oder Versace, war Rossana Orlandis Galerie-Eldorado ebenso ein Must-Visit, als auch Nina Yashars  Nilufar Depot. Aus dem Staunen kamen wir im »L'Appartamento« von Artemest im Palazzo Donizetti nicht raus, das 10 Jahre Design-Know-how und Kunstfertigkeit zelebrierte. Und Paola Lenti sorgte mit ihren obligaten farbenfrohen Outdoor-Designs für gewohnt positive Stimmung. Was gabs noch? Wir besuchten den Schweizer Möbelhersteller USM und bestaunten die Innovationen der Schweizer Kollegen von V-Zug - wie zum Beispiel den Kleideraufdampfer in praktischer Schrankform.

Im Grunde ist es der Kontrast und die Vielfalt, der hier in Mailand überrumpelt. Während in der ganzen Stadt die Schaufenster und Balkone von Geschäften in Vorbereitung auf das Kreativ-Eldorado wochenlang abgedeckt bleiben, um dann perfekte Produkte in makelloser Umgebung zu präsentieren – saubere Böden, polierte Griffe, unsichtbares Glas –, bietet die Nomadic-Plattform Alcova etwas ganz anderes.

Wie immer verfolgt Alcova auch in diesem Jahr einen nicht-thematischen Ansatz, erklärt Mitbegründer Joseph Grima. »Wir sehen Alcova nicht als eine Ausstellung, sondern als eine Momentaufnahme dessen, was Design heute ist. Unser Ziel ist es, eine möglichst starke Resonanz zwischen dem Inhalt und dem Behältnis, also den Orten selbst, herzustellen«, so Grima. In der Villa Borsani lag der Schwerpunkt auf der Häuslichkeit und dem Design als etwas Raffiniertem und Poetischem, mit einem neuen Interesse an Experimenten und Handwerkskunst. Bei SNIA wurde die industrielle Seite des Designs aufgegriffen. In den Gewächshäusern lehnte sich das Experimentelle an die künstlerische Gestaltung an, während die Villa Bagatti Valsecchi zu einer Art Zusammenfassung wurde, die in einer überraschenden ortsspezifischen Installation in der Ghiacciaia, dem alten Eishaus, gipfelte.

Damit haben wir das Wesentliche von der Milano Designweek 2025 zusammengefasst. Und doch, wie bereits anfangs erwähnt, ist noch lange nicht alles gesagt.

Angelika Rosam
Angelika Rosam
Falstaff LIVING Herausgeberin
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