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5 Fragen an den »PharmGenetix«-CEO: Wie funktioniert personalisierte Medizin?

Gesundheit

Gute Medizin kann Leben retten. Zu ­wissen, welche Medizin man verträgt, noch viel mehr. Das österreichische Unter­nehmen »PharmGenetix« hat sich auf personalisierte Medizin spezialisiert.

Happy Life: PharmGenetix bewirbt personalisierte Medizin. Was kann ich mir als Patient:in/Kund:in darunter vorstellen? Wie funktioniert es? Was sind die Benefits?

Wolfgang Schnitzel, CEO von PharmGenetix: Die traditionelle Medizin und speziell die Medikamentenverschreibung haben bisher nicht die individuelle genetische Ausstattung der Patient:innen berücksichtigt. Jede:r hat, natürlich nach Indikation und Krankengeschichte, die gleiche Medikamentenauswahl und -dosierung erhalten, nach dem One-size-fits-all-Prinzip. Inzwischen weiß man aber, dass die Leberenzyme, welche für die Verarbeitung, die Aktivierung und vor allem den Abbau von Medikamenten zuständig sind, nicht bei jedem Menschen gleich gut funktionieren. Dadurch werden Medikamente bei manchen Menschen sehr langsam abgebaut, sodass bei regelmäßiger Einnahme eine zu hohe Konzentration im Körper entsteht, was oft zu Nebenwirkungen führt.

Bei anderen Menschen werden Medikamente zu schnell abgebaut oder gar nicht aktiviert, wodurch sich keine ausreichende Wirkung entfalten kann. Diese Funktionalität der beteiligten Enzyme kann man mit einem Gentest sehr einfach überprüfen. Die Ärztin oder der Arzt kann dann entsprechend dem Genprofil der Patientin oder des Patienten personalisiert mit den geeigneten Medikamenten in der angepassten Dosierung therapieren. Das ist personalisierte Medizin.

PharmGenetix funktioniert sehr niederschwellig. Geht es auch darum, Patien-t:innen/Kund:innen mit mehr Selbstbestim-mung/­Selbstsicherheit auszustatten?

Wir involvieren Patient:innen in unser Konzept der personalisierten Medizin, weil wir überzeugt sind, dass die Selbstbestimmung und die engagierte Mitarbeit von Patien-t:innen ein sehr wichtiger Faktor für die Therapie und schließlich die Gesundung ist. Mit der Pharmakogenetik kann man zielgerichteter und mit geringerer Nebenwirkungsrate therapieren und hier sehen wir auch Patient:innen als treibende Kraft, um diese wichtige Veränderung in unserem Gesundheitssystem zu realisieren. Jede große Veränderung braucht Energie und Zeit, aber jede:r Patient:in sollte das Recht auf eine personalisierte Therapie haben. Wir arbeiten gerade daran, dass die Pharmakogenetik in die medizinische Praxis implementiert werden kann – ohne großen Aufwand für die behandelnden Ärzt:innen. Das gelingt durch die Entwicklung von entsprechenden Software-Algorithmen, umfassende Wirkstoff-Gen-Datenbanken und einfach zu bedienende interaktive Web-Applikation.

Jede große Veränderung braucht Energie und Zeit, aber jede:r Patient:in sollte das Recht auf eine personalisierte Therapie haben.

Wo versagt die moderne Medizin? Und wo liegt die Zukunft der Medizin beziehungsweise wo sehen Sie den größten Need?

Die »Evidence-Based-Medicine« mit den großen kontrollierten Studien hat viel Fortschritt in der Medizin gebracht. Aus dem Ergebnis von der Prüfung von Hunderten oder sogar Tausenden Patient:innen konnte man gut abgesichert ein Therapieergebnis für einen »durchschnittliche Studienpatientin« oder einen »durchschnittlichen Studienpatienten« ableiten. Tatsächlich muss das aber nicht in der medizinischen Realität für jede einzelne Patientin oder jeden einzelnen Patienten passen. Und hier gibt es dann sehr oft das Trial-and-error-Konzept. Therapien werden probiert, wieder abgesetzt oder von der Patientin beziehungsweise vom Patienten wegen Unverträglichkeit oder Unwirksamkeit einfach nicht eingenommen. Mit Pharmakogenetik könnte man schneller und zielgerichteter arbeiten. Wir brauchen natürlich weiterhin die großen Studien, aber zusätzlich brauchen wir die Individualisierung, die Berücksichtigung der Einzelsituation, inklusive des genetischen Profils der Patientin oder des ­Patienten.

Bitte erklären Sie uns Enzyme und die Bedeutung für unseren Körper. Wie unterscheiden sich Ihre Messungen von anderen?

Ein Wirkstoff wird vom Körper als Fremdstoff gesehen und muss rasch abgebaut werden. Für den Körper ist das eine ­»Entgiftung«. Dies passiert für die meisten Wirkstoffe in der Leber durch entsprechende Enzyme, wobei etwa 20 Enzyme zur Verar­beitung der üblichen Medikamente relevant sind. Die Gene, die diese Enzyme kodieren, sind sehr variantenreich. Die unterschiedlichen Genvarianten sind dafür zuständig, dass diese Leberenzyme unterschiedliche Funktio­nalität aufweisen. Man kann bei einem Enzym eine erhöhte Aktivität und bei einem anderen eine verminderte oder ganz ausgelöschte Aktivität haben. Demzufolge kann man bei einem Medikament zu viel Wirkstoff im Körper ansammeln – Stichwort Nebenwirkungen – und bei einem anderen Medikament keine Wirkung haben.

Für ein korrektes Profil müssen alle Varianten überprüft werden. Es reicht nicht, nur die häufigsten Varianten zu analysieren, denn sonst haben Patient:innen mit einer seltenen Variante ein falsches Ergebnis. PharmGenetix ist diese umfassende und korrekte Analyse sehr wichtig, hier sind wir sicher europaweit führend. Die Kombination der verschriebenen Medikamente ist nur mittels umfassender Datenbank und digitaler Berechnung möglich. PharmGenetix hat sich hier spezialisiert und ist international anerkannter Vorreiter bei der Optimierung von PolypharmazieVerschreibungen. Besonders betroffen sind Wirkstoffe für eine wirksame Schmerztherapie, kardiologische Therapien, psychiatrische Medikamente wie Antidepressiva und Krebstherapien.

Wolfgang Schnitzel hat bis 1990 Genetik an der Universität Wien studiert und seine Lehre mit dem Doktor der Naturwissenschaften abgeschlossen. Danach hat er bei verschiedenen Unternehmen in Führungspositionen Arbeitserfahrung gesammelt, bevor er 2019 das Unternehmen PharmGenetix gründete und seither dort die Geschäfte führt.

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Erschienen in
Ausgabe 03/2024

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