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(c) Getty Images

Best of Heilkräuter

Gesundheit

Wälder und Wiesen bringen Erholung für die Seele, beherbergen aber auch einen wahren Schatz an Wildkräutern, die uns heilen und pflegen – und durchaus auch gut schmecken.

Hildegard von Bingen nützte ihr Können ­bereits im tiefsten Mittelalter, Sebastian Kneipp rühmte ihre Heilkraft im späten
19. Jahrhundert und heute erleben sie einen echten Hype bei coolen Beauty-Brands: Wildkräuter, so viel steht fest, haben eine lange Tradition ob ihrer vielfältigen Anwendungsgebiete und sind heute interessanter denn je. Für unsere Gesundheit und Geschmacksknospen und für unseren Glow.

Wiederentdeckung der Naturheilkunde

Auch wenn ihre kulinarische Bedeutung keineswegs je in Vergessenheit geraten ist, haben erstaunlich viele das alte Heilwissen über Umwege wiederentdeckt. Seitdem, ­salopp gesagt, Biokosmetik aka »Clean Beauty« einen Hype erlebt und immer mehr kleine Brands mit natürlichen Inhaltsstoffen werben, ist der Wildwuchs im Trend, geradezu im Mainstream angekommen. So verkaufte sich der Bestseller von der Berliner Superfood-Marke Kruut – »Wildpflanzen im Alltag« – fast öfter als sein Allround-Beauty-Produkt »Tonikum Wildrose«. Der Unterschied zu anderen Eco-Brands ist der explizite Umgang mit Wildkräutern, die sich von herkömmlichen nochmals unterscheiden. Ernährungsberaterin und Kräuterautorin Martina Fischer erklärt, warum dem so ist: »Sie enthalten im Vergleich zu Salaten und Gemüsen aus dem Supermarkt ein Vielfaches der so wichtigen sekundären Pflanzenstoffe. Denn in die Wildpflanzen hat noch niemand züchterisch eingegriffen, ganz im Gegensatz zu unseren sogenannten Kulturpflanzen. Denen wurden die unerwünschten Stoffe im Laufe der Jahrhunderte weitgehend herausgezüchtet: vor allem Bitterstoffe und Gerbstoffe und damit auch die Substanzen, die so wertvoll für unsere Gesundheit sind!«

Die Power der Heilkräuter

Dementsprechend weisen Wildkräuter auch mehr Vitamine und Mineralstoffe auf als ­jedes Kulturgemüse. In Folge wertet der wilde Wuchs nicht nur den Speiseplan kulinarisch auf, sondern nimmt auf Gesundheit und Wohlbefinden Einfluss – von außen wie von innen, je nach Pflanze und Begehr. Im Alltag können sie etwa unser Immunsystem pushen, die Verdauung ankurbeln oder die Stimmung heben. Warum also nicht einfach mal am Wegesrand stehen bleiben und schauen, was da so wächst? Sofern man für jedes Kraut die richtige Verwendung ­findet und Grundlagen wie die ideale Erntezeit, das Blatt-für-Blatt-Sammeln und die trockene Lagerung einhält, steht einem neuen ­Lebensgefühl nichts mehr im Wege.

Riechen, schmecken, fühlen: Kräuter werden in der Natur erlebbar und können den Speiseplan ungemein anreichern.

(c) Helmuth Rier

Heilblumen & Heilkräuter

Vielleicht beginnt man mit Arnika, die man an ihren typischen gelben Blüten und dem harzigen Geruch erkennt, der ihre Heimatstätte perfekt widerspiegelt: lichte Waldwiesen und Almen. Bekannt als besonderes Wundkraut, macht die Kombination aus Arnicin, einem Bitterstoff, sowie ätherischem Öl, Gerbsäure und Harz es zu einer explosiven Mischung – im möglichst positiven Sinne. Offene Wunden, Schwellungen, Muskelzerrungen und Verstauchungen lassen sich damit spielerisch kurieren, vor allem, wenn man schon in den Bergen ist. Leichte Aufgüsse können Wunder wirken. Ähnlich grellgelb und vielseitig ist die Ringelblume, die gut auf die Psyche wirkt und im Gegensatz zur geschützten Arnika weitaus verbreiteter ist. Ein Umstand, der für die Brennnessel nur als Untertreibung gelten darf: Der gefürchtete Feind aller Kinder, die gerne durch die Wildnis toben, galt bereits in der Antike gleichermaßen als Segen wie Fluch. Obwohl sie der römische Dichter und Naturforscher Plinius der Ältere sogar als die »am meisten verhasste aller Pflanzen« bezeichnete, stand sie bereits damals in hohem Ansehen. Sie zählt zu den besten Blutreinigungsmitteln unter den Heilpflanzen und wird auch bei Erkrankungen der Harnwege eingesetzt. Der reiche Gehalt an Vitamin A, verschiedenen Mineralsalzen und nicht zuletzt dem Enzym Sekretin, das zur Vermehrung der roten Blutkörperchen beiträgt, macht es besonders geeignet für eine Saftkur. Dafür wird die Brennnessel als Ganzes gesammelt, im Schatten getrocknet und nach dem Trocknen klein geschnitten. Als Aufguss -genossen, heilt sie stetig, man kann sie aber auch in die Küche integrieren. Frisch gesammelt und blanchiert, ersetzt sie durchaus mal den Spinat in der Menüfolge.

Gegen jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen

Die Natur meinte es auch mit Frauenmantel in seiner Üppigkeit gut. Man findet ihn reichlich auf feuchten Wiesen und Waldrändern. In der Volksheilkunde wird er vor -allem, getreu seinem Namen, als Tee bei Frauenbeschwerden genossen. Nachdem er adstringierend, entzündungshemmend und krampflösend wirkt, ist er während der Menstruation ein treuer Begleiter. So manches wächst direkt am Wegesrand, wie etwa Spitzwegerich, eine sehr häufige Wiesenpflanze, die vor allem für ihre heilenden Kräfte bei Erkrankungen der Atemwege genutzt wird. Frische Blätter entfalten, eingelegt in Honig, ihr volles Potenzial. Die Schafgarbe ist ähnlich präsent, man kennt sie in ganz Europa. Dank ihres hohen Gehalts an Bitterstoffen und ätherischen Ölen ist ihre Heilwirkung besonders hoch bei -Erkrankungen des Magens und Darms. Sie kann aber auch, in Öl angesetzt, jedes Gericht geschmacklich ergänzen. Diese Liste könnte man endlos fortsetzen. Der kleine Auszug gibt einen Ausblick auf die unendlichen Möglichkeiten der Heilkräuter; allein im alpinen Raum sind mehr als 400 bekannt. Zeit, mit der Suche zu beginnen.

Erschienen in
Happy Life 02/2024

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Melanie Gleinser-Moritzer
Koch
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