„All das Schöne“ an ihrem Beruf zu benennen, fällt Verena Holztrattner, Regisseurin und Regieassistentin am Burgtheater, nicht schwer. „Das große Privileg an der Regieposition ist, dass man unterschiedliche Künstler*innen um sich versammeln kann und eigene Ideen, Fragen und Perspektiven innerhalb einer kreativen Gemeinschaft wachsen, sich verwandeln und Gestalt annehmen sieht“, sagt sie und nimmt einen Schluck von ihrem Sodazitron. Wir sitzen, der über uns aufziehenden Regenfront trotzend, im Top Kino-Gastgarten am unteren Ende der Mariahilfer Straße.

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„Außerdem erzähle ich einfach wahnsinnig gerne Geschichten“, fügt sie hinzu und ihr Tonfall, der bei aller Offenheit auch eine große Portion Ernsthaftigkeit mittransportiert, lässt daran keinerlei Zweifel aufkommen. Das Theater eigne sich dafür besonders, ist die gebürtige Salzburgerin überzeugt, weil es einer der letzten verbleibenden öffentlichen Orte ist, an denen sich Gemeinschaften formen. „Wo man, wenn auch nur temporär, gemeinsam erlebt und fühlt“, so Holztrattner.

„All das Schöne“ heißt auch das Stück, das Verena Holztrattner im Herbst des vergangenen Jahres am Schauspielhaus Salzburg inszenierte. Der Monolog des britischen Dramatikers Duncan Macmillan beschäftigt sich auf außergewöhnlich lebensbejahende Weise mit den Themen Depression und Suizid. Im Zentrum des Stücks: eine Liste, auf der all die Dinge vermerkt sind, die das Leben lebenswert machen. Kurzum: All das Schöne eben. Eiscreme, Wasserschlachten, Sich verlieben und Ins Meer pinkeln und keiner merkt‘s, zum Beispiel. Am 19. und 21. August ist der Monolog, gespielt von Magdalena Oettl, beim Hin & Weg Festival in Litschau zu sehen.

Verena Holztrattner
Magdalena Oettl in „All das Schöne“ im Schauspielhaus Salzburg.

Foto: David Haunschmidt

Prädikat: magisch

Weil Macmillans Text einige Passagen enthält, die das Publikum dazu einladen, sich mit ihren eigenen Ansichten, Ideen und Bemerkungen einzubringen, zeigt sich in „All das Schöne“ auf fast schon überdeutliche Weise, was das Theater als Medium so besonders macht: Keine Vorstellung ist wie die andere. „Während einer Vorstellung im Spätherbst hat sich einmal ein Schmetterling zu uns hinein verirrt und ist über die Bühne geflattert. Magdalena hat kurzerhand den Text ein wenig abgeändert, sodass plötzlich Schmetterlinge Teil der Liste waren“, erzählt die Regisseurin. Prädikat: magisch. Jene Stellen, die im Stück ein wenig lehrstückhaft angelegt sind, haben Verena Holztrattner, ihre Dramaturgin und Schauspielerin Magdalena Oettl leicht abgeändert. „Für mich sind vor allem die Fragen, mit denen man das Theater nach einer Vorstellung verlässt, spannend. Ich möchte in meinen Inszenierungen keine vorformulierten Antworten anbieten. Es ist schön, wenn man welche findet, aber ich möchte sie nicht vorgeben“, erklärt sie ihre Herangehensweise.

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Außerdem sollte man sich als Zuseher*in von den partizipativen Teilen nicht abschrecken lassen. „Das Publikum wird nie ausgestellt oder vorgeführt, sondern nur gebeten mitzuerzählen. Der Fokus bleibt immer auf der Geschichte“, hält die Regisseurin fest. „All das Schöne“ eröffnet für sie einen Raum, in dem man gemeinsam und ohne Scham über immer noch stark tabuisierte Themen wie Depression, Trauer und Tod sprechen kann. Ihr Lieblingssatz aus dem Stück bringt genau das auf den Punkt: „Wenn man lange lebt und sich dem Ende nähert, ohne auch nur einmal massiv deprimiert gewesen zu sein, dann hat man vermutlich nicht richtig hingespürt.“

Vorliebe für Geheimnisse

Parallel zu ihrer Arbeit als Regieassistentin am Burgtheater wird Verena Holztrattner im Dezember das Stück „Wie Ida einen Schatz versteckt und Jakob keinen findet“ im Vestibül inszenieren, ein Stück, das unter anderem „auf sehr subtile Weise die Frage aufwirft, was denn eigentlich wertvoll ist im Leben und wonach es sich zu suchen lohnt“. Die Sommermonate nutzt sie, um schon ein wenig an der Fassung zu arbeiten.

Ein Aspekt, der sich durch ihre eigenen Arbeiten zieht ist eine gewisse Vorliebe für Geheimnisse. Für „Momente, in denen Dinge nicht auserzählt werden, sondern Spielräume für Fantasie geschaffen werden“, fasst sie zusammen. Woraus Verena Holztrattner alles andere als ein Geheimnis macht? Aus ihrer Liebe zum Beruf. Denn auch wenn Selbstzweifel stets Teil des kreativen Prozesses sind, bleibt am Ende dann doch immer „all das Schöne“.